162
er Bauer Johann fährt vom Markt nadi
Hause. In aller Ruhe ziehen die beiden
breitbackigen Braunen den Wagen auf dem alt
gewohnten Weg. Auf dem Bock sitzt Johann und
pfeift vergnügt vor sich hin. Ist er nicht — trotz
seinem Alter — noch ein richtiger. Kerl? Hat er
nicht die besten Geschäfte auf dem Markt ge
macht, die besteh Stiche beim Schafkopf auf den
Tis di gehauen? Und hat er nicht die hüb
scheste und zugleich tüchtigste Frau weit und
breit, und den größten und stärksten Sdiaffer
der ganzen Umgegend als Knecht? Hoho, er, der
Bauer Johann hat alles, kann alles, ihm kann
keiner? Oder ?
Vergnügt und herausfordernd knallt er mit der
Peitsche. Da tut's hinter ihm einen Kradier, und
schon hängt der ganze Wagen schief. Brr, zieht
der Bauer die Leinen an, daß die Braunen mit
hoch gerissenem Kopf stehen, springt vom Bock
und besieht sidi den Schaden. Dann riditet er
sidi auf, pfeift gellend auf zwei Fingern den
Jungknecht, der drüben auf dem Feld ist.
Schon von Weitem sieht der die Bescherung.
„Oha, Bauer, Achse gebrochen!“
„Ja, das ist wohl so! Bleib mal hier beim Wagen
und schirre die Pferde aus. Ich gehe zu Fuß
zum Hof und schicke Dir ein paar Leute zur
Hilfe“.
„Ist gut, Bauer“ und gleich beginnt er mit Ab
strängen.
Der Bauer Johann ist leicht verärgert. Erst ein
so schöner Tag und jetzt dieser Ärger mit der
gebrochenen Achse. Das muß er doch gleich mal
seiner Frau erzählen. Und dabei wird ihm wie
der wohler; fast vergnügt stapft er dem Hof zu.
Kein Mensch ist zu sehen, die Hitze hat alles
gelähmt. Sogar der Hofhund wedelt nur aus Höf
lichkeit ein wenig mit dem Schwanz. Aechzend
entledigt sich Johann seiner schweren staubigen
Sdruhe und geht zur Wohnstube hinüber, deren
Tür nur angelehnt ist. Und da sieht er, kreuz-
hagelnochmal, da sieht er doch auf dem Sofa
seine Frau in engster Umschlingung mit dem
Großknecht sitzen. Ratlos steht er da! „Bei der
Flitze!“, geht's ihm durch den Kopf, dann geht
ein Schmunzeln über sein Gesicht und leise, wie
er gekommen, zieht er sich wieder zurück.
Schon am Nachmittag ist der Bauer Johann
wieder in der Kreisstadt, diesmal aber nicht auf
dem Markt, sondern bei einem Rechtsanwalt, dem
er den Fall seiner Frau vorträgt.
Der Rechtsanwalt — er hat schon mehr als
einen Prozeß im Aufträge des Bauern geführt —
streicht sich das Kinn und meint: „Alsdann,
Bauer, wenn die Sache so ist, werdet Ihr Euch
am besten von Eurer Frau scheiden lassen“.
„Was“, fährt da aber Johann auf, „von meiner
Frau scheiden lassen? Und wer hält den Hof
in Ordnung, wer kümmert sidi denn ums Essen
und ums Vieh? Nein, das. kommt niemals in
Frage! So eine gute Hausbesorgerin bekäme idi
nie wieder!“
„Na, schön, Bauer, es ist ja Eure Sache, dann
eben nicht. Dann bleibt halt nur das andere,
nämlidi, daß Ihr den Knecht hinausschmeißt!“
„Meinen Knedit“, schreit da Johann auf, „Meinen
Großknedit hinausschmeißen, den besten und
billigsten Arbeiter im ganzen Umkreis? Da müßt
ich ja ganz verrückt sein, wenn ich das täte! Das
gibt‘s nie und nimmer!“
„Ja“, springt da auch der Advokat auf, „was wollt
Ihr denn eigentlidi? Es gibt doch nur diese bei
den Möglichkeiten! Eine andere Lösung weiß ich
nicht“!
Da blickt der Bauer ihn verachtungsvoll an
und meint: „Wissen möcht ich bloß, wozu Ihr
denn eigentlidi Advokat seid! Sdiade für das
schöne Papier, das Ihr mit Tinte vollschmiert!“
Damit steht er auf, nimmt seinen Hut und geht
— dlie Tür hinter sich zuwerfend — hinaus.
Einige Wochen später ist wieder Markttag. Der
Rechtsanwalt sieht auch den Bauern Johann.
Lachend begrüßt er ihn und fragt dann: „Nun
Bauer, wie habt Ihr‘s denn nun mit der Ge
schichte von damals gehalten? Habt Ihr Eure
Frau oder den Knecht rausgeschmissen?“
Da geht ein pfiffiges Grinsen über Johanns
Gesicht. Er beugt sich zum Ohr des Advokaten
und flüstert ihm zu: „Was glaubt Ihr denn! Was
viel Besseres! Das Sofa hab ich verkauft!“, und
schmunzelnd, mit sich und der Welt zufrieden,
stapft Johann davon, einen maßlos verblüfften
Rechtsanwalt zurücklassend.
Max Dreher