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Älteren unter uns werden sich gewiß noch an
solche Lampen erinnern. Man sprach immerhin
schon anerkennend vom „trauten Lampenschein".
Das Petroleum bot sich dem Docht als eine Flüssig=
keit an, die ohne Nachhilfe leicht und schnell auf=
gesogen wird und ohne allzu große Hitzeentwick=
lung mit heller Flamme verbrennt. Petroleum=
lampen haben sich bis auf den heutigen Tag
behauptet: Stall=Laternen, Notlaternen und dergl.
finden wir noch heute allenthalben.
Eine sprunghafte Verbesserung des Beleuchtungs»
Problems brachte allerdings erst die Gasbeleuch=
tung. Das Leuchtgas, heute nur noch Gas genannt,
wird aus der Trockendestillation der Steinkohle
gewonnen, Wir kennen alle die Gasflammen auf
dem Herd. Läßt man dieses Gas unter Luftzufluß
gegen einen sogenannten „Glühstrumpf" strömen
und entzündet es, so leuchtet der Glühstrumpf in
weißlichem Licht hell auf. Die Gasglühlichtbrenner
wurden auch Auerlampen genannt, weil Auer von
Welsbach der Erfinder jener hell leuchtenden GIüh=
Strümpfe war. Er benutzte dafür zwei seltene
chemische Grundstoffe: Thor und Cer in ihren
Sauerstoffverbindungen. (Das Cer findet sich auch
als Cereisen in den Feuersteinen der Gasanzünder.)
Abb. 2 zeigt einen Gasglühlichtbrenner aus der
Jahrhundertwende. Das Großartigste dieses „Lichts
ohne Docht" aber war die Tatsache, daß alle Gas»
lampen von einer Zentralstelle aus — der Gas=
anstalt — versorgt werden konnten. Damit trat
anstelle der Einzelbeleuchtung die gesteuerte Kom=
munalbeleuchtung.
Die Städte stürzten sich auf das neue Verfahren.
Stadt= und Straßenbeleuchtung wurden überall
eingeführt. In diesem Zusammenhang sei eine sehr
originelle literarische Verwendung der Stadtgas»
Sehnsucht jener Jahre erwähnt. Der Schriftsteller
Jules Verne, der uns durch seine phantastischen
Romane bekannt ist, die vielfach auch verfilmt
wurden (20 000 Meilen unter dem Meeresspiegel,
die Reise um die Erde in 80 Tagen, die Reise zum
Mittelpunkt der Erde u. a.), bemächtigte sich ihrer.
Jules Verne erzählte also von einer kleinen hol=
ländischen Stadt, in der die neue Gasbeleuchtung
eingerichtet werden soll. Der dazu beauftragte
ausländische Ingenieur ärgert sich aber über die
Trägheit und Sturheit der Stadtbewohner und
schickt durch die Gasröhren Sauerstoff anstatt
Leuchtgas. Wir wissen, daß Sauerstoff viele Le=
bensvorgänge außerordentlich belebt, und so wer=
den in der Erzählung alle Einwohner quicklebendig,
arbeitswütig, munter, sogar streitsüchtig, solange
ihnen Sauerstoff aus den Röhren in die Räume
geblasen wird. — Der literarische Scherz ist ein
Zeichen dafür, wie stark das öffentliche Interesse
jener Zeit erregt wurde.
Die Straßenbeleuchtung mit Gasbrennern hat sich
vielerorts bis heute behauptet, zumal automatische
Vorrichtungen erfunden wurden, auch die Gas=
lampen vom Gaswerk her anzuzünden und auszu»
löschen.
In die Zeit des Leuchtgastriumphes fällt noch eine
zweite Gasbeleuchtungsart: das Karbidlicht. Hieran
werden sich vor allem noch ältere Radfahrer
erinnern. Man hatte diese Lampe gerade für Fahr»
zeuge entwickelt. Aus einem kleinen Wasserbe»
hälter ließ man Wasser auf Karbid tropfen und
erhielt dabei das Acetylengas, das mit heller,
weißer Farbe brannte. In geschlossenen Räumen
war der Geruch des Acetylens unerträglich, im
Freien machte das hingegen nichts aus. Auch
Schaubuden auf Märkten, Kirmesstände usw. lieb»
ten es, die helle Karbidlampe zu benutzen, sie war
zudem recht billig im Verbrauch.
So brauchbar auch die Gasbeleuchtung gewesen
sein mag, ihr Siegeszug dauerte nur zwei bis drei
Jahrzehnte. Das elektrische Licht errang sich in
kürzester Zeit das Vorrecht und wurde zum un=
umstrittenen Herrscher der Beleuchtungstechnik.
Lang ist der Weg von der ersten elektrischen Glüh»
lampe zum heutigen hochqualifizierten Raum»
strahier. Es ist unschwer zu erkennen, daß die Ent»
Wicklung der elektrischen Leuchten Hand in Hand
gehen mußte mit den Versuchen, die Elektrizität
selbst erst zu erzeugen. Diese Versuche fallen in
den Beginn des 19. Jahrhunderts. Sobald genügend
große Stromstärken geliefert wurden, sobald war
auch schon bekannt, daß man Metalldrähte durch
elektrische Ströme bis zur Weißglut erhitzen
konnte. Ebenso rasch entdeckte man, daß ein
greller Lichtbogen entstand, wenn der Strom die