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„Erraten, Peter. — Heute habe ich den Anzug zum
erstenmal angezogen."
„Fein siehst du aus, wirklich! Und die Hosen mit
dem breiten Umschlag! Solche lasse ich mir auch
arbeiten. Und die seidne Krawatte wird wohl auch
nicht billig sein?"
„Hast schon recht, Peter", und geschmeichelt fin-
gerte er an der bunten und koketten Schleife, die
sein Kinn streichelte. „Kostet auch viel Geld. Auch
mein Hut ist neu."
„Wirklich, hast ja auch noch eine neue Bombe!
Pierona, ich müßte bald neidisch auf dich werden!"
Valek nahm den Hut ab, der tief über dem rechten
Ohr gesessen hatte, daß die blonde Haartolle jetzt
ganz zur Geltung kam. „Das ,Neueinkleiden' hat
mich auch einen großen Zaster gekostet."
„Dafür wirst du auch beim nächsten Tanzvergnü»
gen glänzen. Die Mädchen werden sich die Augen
nach dir ausschauen." Valek fühlte sich sehr ge
schmeichelt. Plaudernd schritten dann die Freunde
in den Wald. Das war Valek als Privatmensch. Er
war der „Modegigei" des Dorfes.
Die Gläubigen verließen in dichten Scharen die
Kirche. Die Buxen hatten sie schon als erste ver=
lassen und ließen die Menschen nun an sich vor-
übergehen. Valek stand breitbeinig, beide Hände
hatte er in den Hosentaschen drin. Im linken
Mundwinkel hielt er eine Zigarre. Dann und wann
zog er die rechte Hand hervor, um mit ihr durch
seine Haartolle zu fahren.
Verstohlen schauten die Dorfschönen den statt
lichen Burschen an, der aber gleichgültig über sie
hinwegschaute. Dann aber färbte sich plötzlich
sein hübsches Gesicht rot wie bei einem Mädchen.
Valeska Wantoch, eine herbe Schönheit, schritt
langsam an ihm vorüber. Nachlässig grüßte er mit
zwei Fingern am Hutrand. Das Mädchen würdigte
ihn aber keines Blickes, und völlig verdutzt schaute
er drein. Er liebte Valeska schon von Kindertagen
her. So aber wie heute hatte Valeska ihn noch nie
verachtet. Langsam folgte er ihr nach.
„Seit wann rauchst du denn dicke Zigarren?"
wurde er von einem Gleichgesinnten spöttisch ge
fragt; und in seiner ärgerlichen Stimmung ant
wortete er vorerst nicht. „Wird wohl Marke Ha
vanna spuck dich aus' sein!"
„Halte die Fresse!" wurde er grob. „Es ist eine
echte ,Mexiko Sandblatt', zwei Stück für fünf
zehn Pfennige."
Sein Freund lud ihn zu einem Mittagschoppen ein.
Gern nahm er an, weil der Ärger über seine
Valeska, die ihn vor kurzem so verächtlich behan
delt hatte, nicht zur Ruhe kommen wollte. Und
diesen Ärger spülte er tüchtig mit Schnaps hin
unter. —
Lustig spielte am Nachmittag die Schlagerkapelle
und lockte zum Tanz. Valek lehnte nachlässig am
Schanktisch und schaute gelangweilt in das fröh
liche Treiben hinein, wie es sich für einen Bux
geziemte. Seine Haartolle hing wirr über dem Ohr
herab, ein Zeichen, daß er nicht mehr ganz nüch
tern war. Alle seine Freunde umstanden ihn. Plötz
lich aber straffte sich sein kräftiger Körper. Valeska
hatte mit ihrem Bruder den Saal betreten und
nahm nicht weit von ihm an einem Tisch Platz. Sie
hatte ihn wohl bemerkt, aber getan, als wenn sie
ihn nicht gesehen hätte. Seit er einen so flegel
haften Lebenswandel führte, wollte sie von ihm
nichts wissen. Doch, weil sie ihrem Jugendfreund
gut war, schmerzte es sie sehr, daß sie so handeln
mußte. Sie erhoffte sich aber davon eine Besserung
seiner buxenhaften Lebensformen.
Valek horchte jetzt nicht mehr auf das Geschwätz
seiner Freunde. Seine Blicke hingen unentwegt an
dem blitzsauberen Mädchen, das sich jetzt mit
einem fremden Burschen im Walzertakte wiegte.
Er wurde blaß wie der Tod, denn die Eifersucht
regte sich in ihm. Seine Freunde hänselten ihn,
denn sie wußten ja, wie es um ihn stand. Hastig
goß er einige Schnäpse hinunter, um sich zu be
täuben.
Ein schmalziger Tango lockte die Tänzer. Valek
nahm allen Mut zusammen, schritt auf Valeska zu
und blieb dann drei Schritte vor ihr stehen: „Va
leska!" —
Die Gerufene schaute auf. Da pfiff er halblaut und
forderte sie dabei mit einem energischen Kopf
nicken zum Tanze auf, denn so lässig benahmen
sich alle Buxen. Valeska rührte sich aber nicht vom
Fleck. Da erst schritt er vollends bis zu ihrem
Stuhl.
„Warum willst du nicht mit mir tanzen?" fragte
er mit einer finsteren Miene, und seine Stimme
zitterte vor Erregung. Aber Valeska schaute ihm
furchtlos in die Augen, so daß er seine Blicke
senken mußte. „Nur ein „Hacher" ladet sein Mäd
chen so zum Tanze ein, wie du es eben gemacht
hast."
Er zuckte bei diesem Schimpfnamen heftig zusam
men. „Du bist ein Hacher geworden, und mit
einem Hacher will ich nichts mehr zu tun haben."
Wie Keulenschläge trafen ihn diese Worte. Er ein
Hacher! — Wo er sich doch einbildete, das reine
Gegenteil zu sein. Er wollte dagegen protestieren,
aber schon hatte Valeska sich wieder hingesetzt
und ihm den Rücken zugekehrt, obwohl ihr Tun
sie selbst schmerzte. Aber es mußte sein!
Da schritt Valek langsam wie betäubt zum Schank
tisch zurück. Seine Freunde empfingen ihn mit
spöttischen Blicken. Einer von diesen, eigentlich
sein Widersacher, der ihm die Führung der Buxen