Full text: 1961 (0089)

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suchen. Wieder gab er ihm ein Stück Schichtenbrot, 
wofür Fanny sich sehr dankbar zeigte, die Nüstern 
aufriß, die Zähne zeigte und mit dem rechten Vor= 
derhuf scharrte. 
Als später — im ersten Weltkrieg — in den Gruben 
die Lokomotiven eingeführt wurden, war das Pferd 
überflüssig geworden. So wurden alle Tiere aus= 
gemustert und auf ihre weitere Verwendungsmög= 
lichkeit untersucht. Einige wurden allerdings für 
den Pferdemetzger bestimmt. Fanny aber kam wie* 
der über Tag, es sollte sein Gnadenbrot bekom* 
men. 
Natürlich war das Tier zu einer Arbeit über Tag 
nicht mehr zu verwenden, denn durch die lang* 
jährige Grubenarbeit bei ständig schlechter Be* 
leuchtung war Fanny blind geworden. 
Aber die Tage des ehemaligen Grubenpferdes wa= 
ren gezählt. Eines Tages fand man den alten 
Schimmel, auf nichts mehr reagierend, in der Stall* 
gasse. Fanny stand da mit gespreizten, ange* 
schwollenen Beinen, mit vom scharfen Gruben* 
wasser halb verfaulten Hufen, mit vielen Narben 
am alten, geschwächten Körper. Ganz langsam 
brach das Tier zusammen, legte den Kopf auf die 
Seite und war tot. So lud man das tote Gruben* 
pferd Fanny auf einen Rollwagen, fuhr es auf den 
Schindwasen und grub es in die Erde. 
Heute noch, wenn alte Bergleute zusammenkom* 
men und dabei von der früheren Arbeit unter der 
Erde erzählen, wird auch das treue, alte Gruben* 
pferd nicht vergessen. 
Für den Wert des Menschen ist die Güte des 
Charakters das Höchste, aber für das Zu= 
sammenleben ist Humor und Tempera* 
ment beinahe noch wichtiger. 
Grillparzer 
Es ist im Leben bei weitem mehr ein Glück 
als ein Unglück, einen Gegner zu haben, der 
uns in Atem hält und uns an der Vernach= 
lässigung unserer selbst verhindert. 
Auch ein Versprechen ist eine fällige Schuld, 
die stets abgetragen werden sollte, denn 
Ehre und Rechtschaffenheit sind ihre Bürgen. 
Linker 
* 
Zweifel tropft uns sein ätzendes Gift lang= 
sam in die Seele, während uns die Gewiß= 
heit mit einem Worte beseligt oder ver= 
urteilt. Der Zweifel wirft uns wie ein Kahn 
zwischen den Wellen der Trauer und der 
Hoffnung hin und her; die Gewißheit aber 
bettet uns mit einem Male entweder auf 
Dornen oder Rosen. Seidl 
Der Mensch kann dem Menschen und der 
Sonne nur, wenn sie untergehen und von 
ihm scheiden, freundlich und offen ins Ant= 
litz schauen und nachsehen, am Tage und 
wenn sie bei ihm weilen, sieht man in bei= 
den nur die Flecken. 
Reisetip: Ehe du abfährst, lege dein Gepäck 
auf die eine Seite des Bettes und dein Reise= 
geld auf die andere, dann nimm die Hälfte 
des Gepäcks und an Geld das Doppelte. 
Wenn man krank ist, entwickelt sich ein 
Streit zwischen dem Kranken und der Krank= 
heit. Der Arzt kommt mit verbundenen 
Augen und einem Stock in der Hand hinzu, 
um die Auseinandersetzung zu beenden. 
Wenn er die Krankheit trifft, wird der 
Kranke gesund, wenn er den Kranken 
trifft, tötet er ihn. Galiani 
Kleine Freuden laben wie Hausbrot, immer 
ohne Ekel, große wie Zuckerbrot, zeitig mit 
Ekel. 
*
	        
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