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VON PETRA MICHAELY
ch halte viel von guter Nachbarschaft. Denn
ich leihe bei guten Nachbarn Salz, Eier, Kleingeld
und Handwerkszeug. Das verpflichtet. Sonst wäre
es keine gute Nachbarschaft.
Es geschah in diesen Tagen, daß eine gute Nach=
barin für zwei Tage außer Hauses in dringenden
Geschäften ...
Ich hatte ihre Hunde. Auf mein Drängen hin. Denn
eine Hand wäscht die andere. Micki und Mausi
sind das, was man rassereine Pudel mit Stamm*
bäum nennt. „Wenn sie runter müssen, schnup*
pern sie an der Tür, und ohne Mantel dürfen sie
nicht an die Luft" waren die letzten Worte ihres
Frauchens. Dann waren wir unter uns.
Sie sahen mich an und hatten gleich etwas gegen
mich. Vielleicht aus Hochmut. Denn sie haben
zwei Schönheitsköniginnen in ihrer nächsten Ver*
wandtschaft und einen preisgekrönten Großvater,
zu dem die Großmutter weiland über mehrere
hundert Kilometer hingebracht wurde. So sind
unter Hunden solche Prachtstücke, wie man das
von Menschen unter Menschen nur selten sagen
kann. Denn sie wurden mit Bedacht gezüchtet, ge=
stutzt, dressiert, frisiert. Alles an ihnen ist vor=
schriftsmäßig, nichts dem Zufall überlassen.
Anscheinend wissen sie das, woher sonst diese
Überlegenheit! Sie besahen und berochen zunächst
mich und meine Wohnung. Lind es erwies sich als
notwendig, Teppiche zusammenzurollen, Tisch*
decken abzuziehen, auf die Sessel harte Gegen*
stände zu verteilen, auf die Betten Stühle zu le=
gen und die beiden durch Preisgabe alter Pantof*
fei von wertvolleren Gebrauchsgegenständen ab*
zulenken. Sie fanden das kleinlich. Und sie ließen
es mich fühlen. Ich kochte Brei, den sie nicht
fraßen. Ich schüttelte Deckchen, auf die sie sich
nicht legten.
Dann schnupperte Mausi an der Tür. Aha — es
war soweit. Mit dem Mäntelchen in der Hand
kroch ich auf sie zu. Sie stand steif neben der Tür