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Vom sagenumwobenen Erlenbrunnen
dem
und einem furchtlosen
wilden Jäger Maltitz
Bergmann
VON THEO SCHWINN
In der Gemarkung Neunkirchen=Kohlhof liegt in
idyllischer Waldeinsamkeit der 200jährige Erlen*
brunnen. Sein Name geht auf die Erlen zurück,
die sich bis heute noch unweit des buchenumwach=
senen Brunnens erhalten haben.
Der Erlenbrunnen stammt aus der Herrschaftszeit
der Fürsten Nassau=Saarbrücken. In älteren Ur=
künden wird er als Lieblingsaufenthalt bei Spa=
zierritten und Jagden des Landesherrn bezeichnet.
Hier war der Sammelpunkt der fürstlichen „Par=
force"=Jagdgesellschaft. (Parforcejagd = Hetz=
jagd; Jagdform, bei der Fuchs, Sau, Hirsch, Hase
von Jägern zu Pferd und von Hunden bis zur Er=
mattung verfolgt werden.)
Schon aus geschichtlichen Erwägungen müßte man
um Schutz und Pflege des Erlenbrunnens besorgt
sein. Auch jeder Naturfreund rastet gern an dieser
Stätte. Im Führer durch Neunkirchen und Um=
gebung von 1911 wird als Ziel einer Wanderung
der Erlenbrunnen angegeben. Es heißt dort: „Einer
der beliebtesten Spaziergänge ist der nach dem
„Erlenbrunnen", dem Lieblingsaufenthalt des letz*
ten Fürsten von Nassau=Saarbrücken, Ludwig. Zu
diesem mitten im Walde in idyllischer Ruhe ge=
legenen Waldquell führen zahlreiche Wege."
Der Erlenbrunnen bot vor seiner Instandsetzung
ein unerfreuliches Bild. Lausbuben, Strolche und
rabiate Elemente hatten am alten Erlenbrunnen
ihre Zerstörungswut ausgetobt. Heute ist das
Becken wieder klar, nach früherem Vorbild ist der
Erlenbrunnen mit Birkenstämmen eingefaßt. In
der Umgebung der geschichtlichen Stätte sind Ruhe*
bänke aufgestellt, die den Wanderer zum Verwei*
len einladen. Hier kann er schauen und lauschen,
sinnen und meditieren.
Im Heimatbuch des Kreises Ottweiler 1949 hat
B. Krajewski eine Sage veröffentlicht, die den
Erlenbrunnen zum Schauplatz hat. Er schreibt:
„Von Maltitz, dem wilden Jäger": Vor vielen, vie=
len Jahren erklangen in Neunkirchen in der Ad=
ventszeit die Glocken und mahnten zum Kirchgang.
Nach alter Gewohnheit machten sich die Bauern
auf, um den Gottesdienst zu feiern. Da begegnete
ihnen ein prächtiger Jagdzug, der vom neuen
Schloß „Jägersberg" kam. Die Meute der Hatz*
hunde bellte und kläffte. An der Spitze ritt der
gefürchtete Fürstlich=Nassau=Saarbrückische Ober*
jäger Freiherr von Maltitz. Mit Donnerstimme
herrschte er die auf dem Kirchgang befindlichen
Bauern an, rief ihnen zu, es sei heute Treibjagd,
warum sie nicht erschienen, sie müßten sofort mit
und treiben. Da die Bauern zögerten, befahl er den
Reitknechten, sie mit Peitschen zur Umkehr zu
zwingen. Widerwillig gehorchten die armen Bauern,
und in kläglichem Aufzuge zogen sie an ihren
Häusern vorbei in den Wald, statt in die Kirche.
Ein wildes und wüstes Treiben und Hetzen begann.
Vom Hirschberg bis Spiesen hin hallten die Wäl*
der wider von Hörnerklang und Hundegebell. Die
Hirsche wurden „par force" zu Tode gehetzt und
erhielten, wenn sie erschöpft am Boden lagen, mit
dem Hirschfänger den Todesstoß. Am Erlenbrun*
nen war der Sammelpunkt. Dort war ein geräumi*
miges Jagdzeit aufgeschlagen, aus der nahen La*
kaienschäferei hatte man Tische und Stühle herbei*
geschafft, vom Schloß Geschirr und Kochgerät, und
als das Jagdhorn zum Sammeln blies, loderte be=
reits das Feuer unter den mächtigen Bratspießen.
Der Rauch stieg zwischen den kahlen Erlenwipfeln
zum spät=novemberlichen Himmel empor.
Die Fronbauern von Neunkirchen schleppten von
allen Seiten die Jagdbeute herbei. Als letzter Jäger
erschien der Freiherr von Maltitz. Vor ihm her
schleppten die Treiber einen gewaltigen Eber, den
er erlegt hatte. Dieser sollte das Hauptstück der
Jagdtafel werden. Der Freiherr befahl, ihn sofort
herzurichten und am Spieß zu braten. Kaum hatte
er den Befehl ausgesprochen, da sprang der tote