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Erich Hagel
tanen unserer
(jeschlossen, hoch und gewaltig steigt in den
tropischen Regenwäldern die Pflanzenmauer an
den feuchten Ufern der äquatornahen Ströme
empor. Es bedarf besonderer Anstrengungen, sich
durch das dichte Gewirr der Pflanzenfülle hin-
durchzuarbeiten. Nur selten erreicht ein Sonnen-
strahl den modrig=feuchten Urwaldboden. Selbst
am Mittag herrscht hier ein geheimnisvolles
Dämmerlicht, so daß nur wenige grüne Pflanzen
den Boden besiedeln. Alles strebt zum leben=
spendenden Sonnenlicht, hoch in die Baumwipfel.
In der Vielfalt der Pflanzen fallen besonders die
Lianen auf, Schlinggewächse, die auf jede nur
denkbare Art nach oben klimmen, um aus erster
Hand das kostbare Licht schöpfen zu können.
Unter ihnen gibt es Arten, deren bis 100 m lange
Stengel sich um Äste und Stämme anderer Pflan=
zen winden, andere, die mit unverhältnismäßig
langem Sproß im benachbarten Zweigwerk ein ver=
worrenes Knäuel von Schleifen und Schlingen bil=
den. Wieder andere erklettern Bäume, um dann
aus schwindelnder Höhe Luftwurzeln herab bis
zum Boden zu senden, während die ursprüngliche
Ranke verdorrt. So hängt ein dichter Vorhang aus
dünnen bis armstarken Pflanzentauen zwischen
den mächtigen Urwaldstämmen.
Der Begriff der Lianen oder Windepflanzen wurde
in der offiziellen Botanik auch festgelegt. Nach
G. Hegi versteht man darunter krautartige Pflan
zen und Holzgewächse bzw. Holzlianen, deren
aufrecht wachsende Achsen sich schraubenartig um
dünne Stützen legen. Reizbarkeit fehlt ihnen im
Gegensatz zu den Rankenpflanzen. Nach dieser
Formulierung gehören zu den krautartigen, d. h.
nicht verholzten Lianen unserer Heimat z. B. die
Stangenbohne unserer Gärten, das in feuchten
Hecken bis 3 m hoch wachsende Bittersüß (Solanum
dulcamara L.) sowie die Acker» und die Zaun«
winde. Recht verschieden ist die Ausrüstung der
Schlinggewächse, um sich nach oben in den bes«
seren Lichtgenuß zu arbeiten. Windebewegungen,
Haare, Domen, Stacheln, das Spreizen von Sten«
geln und Blättern sowie Haftwurzeln werden zum
Klettern benutzt.
Die Lianen unserer Wälder sind nur ein ganz ent-
fernt schwaches Abbild der Lianen der tropischen
Regenwälder, aber dennoch wert, sie einer Betrach
tung zu unterziehen. In Laubwäldern, häufig aber
auch in Hecken und Gebüsch der Felder und an
Zäunen stoßen wir auf das Klebkraut (Galium
aparine L., Abb. 1). Vielfach finden wir es als Un=
kraut zwischen der Saat. Das Klebkraut ist eine
einjährige Pflanze und als Schattengewächs zart
und schwach gebaut. Seine Sprosse werden 50—150
cm lang. Sie häkeln sich mit Hilfe ihrer waagerecht
abstehenden Zweige (Spreizklimmer) und den an
ihren Kanten reichlich stehenden, rückwärts gerich
teten Stachelhaaren an anderen Pflanzen empor.
Fehlen solche Stützen, so halten sich die Sprosse
gegenseitig aufrecht. Die winzigen Stachelhaare
befinden sich ebenfalls in großer Zahl an den
Rändern und der Mittelrippe der Blätter. Sie sind
es, die der Pflanze den Namen „Klebkraut" ein
gebracht haben. Großen Schaden kann es in Ge
treidefeldern verursachen, da es das Lagern der
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