Full text: 1961 (0089)

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VON PETRA MICHAELY 
ch halte viel von guter Nachbarschaft. Denn 
ich leihe bei guten Nachbarn Salz, Eier, Kleingeld 
und Handwerkszeug. Das verpflichtet. Sonst wäre 
es keine gute Nachbarschaft. 
Es geschah in diesen Tagen, daß eine gute Nach= 
barin für zwei Tage außer Hauses in dringenden 
Geschäften ... 
Ich hatte ihre Hunde. Auf mein Drängen hin. Denn 
eine Hand wäscht die andere. Micki und Mausi 
sind das, was man rassereine Pudel mit Stamm* 
bäum nennt. „Wenn sie runter müssen, schnup* 
pern sie an der Tür, und ohne Mantel dürfen sie 
nicht an die Luft" waren die letzten Worte ihres 
Frauchens. Dann waren wir unter uns. 
Sie sahen mich an und hatten gleich etwas gegen 
mich. Vielleicht aus Hochmut. Denn sie haben 
zwei Schönheitsköniginnen in ihrer nächsten Ver* 
wandtschaft und einen preisgekrönten Großvater, 
zu dem die Großmutter weiland über mehrere 
hundert Kilometer hingebracht wurde. So sind 
unter Hunden solche Prachtstücke, wie man das 
von Menschen unter Menschen nur selten sagen 
kann. Denn sie wurden mit Bedacht gezüchtet, ge= 
stutzt, dressiert, frisiert. Alles an ihnen ist vor= 
schriftsmäßig, nichts dem Zufall überlassen. 
Anscheinend wissen sie das, woher sonst diese 
Überlegenheit! Sie besahen und berochen zunächst 
mich und meine Wohnung. Lind es erwies sich als 
notwendig, Teppiche zusammenzurollen, Tisch* 
decken abzuziehen, auf die Sessel harte Gegen* 
stände zu verteilen, auf die Betten Stühle zu le= 
gen und die beiden durch Preisgabe alter Pantof* 
fei von wertvolleren Gebrauchsgegenständen ab* 
zulenken. Sie fanden das kleinlich. Und sie ließen 
es mich fühlen. Ich kochte Brei, den sie nicht 
fraßen. Ich schüttelte Deckchen, auf die sie sich 
nicht legten. 
Dann schnupperte Mausi an der Tür. Aha — es 
war soweit. Mit dem Mäntelchen in der Hand 
kroch ich auf sie zu. Sie stand steif neben der Tür
	        
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