143
Jetzt verkündeten drei Trompetenstöße den Beginn des Rennens, und der Ritter begann die gefährliche Fahrt
Male war auch sein Ohr wieder taub gegen das
mahnende Gewissen. Er konnte dem Deutschen
unmöglich ersparen, was er von dem Welschen ge=
fordert hatte. Mochte er ruhig sein Leben ein=
setzen um der Minne willen.
Er sah zur Tochter hinüber. Sie saß wie ein mar=
mornes Bild auf ihrem Stuhle; aber ihm schien,
ein Schimmer von froher Hoffnung glänzte auf
ihrem Gesicht. Mißmutig schaute er hinüber auf
das Geschehen auf dem Breitensteinfelsen. Er sah,
wie jetzt der Deutsche den Wagen bestieg und
seine Fahrt begann. Polternd sprang der Wagen
über den Felsen. Schon näherte er sich um Hand=
breite dem Abgrund. Mit Blitzesschnelle wendete
der Ritter hart am Rande des Felsens und vollen=
dete die grausige Fahrt.
Das Volk stimmte ein Jubelgeschrei an. Eine hö=
here Hand habe hier eingegriffen, sie habe das
unmöglich Scheinende gut zu Ende gebracht, hieß
es reihauf, reihab.
Mit versteinerter Miene erhob sich der Graf von
seinem Sitz und verließ die Tribüne. Es drängte
ihn, dem welschen Ritter sein Bedauern zu bekun=
den und ihm ein paar trostreiche Worte zu sagen.
Noch immer saß die Grafentochter auf ihrem Platz
und schaute auf den verruchten Breitenstein, ge=
bannt von dem Geschehen, das sich dort jetzt ab=
spielte. Und sie erblaßte und sah voll Entsetzen,
wie sich der Welsche die Haare raufte, sich an die
Stirn schlug; sie hörte, wie er gräßliche Flüche aus=
stieß, wie er Gott und alle Heiligen schmähte, wie
er mit grimmigen Worten die Hand des Grafen
zurückstieß, die dieser ihm reichen wollte.
Und dann gellten laute, angstvolle Rufe auf aus
der Menge, vielstimmige Schreie: Der welsche
Ritter hatte sich den Abhang hinuntergestürzt und
war in den Fluten der Saar versunken.
Die Grafentochter hielt es nicht mehr auf ihrem
Stuhle. Mit eiligen Schritten verließ sie die Bühne.
Was jetzt geschah, löste einen Jubel aus, wie ihn
der Montclair niemals zuvor vernommen hatte.
Auf dem Breitenstein stand, hoch aufgerichtet, der
deutsche Ritter. Der Graf wankte totenbleich im
Gesicht auf den Sieger zu und reichte ihm beide
Hände. Dann nahm er die Hand seiner Tochter
und legte sie in die Rechte des Ritters. Ihr Schick»
sal war nun besiegelt. Wenige Wochen später
durfte er die Grafentochter, um deren Besitz er
sein Leben gewagt, heimführen.
Damit aber niemals vergessen werde, was hier
geschah, ließ der Graf von Montclair Hufeisen
und Wagenfurche in den Breitenstein einmeißeln.