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Von Karl Burert
Der Alois Lichtscheitel hat aus dem Weltkrieg
einen Schwank mit heimgebracht. Wenn er gut
aufgelegt ist, gibt er ihn manchmal zum besten.
Der Schwank aber geht so:
Wir von der Achten haben einen Kompanieführer
gehabt, mit dem ein jeder recht wohl zufrieden hat
sein können. Weglehner hat er sich geschrieben,
seinen andern Namen weiß ich nicht, tut auch wei*
ter nichts zur Sache. Die Hauptsache: Wir waren
gut versorgt mit ihm, und daß einmal einer über
ihn gemault hätte, das hat es einfach nicht gege=
ben.
Unser Hauptmann hat von einem jeden in der
Kompanie gewußt, wie er sich schreibt und wo er
her äst, wie er in Friedenszeiten sein Brot verdient
hat und was sonst noch mit ihm los ist. Unser
Hauptmann hat es dir, ohne erst beim Feldwebel
anfragen zu müssen, auf den Tag hin sagen kön*
nen, wann du mit dem Urlaub dran bist, und ein
Versehen oder eine Ungerechtigkeit hat's bei uns
nicht gegeben. Unser Haupt*
mann hat mit der Mannschaft
aus der Feldküche gegessen,
und wenn wir in Ruhe gekom*
men sind oder wenn er wieder
mit uns in Stellung gegangen
ist, dann ist er nicht auf einem
Gaul geritten, sondern dann
ist er marschiert wie wir und
sogar einen Tornister, einen
richtigen Mannschaftstornister,
hat er allemal auf dem Buckel
gehabt. „Was ich bei mir hab,
das hab ich bei mir", hat er
gesagt, und „auf den lieben
Herrgott soll sich ein Soldat
nicht allzu sehr verlassen."
In einem Stück aber ist der
eine und andere dann doch
nicht ganz einverstanden ge*
wesen mit unserm Hauptmann.
In einem Stück da war er doch
gar zu genau. Wenn du halt
an so einem Kirschgarten vor=
beikommst und die zeitigen
Kirschen hängen dir schier bis
ins Maul, da meint man eben
doch, es wär grad keine Tod*
sünd', wenn man sich an der lieben Gottesgab' ein
wenig verlustieren tät. Aber unser Hauptmann hat
eben da gar keinen Spaß verstanden. „Wir sind
hier im Elsaß", hat er gesagt, „wir stehen nicht in
Feindesland. Zum Requirieren hab' ich keinen Auf*
trag, und plündern gibt es bei mir nicht. Ihr werdet
euch darnach richten!" Und das taten wir denn
auch; denn daß einem wegen einer Handvol!
Mirabellen oder Pflaumen der schöne Urlaub für
einstweilen gesperrt sein sollte, das wollte man
doch lieber nicht riskieren.
Ist auch zu keiner Zeit was Ungerades vorgekom*
men bei der Achten, soviel man gehört hat, ist
keine Klage eingelaufen beim Regiment oder gar
noch höher droben, und daß unser Hauptmann da
drauf nicht wenig stolz gewesen ist, das kann sich
ein jeder ja denken.
Aber einmal haben sie ihm eben doch einen Streich
gespielt, hab' selber nichts dafür können, bin nur
so dabeigestanden wie es vor sich gegangen ist —