Full text: 1961 (0089)

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sein unsteter Blick verrieten sein Wesen. Daß er 
reich war an liegenden Gütern, an Burgen und 
Schlössern, kümmerte sie wenig. Sie schenkte ihr 
Herz dem deutschen Ritter, den sie oftmals heim* 
lieh des Abends im Burggarten traf. 
Dem Grafen von Montclair schmeichelte es mäch= 
tig, als der Ritter aus Welschland um die Hand 
seiner Tochter anhielt. Gerne wollte er sie ihm 
zur Gemahlin geben, denn sein Reichtum stach 
ihm sehr in die Augen. Verehelichte er sie mit dem 
Welschen, würde sie Herrin werden über reiche 
Güter und Schlösser, und mit ihrem Ansehen stieg 
auch das seine vor den Augen der Welt. An dem 
reichen Eidam hätte er auch einen mächtigen Bun= 
desgenossen gegen seine zahlreichen Feinde. 
So sprach er denn eines Tages zu seiner Tochter: 
„Der Ritter aus Welschland wäre mir als Eidam 
genehm, mein Kind. Er ist reich und von ritter* 
lichem Wesen. Ich wüßte keinen, der dir mehr 
bieten könnte an Ehre und Reichtum als er, 
und ich stehe nicht an, dich ihm zur Frau zu geben. 
Aber nun wurde es offenbar, daß seine Tochter 
den Ritter aus Deutschland liebte. „Ihn nehme 
ich zum Manne und keinen anderen", sagte sie 
trotzig und sehr bestimmt. 
Der Graf verlor seine Fassung. „So, den Ritter aus 
Deutschland liebst du! Doch merke dir, nie und 
nimmer gebe ich es zu, daß du dich dem hergelau* 
fenen Ritter zu eigen gibst, diesem Habenichts, 
der nichts besitzt als die Rüstung auf dem Leib 
und ein bißchen Verstand im Kopf. Doch davon 
kannst du nicht leben." 
Da sagte das Mädchen: „Scheltet nicht auf meinen 
Ritter, Herr Vater. Wenn er auch arm ist an Geld 
und Gut, so ist er doch reich an Tugend und Kraft, 
und ich wüßte keinen, der so edel und tapfer ist 
wie er. Mit meinem Ritter kann sich der Galan 
aus Frankreich nicht messen. Unter seinem sam* 
tenen Wams verbirgt sich ein unstetes Herz, und 
sein höfisches Gebaren ist nur Täuschung. Oh — 
ich habe ihm ins Herz gesehen. Lieber sterben als 
ihn zum Manne nehmen." 
Als der Graf sah, daß er auf gütliche Weise nichts 
ausrichten konnte, sagte er mit unverhohlenem 
Spott: „Du nennst den Deutschen den tapfersten 
aller Ritter. Gut, so soll er seine Tapferkeit vor 
meinen Augen beweisen. Nur derjenige der bei= 
den Ritter soll dein Gemahl werden, der mit Ge= 
fahr seines eigenen Lebens einen Wagen im 
schnellsten Lauf auf dem Breitenstein wenden 
kann." 
Das Mädchen packte Angst und Entsetzen, denn 
es erschien ihm unmöglich, daß ein Ritter, und sei 
es der tapferste unter der Sonne, es vermöchte, die 
schwere Probe ohne Gefahr zu bestehen. Der Graf 
aber frohlockte im stillen, denn er wußte, daß der 
Welsche ein ebenso guter Reiter wie sicherer 
Wagenlenker war. Es war ihm gewiß, daß dieser 
forsche Draufgänger den Sieg davontragen würde. 
Dann war der andere, der Ritter Habenichts, ge* 
demütigt und mußte mit langem Gesicht und lee* 
ren Händen abziehen. 
Auf der Burg Montclair wurde nun eifrig für das 
große Ereignis gerüstet. Und dann kam der Tag, 
an dem sich das Schicksal der Grafentochter ent* 
scheiden sollte. Sie saß mit bleichem Gesicht an 
der Seite des Grafen auf der Tribüne, umgeben 
von vielen Edlen und Großen aus den Gauen an 
Mosel und Saar und zahllosen Rittern aus Welsch* 
land. Auch viel Volk war gekommen von nah und 
fern. Fast konnte das Gelände die Neugierigen, 
die es bevölkerten, nicht fassen. Sie bestaunten die 
glänzende Ritterschaft auf den Tribünen, all die 
vielen wehenden Wimpel und Fähnlein, die von 
großen Namen erzählten, von Macht und von 
Reichtum. 
Jetzt verkündeten drei Trompetenstöße den Be* 
ginn des Rennens. Dem Welschen war durch das Los 
die erste Fahrt zugefallen. Hoch aufgerichtet stand 
er im Prunkwagen, den zwei feurige Rappen zogen. 
Einen siegesgewissen Blick warf er zur Grafen* 
tochter hinauf, die in gespannter Erwartung auf 
ihrem Platze saß. Dann begann der Ritter die 
Fahrt. Geschickt lenkte er die willigen Rosse, dann 
aber beim Wenden auf dem schmalen Felsen 
schlug plötzlich der Wagen um, und der Ritter 
stürzte mit voller Wucht auf das harte Gestein. 
Das Gesicht des Grafen von Montclair hatte sich 
verfärbt. Zerstört war seine stolze Hoffnung, zu= 
nichte gemacht waren seine Pläne, die er um den 
reichen Eidam heimlich gesponnen. Er spürte, wie 
sein Herz klopfte, und ein großes Unbehagen über* 
kam ihn. War es das Gewissen, das sich meldete, 
diese heimliche Stimme im Busen, die ihm vor* 
warf, daß es frevelhaft sei, mit Menschenleben zu 
spielen? Es hätte nicht viel gefehlt, und der Welsche 
wäre ein Kind des Todes gewesen. Auch der Deut* 
sehe, der jetzt antreten mußte, trieb ein Spiel mit 
dem Tode. 
Der Graf wollte sich erheben, wollte dem Frevel 
ein Ende gebieten. Aber seine Glieder gehorchten 
ihm nicht. Sie waren wie gelähmt, und mit einem
	        
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