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Von Elisabeth Kirdi
I Geschichte soll sich begeben haben in
der Zeit, da die Menschen an der Saar meist nur
auf geheimen Schleichwegen über die Grenze ins
Pfälzische gelangen konnten. Franz, ein wackerer
Häuer aus der Homburger Gegend, hatte eine
Liebste irgendwo auf der Sickinger Höhe. Zum
letzten Male hatte er sie auf der Kirmes gesehen,
wo es zum Verspruch kam, und trunken von Liebe
und Wein hatte er es auf dem Rückweg an der
nötigen Vorsicht fehlen lassen, war den Grenz»
streifen in die Hände gefallen, die ihm Gelegen»
heit gaben, seinen Rausch in Homburg im Arrest
auszuschlafen. Also gestraft beschloß er, die ge»
fahrvollen Besuche auf der Sickinger Höhe fürs
erste einzustellen. Nun schmachtete er in Sehn»
sucht hinter den Grenzschranken, sein Herz brannte
vor Verlangen, Marie an die Brust zu drücken.
Nicht umsonst heißt es, daß Liebe erfinderisch
macht. Dies erfuhr der gute Franz gar bald an sich
selbst. Er legte sich einen raffiniert ausgeklügelten
Plan zurecht, dessen Gelingen ihn bald mit Marie
und ihrem Kinde zusammenführen würde. Aber
er benötigte zur Ausführung des Vorhabens zwei
verschwiegene Kameraden, die mit ihm durch dick
und dünn zu gehen gewillt waren.
Froh erschrocken war Marie, als sie von Franz
außer einem kleinen Liebesgabenpäckchen einen
Brief erhielt des Inhalts, daß er sie nach Neujahr
zu sehen hoffe; und in knapper Form bereitete er
einen Plan vor ihr aus, der Marie in Furcht und
Staunen, in Entzücken und Zweifel zugleich ver»
setzte. Noch am gleichen Abend schrieb sie einen
Brief an ihre Großmutter auf dem Eichelscheider»
hof und meldete ihren baldigen Besuch an. —
Der Dreikönigstag war, in wogende Nebel gehüllt,
ins Tal gestiegen. Graue Wolken zogen am Hirn»
mel hin und streuten glitzernde Sterne aus Schnee
über die Saar und das Pfälzerland gleichermaßen.
Die Zöllner an der Grenze schimpften über das
kalte Wetter. Philipp, der älteste von ihnen, ein
Pfälzer aus der Pirmasenser Gegend, machte sei»
nen Pirschgang zum Eichelscheiderhof auf viel»
fach verschlungenen Schmugglerpfaden voller Ge»
fahren und Tücken. Sie erschienen ihm heute zwar
harmlos in ihrer reinen Weiße und wie verzaubert
in ihrer glitzernden Pracht. Ein längst verklunge»
Schritten dort nicht drei Männer, in weiße Gewänder gehüllt,
und trug nicht der vordere einen Stern . . . ?