Full text: 1959 (0087)

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laden, während andere Leute daheim auf den 
Strohsäcken lagen. Die Ablader hatten schon tags 
über im Heu, Korn oder den Kartoffeln geschuf 
tet. Und wahrhaftig, diese armen Söhne von 
Bergmannsbauern schliefen buchstäblich wäh 
rend des Wagenrückens im Gehen oder an der 
Wippe. 
Doch siehe, es ging mit der Bewältigung ihres 
Arbeitspensums manchmal noch besser als zur 
Tagesschicht. Die guten Männlein halfen ja, was 
man im Schlafdusel ja gamicht gewahrte, was 
den Männlein aber auch gerade recht war. 
nach wurden sie so übermütig wie ein Gaul, den 
der Hafer sticht, und sie heckten einen Plan 
aus. Mit den aus Altenkessel stammenden Ab 
ladern von der jenseitigen Wippe gingen sie 
schichtüber in deren Dorf in ein Wirtshaus. Dort 
wurde gekartet, Schnaps getrunken, gesungen und 
geschlafen. 
So was hatten sich die Altenkesseler schon 
immer gewünscht, denn viel besser war das ja, 
als Bergeabladen auf der hohen und dunklen 
kfalde. So ging das erst eine Nacht und dann 
die andere und dann wiederum auch die näch- 
So kamen einst sechs brave Köl- 
lertaler Bergmannsbauembuben 
auf den Krugsehacht zur Nacht 
schicht so müde an, daß sie buch 
stäblich unfähig waren, etwas zu 
schaffea. Am liebsten wären sie 
wieder heimgegangen, aber der 
weite Fußweg war ihnen vorerst 
auch noch zu lang und beschwer 
lich. Darum legten sie sich ein 
fach, todmüde wie sie waren, auf 
der Halde neben ihre Wagen nie 
der und schliefen und schnarchten 
sogleich bis zum Morgengrauen, 
da drüben über dem Kesselhaus 
der einsamen Schachtanlage im 
Walde die Sirenen der Schürküche 
laut das Schichtende in den neuen 
Tag heulte. 
Da erst wurden die Bauernbu 
ben plötzlich wieder wach und 
dachten alle miteinander sogleich 
voller Schrecken, daß jetzt alle 
Fahr- und auch die Reservegeleise voller Wagen 
zustehen müßten. Doch groß war ihre Freude und 
Überraschung: alle Wagen, die da nun um sie her 
um standen, waren leer. Die 13 guten Männlein 
hatten während des Schlafens der Knappen tüch 
tig Hand angelegt. Mit vereinten Kräften und 
großer Emsigkeit hatten die Männchen sich hin 
ter jeden einzelnen Wagen geklemmt; hatten ge 
keucht, gedrückt, gestürzt, gerückt und gewippt, 
bis jeder einzelne Wagen leer war. Und das 
waren ihrer mehrere hundert schwere Berge 
wagen. Fürwahr, die kleinen Männlein hatten 
eine besondere Leistung vollbracht. 
So ging das nun in der Folgezeit noch viele 
andere Nächte hindurch, denn die schlauen Berg 
mannsbuben behielten ihr Geheimnis für sich; 
und tagsüber konnten sie noch mehr als schon 
bisher in den Ställen und auf dem Felde schaf 
fen. Sie kamen morgens stets ausgeruht von der 
Nachtschicht heim, spannten die Kühe an und 
fuhren hinaus aufs Feld. Die guten Berggeister 
chen aber hatten vor, ihre Ablader niemals mehr 
im Stich zu lassen. 
Wie es jedoch sooft im Leben geht, so auch 
hier: Die Köllertaler konnten auf die Dauer 
ihr Geheimnis nicht für sich behalten. Nach und 
Sie waren gut und hilfreich wie St. Barbara selber, die Bergmännlein vom 
Krugschacht . . . 
ste. Jeden Morgen, wenn man auf die Halde 
kam und nachsah, gewahrte man staunend, daß 
alle Arbeit geschafft worden war. Und die Prahl 
hänse schwätzten es auf der ganzen Halde und an 
allen Wippen und Stürzen herum, daß schließ 
lich alle Bergeablader, so sie Nachtschicht hatten, 
ihre Arbeit einfach liegen ließen und ihre Schich 
ten in Altenkessel im Wirtshaus ableisteten. 
Aber es kam, wie es kommen mußte: Den 
guten Männlein kam die Bummelei der Ablader 
zu Ohren und sie fühlten sich tief beleidigt, 
weil man ihre Güte und Hilfsbereitschaft so sehr 
mißbraucht hatte. Fortan ließen sie alle Arbeit 
liegen und erschienen nicht mehr. Machten da 
die Ablader aber große Augen, wenn sie halb 
betrunken morgens aus dem Wirtshaus kamen, 
alle Geleise voll Bergewagen standen und am 
Schacht darob sicherlich schon stundenlang große 
Förderstockung war. Und der Obersteiger erst: 
der spuckte Gift und Galle! Noch nie war ihm 
ähnliches passiert. 
„Entlassen!—Jawohl!: Alle seid ihr entlassen!,“ 
brüllte er die Ablader an, und das war das 
dicke Ende. Brotlos mußten sie den Krugschacht 
verlassen; und da es damals kaum sonstwo für 
abgelegte Bergleute Arbeit gab, mußten sie meist
	        
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