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suchen. Wieder gab er ihm ein Stück Schichtenbrot,
wofür Fanny sich sehr dankbar zeigte, die Nüstern
aufriß, die Zähne zeigte und mit dem rechten Vor=
derhuf scharrte.
Als später — im ersten Weltkrieg — in den Gruben
die Lokomotiven eingeführt wurden, war das Pferd
überflüssig geworden. So wurden alle Tiere aus=
gemustert und auf ihre weitere Verwendungsmög=
lichkeit untersucht. Einige wurden allerdings für
den Pferdemetzger bestimmt. Fanny aber kam wie*
der über Tag, es sollte sein Gnadenbrot bekom*
men.
Natürlich war das Tier zu einer Arbeit über Tag
nicht mehr zu verwenden, denn durch die lang*
jährige Grubenarbeit bei ständig schlechter Be*
leuchtung war Fanny blind geworden.
Aber die Tage des ehemaligen Grubenpferdes wa=
ren gezählt. Eines Tages fand man den alten
Schimmel, auf nichts mehr reagierend, in der Stall*
gasse. Fanny stand da mit gespreizten, ange*
schwollenen Beinen, mit vom scharfen Gruben*
wasser halb verfaulten Hufen, mit vielen Narben
am alten, geschwächten Körper. Ganz langsam
brach das Tier zusammen, legte den Kopf auf die
Seite und war tot. So lud man das tote Gruben*
pferd Fanny auf einen Rollwagen, fuhr es auf den
Schindwasen und grub es in die Erde.
Heute noch, wenn alte Bergleute zusammenkom*
men und dabei von der früheren Arbeit unter der
Erde erzählen, wird auch das treue, alte Gruben*
pferd nicht vergessen.
Für den Wert des Menschen ist die Güte des
Charakters das Höchste, aber für das Zu=
sammenleben ist Humor und Tempera*
ment beinahe noch wichtiger.
Grillparzer
Es ist im Leben bei weitem mehr ein Glück
als ein Unglück, einen Gegner zu haben, der
uns in Atem hält und uns an der Vernach=
lässigung unserer selbst verhindert.
Auch ein Versprechen ist eine fällige Schuld,
die stets abgetragen werden sollte, denn
Ehre und Rechtschaffenheit sind ihre Bürgen.
Linker
*
Zweifel tropft uns sein ätzendes Gift lang=
sam in die Seele, während uns die Gewiß=
heit mit einem Worte beseligt oder ver=
urteilt. Der Zweifel wirft uns wie ein Kahn
zwischen den Wellen der Trauer und der
Hoffnung hin und her; die Gewißheit aber
bettet uns mit einem Male entweder auf
Dornen oder Rosen. Seidl
Der Mensch kann dem Menschen und der
Sonne nur, wenn sie untergehen und von
ihm scheiden, freundlich und offen ins Ant=
litz schauen und nachsehen, am Tage und
wenn sie bei ihm weilen, sieht man in bei=
den nur die Flecken.
Reisetip: Ehe du abfährst, lege dein Gepäck
auf die eine Seite des Bettes und dein Reise=
geld auf die andere, dann nimm die Hälfte
des Gepäcks und an Geld das Doppelte.
Wenn man krank ist, entwickelt sich ein
Streit zwischen dem Kranken und der Krank=
heit. Der Arzt kommt mit verbundenen
Augen und einem Stock in der Hand hinzu,
um die Auseinandersetzung zu beenden.
Wenn er die Krankheit trifft, wird der
Kranke gesund, wenn er den Kranken
trifft, tötet er ihn. Galiani
Kleine Freuden laben wie Hausbrot, immer
ohne Ekel, große wie Zuckerbrot, zeitig mit
Ekel.
*