Full text: 1960 (0088)

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Von Karl Burert 
Der Alois Lichtscheitel hat aus dem Weltkrieg 
einen Schwank mit heimgebracht. Wenn er gut 
aufgelegt ist, gibt er ihn manchmal zum besten. 
Der Schwank aber geht so: 
Wir von der Achten haben einen Kompanieführer 
gehabt, mit dem ein jeder recht wohl zufrieden hat 
sein können. Weglehner hat er sich geschrieben, 
seinen andern Namen weiß ich nicht, tut auch wei* 
ter nichts zur Sache. Die Hauptsache: Wir waren 
gut versorgt mit ihm, und daß einmal einer über 
ihn gemault hätte, das hat es einfach nicht gege= 
ben. 
Unser Hauptmann hat von einem jeden in der 
Kompanie gewußt, wie er sich schreibt und wo er 
her äst, wie er in Friedenszeiten sein Brot verdient 
hat und was sonst noch mit ihm los ist. Unser 
Hauptmann hat es dir, ohne erst beim Feldwebel 
anfragen zu müssen, auf den Tag hin sagen kön* 
nen, wann du mit dem Urlaub dran bist, und ein 
Versehen oder eine Ungerechtigkeit hat's bei uns 
nicht gegeben. Unser Haupt* 
mann hat mit der Mannschaft 
aus der Feldküche gegessen, 
und wenn wir in Ruhe gekom* 
men sind oder wenn er wieder 
mit uns in Stellung gegangen 
ist, dann ist er nicht auf einem 
Gaul geritten, sondern dann 
ist er marschiert wie wir und 
sogar einen Tornister, einen 
richtigen Mannschaftstornister, 
hat er allemal auf dem Buckel 
gehabt. „Was ich bei mir hab, 
das hab ich bei mir", hat er 
gesagt, und „auf den lieben 
Herrgott soll sich ein Soldat 
nicht allzu sehr verlassen." 
In einem Stück aber ist der 
eine und andere dann doch 
nicht ganz einverstanden ge* 
wesen mit unserm Hauptmann. 
In einem Stück da war er doch 
gar zu genau. Wenn du halt 
an so einem Kirschgarten vor= 
beikommst und die zeitigen 
Kirschen hängen dir schier bis 
ins Maul, da meint man eben 
doch, es wär grad keine Tod* 
sünd', wenn man sich an der lieben Gottesgab' ein 
wenig verlustieren tät. Aber unser Hauptmann hat 
eben da gar keinen Spaß verstanden. „Wir sind 
hier im Elsaß", hat er gesagt, „wir stehen nicht in 
Feindesland. Zum Requirieren hab' ich keinen Auf* 
trag, und plündern gibt es bei mir nicht. Ihr werdet 
euch darnach richten!" Und das taten wir denn 
auch; denn daß einem wegen einer Handvol! 
Mirabellen oder Pflaumen der schöne Urlaub für 
einstweilen gesperrt sein sollte, das wollte man 
doch lieber nicht riskieren. 
Ist auch zu keiner Zeit was Ungerades vorgekom* 
men bei der Achten, soviel man gehört hat, ist 
keine Klage eingelaufen beim Regiment oder gar 
noch höher droben, und daß unser Hauptmann da 
drauf nicht wenig stolz gewesen ist, das kann sich 
ein jeder ja denken. 
Aber einmal haben sie ihm eben doch einen Streich 
gespielt, hab' selber nichts dafür können, bin nur 
so dabeigestanden wie es vor sich gegangen ist —
	        
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