173
t
Von Petra Michaely
1 \ ichts gegen Birnen im allgemeinen. Nur vor
eigenem Wachstum mußt Du Dich hüten. Ja, nimm
an, Du bist mit einem Haus, einem bißchen Gar»
ten, einem Stückchen Wiese zu Birnbäumen ge»
kommen. Schon ist das Unheil nicht mehr aufzu=
halten. Zunächst werden Deine Gedanken auf eine
widerliche Art von Birnen durchsetzt. Die Baum»
blüte erlebst Du weniger als Ästhet denn als Baum»
besitzer, Nachtfröste als geringes, aber empfind=
sames Glied bodenbewirtschaftender Volksschich»
ten, den Sommer allein in der Befürchtung, die
Atomversuche könnten das Wachstum der Birnen»
ansätze beeinflussen.
Und so bricht, mit Erregung erwartet, der Herbst
über Dich herein. Es ist ratsam, den Urlaub dahin
zu verlegen. Denn jetzt mußt Du einige Wochen
auf Deinen Birnbäumen verbringen. Die geruh»
samen Tage im sonnigen Süden gehören ein für
allemal der Vergangenheit an. Dir winken als Aus=
gleich für 11 Monate erschöpfender Arbeit nur
noch birnenbehängte Wipfel, denn wer — außer Dir
— würde sie sonst abernten, zumal Birnbäume mei=
stens von dem guten alten Schlag sind, der den
falschen Ehrgeiz hat, bis fast in den Himmel zu
wachsen. Gewiß, Du könntest das Obst herunter
schütteln. Das würde die Ausgaben für eine hohe
Leiter, einen Stahlhelm wie auch Unfall» und Le=
bensversicherungen ersparen. Aber dann müßten
Deine Lieben, denen Du von dem Segen Deiner
Birnbäume erzählt hast, das Kompott von der
Wiese essen. Du pflückst also Stück um Stück, Korb
um Korb, Kiste um Kiste.
Dann müssen die Birnen lagern. Liegen sie nun auf
allen Regalen, Schränken, dem Speicher, liegen sie
überhaupt an allen Stellen, auf die man in den
nächsten Wochen nicht unbedingt hintreten muß,
und ist immer noch kein Ende Deiner fruchtbrin»
genden Gipfelbesteigungen abzusehen, dann wird
die Frage, wie man diesen Segen segensreich ver=
wenden könne, dringend. Natürlich ißt jeder in
der Familie seine zwei, drei Pfund am Tag und
verkneift wacker die Leibschmerzen, die davon
kommen. Doch was ist das schon. Einmachgläser
werden pflichtgemäß gefüllt. Es gibt Bimenkom»
pott, Birnensaft, Birnenauflauf, Birnen gebacken,
im Teig, gedörrt, als Suppe. Trotzdem, was allein
ein guter Birnbaum tragen kann, ist imstande, eine
vielköpfige Familie zu überfordern. Schon deshalb,
weil der Eifer nach einigen Tagen wesentlich nach»
läßt und Deine Birnenesser endlich jede weitere
Birnenaufnahme hartnäckig verweigern.
Nach einer von Kreuzschmerzen — wegen des
Pflückens — und von Birnensorgen — wegen des
Überflusses — schlaflosen Nacht suchst Du nun im
Wörterbuch nach weiteren birnenträchtigen Wor»
ten. Mit „Birnenschnaps" findest Du neuen Mut.
Ich möchte jedoch bezweifeln, ob es Dich nicht von
Deinen phantasievollen, alkoholhaltigen Wunsch»
träumen ernüchtern wird, wenn Du erfährst, daß
es dann notwendig wäre, die übelduftende Birnen»
maische in Fässern (die teurer sind als wunder»
barer französischer Cognac) auf einem Handwägel»
chen zur zehn Kilometer entfernten Brennerei zu
rollen.
So kommst Du auf den Gedanken, Birnen zu ver»
kaufen. Du bist natürlich im Birnenverkauf nicht
sehr bewandert. Eine gewisse Unsicherheit nimmt
Dir also von vornherein jede Freude an dieser Art
Gelderwerb. Du versuchst es auch nur, weil die
Birnen inzwischen bis ins Schlafzimmer vorgerückt