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eine Schau in die Zivilisation der Kelten. Der
Wechsel der Bestattungsriten vom Skelett- zum
Brandgrab, vom Grabhügel zum Umenfeld und
wieder zurück zum Grabhügel, vom Brandgräber
friedhof der spätkeltischen und gallo-römischen
Bevölkerung zum steinernen Sarkophag, vom ger
manischen Reihengräberfeld zum christlichen Kirch
hof, ein Spiegelbild der Jahrtausende währenden
Wechsels von Glauben nnd Sitte war dargestellt
in zahlreichen Beispielen aus allen Teilen des
Landes.
Die römische Kultur mit den Errungenschaften
des Steinbaues, der Kunststraßen, der großen Sied
lungen, der blühenden Landgüter mit ihren Villen,
der verschiedensten Industrien und einer kraftvoll
anwachsenden Bevölkerung nahm den größten
Raum ein. Da war ein Schrank angefüllt mit den
Erzeugnissen der Terra-Sigillata-Manufaktur von
Blickweiler, rotes, mattglänzendes, mit Relief-
bildem geschmücktes Tafelgeschirr, dort stand in
großer Auswahl die Keramik aus dem Brand
gräberfriedhof „Die Motte“ bei Lebaeh, hier war
ein Model! des spätrömischen Kastells Saarbrücken
zu sehen, Götterbilder aus Stein von dem Tempel
bezirk bei Bierbach und dergleichen mehr. Später
kamen andere Funde hinzu, die bis heute über
haupt noch nicht ansgestellt werden konnten, so
der Faustkeil von Ludweiler, das älteste Beweis
stück menschlichen Daseins an der Saar, der spät
bronzezeitliche Depotfund von Saarlouis, die fünf
Eponareliefs von Lauterbach im Warndt, die
Epona-Stele von Schwarzenacker, die Münzschatz
funde von Wi esbach - M an gel haus en und Blies-
mengen und als Glanzpunkt des ganzen Museums
die einzigartige Grabausstattung der Keltischen
Fürstin von Reinheim.
Das Geheimnisvolle, Unerforschte, das Halb
dunkel vergangener Zeiten zieht die Menschen an;
darin verhalten wir Zeitgenossen der Eroberung
der Atomkraft uns nicht anders als unsere Väter,
Großväter und Urgroßväter. Darum war auch das
Interesse der Öffentlichkeit gerade an diesem Mu
seum, das mit und von der Forschung lebt, das
immer unvollendet ist und doch so vieles zu sagen
weiß, stets sehr lebendig. Es kamen nicht nur die
Besucher aus Saarbrücken, sondern aus dem gan
zen Lande und oft auch aus den Nachbarländern;
es kamen die Facharchäologen von weither, es
kamen auffallend viele Arbeiter und es kamen
vor allem die Schulklassen, denn für die begriff
liche Darstellung der Geschichte fand der Lehrer
hier ein unentbehrliches Anschauungsmaterial. —
Und es kam das Jahr 1939.
Die Katastrophe
Die Stadt Saarbrücken war evakuiert, menschen
leer und tot. Da rief der Konservator seine Mit
arbeiter zusammen, und versehen mit Ausweisen
zum Betreten der „roten Zone“, verpackten sie in
monatelanger Arbeit das Museum und transpor
tierten es nach Speyer, wo es im Historischen
Museum der Pfalz magaziniert wurde. Der Hilfs
bereitschaft und nachbarlichen Freundschaft des
inzwischen verstorbenen Museumsdirektors Dr.
Friedrich Sprater muß an dieser Stelle rühmend
und dankbar gedenken.
1940 kehrte der ganze Bestand wieder nadi
Saarbrücken zurück, nachdem die unmittelbare
Gefahr der Front beseitigt war. Aber an ein Aus
packen der Kisten war nicht mehr zu denken,
denn das Personal des Konservatoramtes wurde
nach und nach zum Heeresdienst eingezogen und
eine neue Gefahr tauchte auf, der Luftkrieg. So
kam es zur zweiten Evakuierung des Museums.
Die 100 und mehr Kisten wurden in drei Teile
geteilt und nach drei verschiedenen Orten ver
frachtet: nach Germersheim am Rhein in die bom
bensicheren Gewölbe der Seyssel-Kaseme, nach
Kochendorf in Württemberg in das Salzbergwerk
und nach Ortenburg in Niederbayern in das dor
tige Schloß. Schwere Stücke, wie die Sarkophage
und römischen Säulen, auch die großen Amphoren
von Lebaeh, blieben im Museumsgebäude in der
Keplerstraße stehen, desgleichen die Vitrinen, das
ganze Mobilar des Konservatoramtes, das Archiv
an Photos, Karten, Zeichnungen, Korrespondenz,
die Fundstatistik, die Berichte, die wertvolle Fach
bibliothek und die Werkstatteinrichtungen, denn
der Betrieb des Amtes sollte aufrecht erhalten
bleiben, zuletzt nur noch unter der Fürsorge des
noch allein in Saarbrücken verbliebenen Museums-
darektors Hermann Keuth, dem damals auch die
Bau- und Kunstdenkmalpflege oblag. Als der
Unterzeichnete aus der Kriegsgefangenschaft heim
kehrte und am I. Januar 1946 die Leitung des
Amtes wieder übernahm, stand er vor den Trüm
mern einer Katastrophe. Das Museumsgebäude
Keplerstraße 3 war ausgebrannt; alles, was darin
gewesen war, existierte nicht mehr.
Die Notzeit nach dem Kriege
Unter den schwierigsten Bedingungen begann
nun der- Wiederaufbau des Staatlichen Konser-
valoramtes, zuerst in einem ruinösen Raum des
Stadttheaters, dann im Museumsgebäude am
St. Johanner Markt 24, das erhalten geblieben war.
An eine Wiedereinrichtung des Museums für Ur-
und Frühgeschichte aber war nicht zu denken,
denn es fehlte vor allem das Gebäude. Die Schutt
räumung in der Ruine in der Keplerstraße wurde
sorgfältig überwacht. Dabei kam außer den zum
größten Teil erhalten gebliebenen Steindenkmälern
nicht mehr viel heraus. Alles schien zu Asche pul
verisiert zu sein. Es darf als ein Glück angesehen
werden, daß eines Tages unter dem Schutt der
schwere Kassenschrank geborgen werden konnte.
Er wurde aufgeschweißt und darin befanden sich
der berühmte Faustkeil von Ludweiler, zwar stark
gebräunt von der Hitze, aber ganz erhalten, wei
ter die prächtige fränkische Goldscheibenfibel von
Wittersheim, auch diese ausgeglüht, aber sonst
unversehrt, dann die Sammlung an Goldmünzen,