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Im Schwäbischen gab man ihm den Namen „Auber"
oder „Eiber", in Norddeutschland führt er den Na=
men Adbar, Odebar oder Hadebar. Nach seinem
Klapperlaut ist er in anderen Landschaft Knepner
oder Klapperstorch benannt. Was Storch bedeutet,
ist noch nicht geklärt. Vielleicht hängt sein Name
mit der steifen Haltung zusammen, wenn er auf
den Beinen steht und sich nicht bewegt. Hat je=
mand einen steifen Gang, so sagt man, er gehe
einher wie „der Storch im Salat" oder er „storcht
dahin".
Der Mensch bringt dem Storch aber auch Gefahren.
In Westdeutschland rechnet man ein Drittel aller
Todesfälle der Störche auf Drahtflug. Die Jung»
Störche stellen auf Grund ihrer geringen Erfahrung
die meisten Drahtopfer. Eine weitere Gefahr bilden
für die Störche die Industrie=Schornsteine, auf de=
nen sie sich gern aufhalten. Nicht selten gleiten sie
ab und fallen in den Kamin. Im Oberrheingebiet
fand man viele Anhäufungen von Storch=Uber=
resten in Kaminen. Aus mehreren Ländern kann
bewiesen werden, daß durch mutwillige Gewehr»
schiisse durchziehende Störche getötet wurden. Es
liegen auch Berichte vor, daß sie auch verzehrt wer»
den. Aus dem Libanon werden Massenabschüsse
für Speisezwecke gemeldet. Es liegt der Verdacht vor,
daß der „Große Heuschreckenvogel" — so nennen
die Buren ihn — auch durch Vergiftung der Heu»
schrecken in Mitleidenschaft gezogen wird.
Weitere Nachteile bringen dem Storch dieEntwässe»
rungen. Die Breite seiner Ernährungsgrundlage wird
dadurch herabgesetzt. Er ist ein guter Mäusever»
tilger. Insekten, Frösche, Lurche, Eidechsen, Blind»
schleichen, Regenwürmer, Nattern, Kerbtiere usw.
bilden seine Nahrung. Die Störche waten nicht nur
in Sümpfen, sondern „feldern" auch gern. Es gibt
sogar Vorkommen in reinen Ackergebieten. Am
liebsten halten sie sich aber in feuchten Talauen
auf. Das Senken des Grundwasserstandes wirkt
sich nicht günstig für ihre Nährquelle aus.
Das Nest ist für den Storch von großer Wichtigkeit;
es ist eine „Burg". Der Horst spielt bei Auseinan»
dersetzungen manchmal eine größere Rolle als der
Ehepartner. Wenn der angekommene Storch das
Nest halten kann, findet sich ein Partner von selbst
ein. Das Storchennest kann eine Höhe von 2 Metern
erreichen und viele Zentner schwer sein, wenn es
schon mehrere Jahre vorher von Störchen bewohnt
war. Die Knüppel sind oft daumendick und mit
dünnen Zweigen und Erdklumpen verbunden. Das
scheinbar kunstlose Nest hält allen Unbilden des
Winters auf dem Dachfirst, Baum oder Schornstein
stand. Ein bereätgelegtes Wagenrad unterstützt den
Neubau eines Storchennestes. Seit uralten Zeiten
glaubt das Volk, daß dem Hause, auf dem der
Storch nistet, Feuer und Blitz nicht schaden können.
Wenn ein Brand bevorstünde, würde der Storch
einige Tage vorher die Eier und Jungen wegtragen.
Als die Störche aus Aquileja abzogen, soll Attila
gewußt haben, daß die Stadt untergehen mußte.
Den Nest=Erwerb und Nest=Besitz hat Ernst Schütz
in der Zeitschrift für Tierpsychologie geschildert.
Der zuerst ankommende Storch, einerlei ob Männ»
chen oder Weibchen, belegt bei seiner Ankunft
fünf bis sechs Stunden den Horst. „Zwischen Ruhe
und der üblichen Gefiederpflege sieht man ein Ar»
beiten am Nestgrund. Es gilt in den ersten Stunden
weniger dem groben Baustoff, sondern der Storch
faßt mit spitzem Schnabel das feinkrümelige, tor»
fige Nistzeug und wirft es mit kleinen Schleuder»
bewegungen hoch. Trifft der zweite Storch ein, so
klappern die Partner zur Begrüßung. Häufig wird
das Nest durch andere Störche angegriffen und ge»
stört. Storch und Störchin bauen und bessern ge»
meinsam am Nest, fassen die Äste so, daß sie senk»
recht aus dem Schnabel ragen und stopfen sie mit
schüttelnden Bewegungen auf den Grund des Ge»
flechts. Gras und Heu, Zeugfetzen, Papier, Pferde»
und Rindermist werden mit eingebaut."
Fünf Wochen dauert das Brutgeschäft. Die Störche
wechseln beim Brüten ab. Der Storch muß viel auf
den Beinen sein, wenn er satt werden will. Nur auf
der Wanderung findet er seine Beute, und er be»
darf einer beträchtlichen Menge. In feuchten Jahren
findet er genug Frösche. Die Atzung der jungen
Störche bereitet den Alten viele Arbeit. Das Klap»
pern können die winzigen Störche schon kurz nach
dem Schlüpfen. Nachts beschirmt sie das warme
Gefieder der Mutter, während der Storchenvater in
unmittelbarer Nähe Wache hält.
Naumann meint, der Storch habe einen ungewöhn»
lieh ausgebildeten „Verstand". Er schreibt: „Er weiß
sich in die Zeit und die Leute zu schicken, übertrifft
darin fast alle übrigen Vögel und ist keinen Augen»
blick darüber im Zweifel, wie die Menschen an die»
sem oder jenem Ort gegen ihn gesinnt sind. Bald
lernt er seinen Gastfreund kennen und von anderen
Menschen, die ihm gefährlich erscheinen, unter«
scheiden."
Gewöhnlich wird der Storch als harmloser und gut»
mütiger Vogel betrachtet. Diese Ansicht ist irrig;
denn das Morden wird ihm zur Gewohnheit, und
dieses kann sogar auf seinesgleichen übergehen.
„Man hat Beispiele, daß Störche von anderswo her»
kamen, das Nest stürmten, über die Jungen her*
fielen und trotz der verzweifelten Gegenwehr ihrer
Eltern sie endlich doch ermordeten, dies noch bei
mehreren in der Gegend so machten."
In der Gefangenschaft gewöhnt er sich leicht an
seinen Pfleger und befreundet sich ebenso mit grö»
ßeren Haustieren. Der Storch kann sich aber auch
Ausschreitungen zuschulden kommen lassen und
sogar kleine Kinder angreifen, doch sind solche
Fälle außerordentlich selten.