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Zerstörung und den Wiederaufbau der in Trüm
mer liegenden alten Klosterherrlichkeit.“
Nach einer weiteren Sage sollen irgendwo im
Lande um den Schaumberg noch große, unge
hobene Klosterschätze ruhen, die beim Unter
gang der Abtei noch geborgen werden konnten.
Ein altersschwacher Mönch war — so berichtet
die Sage weiter — nicht geflohen und überlebte
die Vernichtung der Abtei in seinem nahen Ver
steck. Er umsorgte die Stätte des Unterganges
und suchte zu retten, was noch zu retten war.
Dieser Mönch sagte schon damals den Wieder
aufbau der Abtei voraus und versicherte prophe
tisch, daß die hierfür notwendigen Gelder vor
handen seien. Wo aber und in welcher Form,
das verriet er nicht. Er wollte angeblich dies erst
kundtun, wenn die Befreiungsstunde von der
damaligen Willkür und Kirchenfeindlichkeit ihm
das Mundsiegel lösen sollte.
Da dieser letzte der damaligen Benediktiner
sein Geheimnis mit ins Grab nahm, ging denn
die Sage um diesen greisen Priester und den
Klosterschatz um bis in die jüngste Zeit hinein.
Die alte Mauritiusabtei aber ist im Jahre 1950
wieder zu neuem Leben erweckt worden, und
die prophetische Vorausage nach dem Wieder
kommen der Söhne des hl, Benediktus hat damit
ihre Erfüllung gefunden. Seit Jahren erklingen
wieder die Choräle der Mönche in den stolzen
Hallen der Abteikirche, und betend schreiten die
Diener Gottes wieder über den geweihten Boden
einer weit über tausendjährigen christlichen Ver
gangenheit, die auch ein gut Stück Geschichte
unserer Saarheimat darstellt.
Um den alten Klosterschatz von Tholey aber
raunt und geistert es geheimnisvoll weiter. Was
hat es nun für eine besondere Bewandtnis mit
ihm? Recht interessant weiß der heute 85 Jahre
alte in Sulzbach wohnhafte Maschinensteiger Ni
kolaus Herrmann, der in Bergweiler bei Tholey
geboren ist, aus seiner Jugendzeit darüber zu
berichten. Nikolaus Herrmann, der schon seit
vielen Jahrzehnten für die Geschichte und Ver
gangenheit seiner Heimat und der Abtei Tholey
besonderes Interesse bekundet, ist der Sohn des
Schuhmachermeisters Nikolaus Herrmann und
dessen Ehefrau Katharina geborene König, die
sechs Söhne und ebenso viele Töchter hatten. Um
diese große Familie ernähren zu können, muß
ten alle fest mit anpacken, sowohl im Handwerk
des Vaters, der für die Bergleute in den umlie
genden Ortschaften viele genagelte Grubenschuhe
anfertigen mußte, wie auch in der kleinen Land
wirtschaft, die nebenbei betrieben wurde. In der
Schusterwerkstätte zu Bergweiler ging es an man
chen Abenden für den jungen Nikolaus Herr
mann recht interessant zu. Dort trafen sich häu
fig die Alten aus Bergweiler und den Dörfern
der Umgebung zu einem „Schwätzerchen“. In
der Schusterei Herrmanns konnte man stets das
Allerneueste hören. Aber nicht nur das: gar
manche schöne Abendstunde wurde mit Erzäh
lungen aus alter Zeit ausgefüllt, mündliche Über
lieferungen wurden weitergegeben, Sagen und
Geschichten erzählt. Hier empfing der junge
Nikölaus manch unvergeßlichen Überlieferungen,
für die er immer ganz besonders Ohr war.
Eines Tages nun kam ein gewisser Herr La-
niol aus Bonn als Kollektant für eine katholische
Kirche im Rheinland ins Dorf und mietete sich
möbliert im Bergweiler Schusterhaus ein. Bis
zum Abschluß seiner Kollekte, die sich über viele
Tage erstreckte, war Laniol allabendlich zur
„Maistunde“ in der Schusterwerkstatt und be
teiligte sich rege an den Unterhaltungen. Die
Samstagnachmittage nutzte er, so gab er an,
zum Steinesammeln auf dem Schaumberg, da er
in Bonn angeblich eine interessante Sammlung
besaß. Aber auch nach Altertümern hielt er fleißig
Ausschau.
An einem schönen Abend erkundigte sieh der
Bonner „Vetter Peter“, wie ihn die Kinder des
Hauses und Dorfes nannten, nach einem alten
Steinkreuz mit lateinischer Inschrift auf oder am
Schaumberge, und der 11 Jahre alte Nikolaus
Herrmann wurde beauftragt, den Fremden zum
Standort des Kreuzes hinzuführen. Am Stein
kreuz angekommen zog Laniol eine vergilbte
Zeichnung aus seiner Tasche, schritt die Entfer
nung von der dort stehenden alten Trifteiche
bis zum Steinkreuz in 18 großen Schritten ab und
ließ sich dann von dem hilfsbereiten Jungen
Hacke und Schaufel besorgen, Arbeitsgerät, das
die Herrmanns dort oben zum Roden benutzten
und in einer Ecke verborgen hielten. Laniol, der
sich das Versteck wohl gemerkt hatte, ging die
darauffolgenden Tage abends stets allein zum
Steinkreuz und kehrte immer erst sehr spät wie
der zurück.
Inzwischen war auch die Kollekte beendet und
Peter Laniol traf Anstalten zur Abreise. Der junge
Nikolaus und sein etwa gleichalteriger Vetter
Peter Dewes luden Laniols Koffer auf einen
zweirädrigen Handkarren und fuhren am Ohlen-
kopp vorbei in Richtung Tholey zum alten Stein
kreuz. Dort scharrte der „Vetter Peter“ in Eile
Laub und Gras auseinander und zum Vorschein
kam eine große eiserne Kassette. An den Kopf
seiten waren starke eiserne Handgriffe, der Dek-
kel war mit drei Schlössern versehen, und alles
war gut erhalten. Die Kiste war so schwer, daß
die Buben große Mühe hatten, sie aufzuladen.
Dann fuhren sie den steilen Hohlweg hinunter
nach Tholey zu dem sog. Kutscherpeter. Dieser
lud Kiste und Koffer auf seinen Einspänner und
brachte alles nach St. Wendel zum Bahnhof, wo
das ganze schwere Gepäck als Frachtgut nach
Bonn auf gegeben wurde.
Der ältere Bruder von Nikolaus, Jakob Herr
mann, machte damals bei dem Kollektanten im
Schusterhaus den Hausburschen. Dafür bekam
er neben einem anständigen Trinkgeld ein Lot
terielos geschenkt. Dieses gewann bei dier Aus-