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sten Knödel gehabt, ganz gewöhnliche, recht def=
tige, teigig=knatschige Mehlklöße, wie sie an der
Saar und auch in der Pfalz, an Lauter und Speyer=
bach zu Hause sind. Solche Knödel zu kochen
befahl nun die kaiserliche Majestät von Frank=
reich.
Fieberhaft begannen die Köche zu rühren, zu
schöpfen, zu kochen und die fertigen Kugeln aus
Teig mit dem Schaumlöffel aus dem Wasserbad zu
heben. Damit die Knödel auch richtig echt und
ortsüblich ausfielen, boten ein paar beherzte
Frauen ihre Mithilfe an. Mit Speck
wurden sie tüchtig abgcschmelzt
und die Platten mit den Bergen
kugelrunder Mehlklöße auf die
kaiserlichen Feldtische gebracht.
Und nun war es wirklich so weit:
die Geislauterer konnten aus näch=
ster Nähe sehen, wie eine kaiser=
liehe Majestät ißt.
Die Knödel mußten dem Beherr=
scher Europas herrlich munden, das
bewies sein zufriedenes Schmun=
zeln, das bezeugte auch die Anzahl
der Klöße, die er mit der schweren
silbernenGabel zum Munde führte.
Die einen behaupteten, es sei ein
volles Dutzend gewesen, die ganz
Neugierigen aber, die in der vor=
dersten Reihe standen, wollten
zwei Dutzend gezählt haben. Mag
dem sein, wie es wolle, wahr ist
jedenfalls, daß der Kaiser mit viel
Hingabe aß, dazwischen launig
scherzte und nach beendeter Mahl=
zeit lächelnd meinte, so gut habe
ihm lange nichts mehr geschmeckt
wie diese einfachen Mehlklöße auf
echt deutsche Art. Vergnügt befahl er den Aufbruch
und den Weiterritt nach Rußland.
Nach dieser kaiserlichen Rast mußte die Eiche
ihren alten, schönen Namen opfern. Knödeleiche
hieß sie seit jenem Tage. Es klang ja recht pro=
saisch, das muß man sagen, und mancher einge=
schworene Naturfreund hat wohl die Nase ge=
rümpft ob dieser vulgären Benennung, die so sehr
das Primitive betonte. Sie behielt diesen Namen
auch, als Kaiser Napoleon als Geschlagener aus
Rußland heimkehrte und sein Ruhm verblaßte.
Man wollte nicht gerne auf den Zeugen kaiser=
liche'n Glanzes verzichten, der einst unter dieser
Eiche auf die Geislauterner ausgestrahlt war. Als
aber Napoleon einsam auf Sankt Helena starb,
ehrte man den großen Toten, indem man die Eiche
nunmehr Kaisereiche nannte. Das klingt bedeut=
sam und wahrhaft fürstlich und vermochte die
Phantasie, selbst die dürftigste, in Schwung zu
setzen.
Noch heute trägt die Eiche, dieser stolze Recke auf
den Geislauterner Gefilden, diesen Namen, der
manchmal golden aufglänzt, wenn die Erinnerung
hier ihre Fäden spinnt.
Die zur Eiche hinführende Ortsstraße aber, die
schönste und längste des Dorfes Geislautern, heißt
noch heute die Knödelgasse. Die Jugend mag sich
seltsame Gedanken machen über die Entstehung
des profanen Namens. Die Alten wissen ihn meist
noch zu deuten, haben sie doch von den AItvorde=
ren die Mär gehört, die sich daran knüpft, und
vielleicht geben sie sie weiter.
Die Kinder dieser Zeit der Verflachung, die, mehr
und mehr der Verödung des Geistes anheim fal=
lend, keinen Sinn mehr haben für das Gewesene,
mögen nichtachtend an den Spuren der Vergangen=
heit vorübergehen. Und in fünfzig Jahren, viel=
leicht schon früher, wird die Erinnerung an die
Napoleon=Episode ausgelöscht sein für alle Zei=
das Bier mit dem hervorragenden Brauwasser
t/'v
. . . und damit die Knödel für die kaiserliche Mahlzeit auch ortsüblich ausfielen,
boten ein paar beherzte Geislauterner Frauen ihre Mithilfe an