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Die Glocken von Nunkirchen
Erzählung von Fritz Glutting
I. Das brandige Vorspiel
In der Schlacht bei Nördlingen hatte das Kriegs=
glück die Schweden verlassen. Sie, die bisher in
fast allen Schlachten Sieger geblieben waren,
kamen durch diese Niederlage in eine verzwei*
feite Lage. Der kaiserliche Feldherr Gallas trieb sie
vor sich her auf den Rhein zu. Da erstand ihnen
ein Helfer in Frankreich, das aus seiner bisherigen
stillen Gegnerschaft zum Kaiser heraustrat und
sich nun als offener Feind zeigte. Die Schweden
setzten über den Rhein und drangen in die Wälder
des Hunsrücks ein, willens, über Wallerfangen und
Metz französischen Boden zu erreichen.
Bei dem Dorf Greimerath lagerte ein Trupp schwe=
discher Reiter. Er hatte im Waldland die Verbin=
düng mit dem Gros verloren und suchte sich nun
auf eigene Faust durchzuschlagen.
Nur noch Brandreste in halb zugeschütteten und
wieder aufgewühlten Gruben zeugten von dem
Platze, wo einst das Dorf stand. Mißmutig hockten
die Reiter in ihren behelfsmäßigen Hütten. Es war
Ende September, die Nächte brachten schon em=
pfindliche Kälte mit, die rasch Zutritt in die aus*
gemergelten Körper fand. Wie lange hatten sie
schon nichts Vernünftiges zwischen den Zähnen
gehabt? Seit Nördlingen schon nicht mehr! Nein,
Unsinn, schon seit dem Tage nicht mehr, an dem
sie vor drei Jahren die schwedische Heimat verlas*
sen hatten!
Mit derben Flüchen jagten die Reiter Troßbuben
und Weiber fort, daß sie ein heiles Dorf oder ein
Versteck der Bauern ausfindig machen sollten. Sie
selbst waren zu gleichgültig geworden, dieses
wichtige Geschäft selber zu erledigen. Nicht einmal
Wachen hatten sie aufgestellt. Es waren ihrer zu=
viele, als daß die Bauern sich herangewagt hätten.
Und der Gallas? Der mag kommen, dann gibt es
ein lustiges Fechten, bei dem zumindest ein ehren=
voller Tod herausspringt.