Full text: 1959 (0087)

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er Bauer Johann fährt vom Markt nadi 
Hause. In aller Ruhe ziehen die beiden 
breitbackigen Braunen den Wagen auf dem alt 
gewohnten Weg. Auf dem Bock sitzt Johann und 
pfeift vergnügt vor sich hin. Ist er nicht — trotz 
seinem Alter — noch ein richtiger. Kerl? Hat er 
nicht die besten Geschäfte auf dem Markt ge 
macht, die besteh Stiche beim Schafkopf auf den 
Tis di gehauen? Und hat er nicht die hüb 
scheste und zugleich tüchtigste Frau weit und 
breit, und den größten und stärksten Sdiaffer 
der ganzen Umgegend als Knecht? Hoho, er, der 
Bauer Johann hat alles, kann alles, ihm kann 
keiner? Oder ? 
Vergnügt und herausfordernd knallt er mit der 
Peitsche. Da tut's hinter ihm einen Kradier, und 
schon hängt der ganze Wagen schief. Brr, zieht 
der Bauer die Leinen an, daß die Braunen mit 
hoch gerissenem Kopf stehen, springt vom Bock 
und besieht sidi den Schaden. Dann riditet er 
sidi auf, pfeift gellend auf zwei Fingern den 
Jungknecht, der drüben auf dem Feld ist. 
Schon von Weitem sieht der die Bescherung. 
„Oha, Bauer, Achse gebrochen!“ 
„Ja, das ist wohl so! Bleib mal hier beim Wagen 
und schirre die Pferde aus. Ich gehe zu Fuß 
zum Hof und schicke Dir ein paar Leute zur 
Hilfe“. 
„Ist gut, Bauer“ und gleich beginnt er mit Ab 
strängen. 
Der Bauer Johann ist leicht verärgert. Erst ein 
so schöner Tag und jetzt dieser Ärger mit der 
gebrochenen Achse. Das muß er doch gleich mal 
seiner Frau erzählen. Und dabei wird ihm wie 
der wohler; fast vergnügt stapft er dem Hof zu. 
Kein Mensch ist zu sehen, die Hitze hat alles 
gelähmt. Sogar der Hofhund wedelt nur aus Höf 
lichkeit ein wenig mit dem Schwanz. Aechzend 
entledigt sich Johann seiner schweren staubigen 
Sdruhe und geht zur Wohnstube hinüber, deren 
Tür nur angelehnt ist. Und da sieht er, kreuz- 
hagelnochmal, da sieht er doch auf dem Sofa 
seine Frau in engster Umschlingung mit dem 
Großknecht sitzen. Ratlos steht er da! „Bei der 
Flitze!“, geht's ihm durch den Kopf, dann geht 
ein Schmunzeln über sein Gesicht und leise, wie 
er gekommen, zieht er sich wieder zurück. 
Schon am Nachmittag ist der Bauer Johann 
wieder in der Kreisstadt, diesmal aber nicht auf 
dem Markt, sondern bei einem Rechtsanwalt, dem 
er den Fall seiner Frau vorträgt. 
Der Rechtsanwalt — er hat schon mehr als 
einen Prozeß im Aufträge des Bauern geführt — 
streicht sich das Kinn und meint: „Alsdann, 
Bauer, wenn die Sache so ist, werdet Ihr Euch 
am besten von Eurer Frau scheiden lassen“. 
„Was“, fährt da aber Johann auf, „von meiner 
Frau scheiden lassen? Und wer hält den Hof 
in Ordnung, wer kümmert sidi denn ums Essen 
und ums Vieh? Nein, das. kommt niemals in 
Frage! So eine gute Hausbesorgerin bekäme idi 
nie wieder!“ 
„Na, schön, Bauer, es ist ja Eure Sache, dann 
eben nicht. Dann bleibt halt nur das andere, 
nämlidi, daß Ihr den Knecht hinausschmeißt!“ 
„Meinen Knedit“, schreit da Johann auf, „Meinen 
Großknedit hinausschmeißen, den besten und 
billigsten Arbeiter im ganzen Umkreis? Da müßt 
ich ja ganz verrückt sein, wenn ich das täte! Das 
gibt‘s nie und nimmer!“ 
„Ja“, springt da auch der Advokat auf, „was wollt 
Ihr denn eigentlidi? Es gibt doch nur diese bei 
den Möglichkeiten! Eine andere Lösung weiß ich 
nicht“! 
Da blickt der Bauer ihn verachtungsvoll an 
und meint: „Wissen möcht ich bloß, wozu Ihr 
denn eigentlidi Advokat seid! Sdiade für das 
schöne Papier, das Ihr mit Tinte vollschmiert!“ 
Damit steht er auf, nimmt seinen Hut und geht 
— dlie Tür hinter sich zuwerfend — hinaus. 
Einige Wochen später ist wieder Markttag. Der 
Rechtsanwalt sieht auch den Bauern Johann. 
Lachend begrüßt er ihn und fragt dann: „Nun 
Bauer, wie habt Ihr‘s denn nun mit der Ge 
schichte von damals gehalten? Habt Ihr Eure 
Frau oder den Knecht rausgeschmissen?“ 
Da geht ein pfiffiges Grinsen über Johanns 
Gesicht. Er beugt sich zum Ohr des Advokaten 
und flüstert ihm zu: „Was glaubt Ihr denn! Was 
viel Besseres! Das Sofa hab ich verkauft!“, und 
schmunzelnd, mit sich und der Welt zufrieden, 
stapft Johann davon, einen maßlos verblüfften 
Rechtsanwalt zurücklassend. 
Max Dreher
	        
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