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Von Hans Breinig
n den dreißiger Jahren wie überhaupt nach
dem ersten Weltkrieg zog es die Menschen
unserer Heimat, vor allem aber die Jugend, mehr
noch als heute auf ihren Wanderungen immer
wieder zum Schaumberg hin und dem verträumt
ihm zu Füßen liegenden altersgrauen Tholey.
Das war an den Sonntagen ein frohes Singen
und Musizieren in den ansonsten so ruhigen
Tholeyer Straßen! In dem einzigartigen frühgo
tischen Kunstwerk, der uralten Abteikirche, die
uns zum Glück über die Stürme der französischen
Revolution erhalten geblieben ist, ging unser
Blick ehrfürchtig über die wunderlich geschnitz
ten Bildwerke vom Chor zum Altar, über das
Gestühl und die Orgel. So war es denn oft an
den Sonntagnachmittagen, als hörten wir noch
die Choräle der längst toten Mönche und unser
geistiges Auge schaute sie in langen Reihen im
Gestühl.
Voller Ehrfurcht betraten wir diesen Boden, in
dem sich die unbekannt und namenlos geworde
nen Gräber von Heiligen, stillen Mönchen, from
men Äbten und' unglücklichen Fürsten und Rit
tern befinden. Stolz und mahnend zugleich sah
dabei der im Norden Tholey vorgelagerte Schaum
berg auf uns herab. Und wenn wir ihn erstie
gen hatten, dann bot sich von oben ein herr
licher Rundblick. Zu unseren Füßen duckte sich
Tholey mit seiner Abteikirche, neben uns ge
wahrten wir die Überreste der ehedem so stolzen
Schauenburg, vor der aber hier schon ein römi
sches Kastell und noch früher keltische Befesti
gungen standen.
Einst mündeten zwei römische Heerstraßen in
die Niederlassung am Schaumberg. Über diese
Straßen kamen die ersten christlichen Glaubens
boten in das Land, beginnt doch des Klosters
bewegte Geschichte schon im Jahre 634, also auf
gezeichnet in der ältesten erhaltenen Urkunde
des Mittelalters, die sich auf das Rheinland be
zieht. Nach der Sage steht die Klostergründung
sogar mit König Dagobert von Australien in Ver
bindung, ebenso wie mit dem hl. Wendalinus.
Stolze Heerscharen mit klirrenden Waffen sieht
unser geistiges * Auge den Berg entlang ziehen:
Legionäre, Landsknechte, Ritter, französische
Soldaten Napoleons und der Revolution, welch
letztere der Abtei ihren Untergang bereiteten.
Wie froh war jedesmal unser Wiedersehen mit
einem alten, lieben Bekannten droben auf dem
Schaumberg. Es war der alte Bauer Johann
Scheid, der mit seiner Schwester das sagenum
wobene Hofgut Schaumberg bewirtschaftete. Am
liebsten erzählte er uns von der untergegangenen
Abtei, das meiste davon war allerdings Sage und
Legende. Aber wie ein roter Faden zog sich
durch seine Erzählungen die Zuversicht, daß die
Abtei wieder einmal erstehen werde. Wie oft
wollte er schon — so berichtete der alte Scheid
— zwischen Tholey und Sotzweiler nächtens auf
der alten Heerstraße einem Geist begegnet sein,
der stumm, aber deutlich sichtbar neben ihm
herging. Schon sein Vater habe drunten im Klo
stergarten die um Mitternacht ihren stillen Grä
bern entsteigenden Mönche gesehen, die sich zur
geheimen Beratung über die Wiedererrichtung der
Abtei in ihr altes Gotteshaus schlichen. Auch der
verstorbene verdienstvolle Heimatforscher Ge
heimrat Dr. Lohmeyer erwähnt in seiner Samm
lung „Die Sagen der Saar“ diese geheimnisvollen
Zusammenkünfte der Mönche und schreibt: „Zur
Geisterstunde erheben sich die in und bei der
Abteikirche ruhenden Äbte ebenso wie die Mön
che, der Klosterpflicht gemäß die Mittemachts
messe zu singen. Geisterhaft huschen die weißen
Gestalten zum Chore. Man hört das Murmeln
betender und singender Männerstimmen. Nach der
Messe finden sie sich zusammen in der ehemali
gen Abtswohnung, dem heutigen Pfarrhause, um
Klage zu führen und Beratung zu halten über die
Tholeyer Rathaus mit Abteikirche