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vor sich hin. „Schicht aus? Marsch! In Ruhe!“
brüllte ich ihn an. Er hob den Kopf: „Ruhe? Die
habt ihr doch weg! Wir? Ruhe? Solange wir noch
hier oben schwimmen?“ Er döste weiter .Ich gab
midi ans Heizen. Der Trimmer kabelte Asche hodi,
ein anderer schob Kübel mit Kohlen aus dem
Bunkerlodi; nadi drei Stunden kam mein Heizer
aus dem Bunker, schlackte schweigend das Feuer
ab.
Als ich am andern Morgen ins Logis stieg, saß
der Heizer todmüd auf dem Bettrand. Ich fragte:
„Was ist denn los?“ Er schubste mich raus. Im
Salon erwartete midi der Kapitän: „Im Logis
haben die Leute die Betten verwanzen lassen. Sie
dürfen die Tierchen nicht mit in den Salon brin
gen, — die Plüschmöbel sind allzu empfänglidi
dafür!“
Nach dem Abendessen ging ich zu den Trim
mern. Der Heizer schrie aus dem Dunkel: „Idi
liege ja schon im Bett! Hau ab! Wir wollen wenig
stens schlafen! Verdammter Mist!“ „Ja, dann sag
mir doch einer was los ist, eher geh ich nicht
raus!“ „Hohjeh!“ brüllte jemand von einem andern
Lager, „der ist noch neugierig! Nee, Mann, wir
sinds schon lange nicht mehr!“ — „Setz dich!“
sagte ein Dritter. „Setz dich! Oder glaubst du dem
Alten die Wanzengeschichte?“ Gelächter und Flu
chen. „Mensch, halt dichte!“ bauzte der Heizer.
„Jedesmal, wenn das Schiff in Hamburg ist, wird
es ausgegast, damit die Ratten und Mäuse kaputt
gehen. Ausgerechnet sollen die Wanzen sich hal
ten?“ „Hat der Alte ihm diesen Schwindel er
zählt?“ knurrte der Trimmer, „so werde ich dem
Herrn Passagier die Wahrheit sagen!“ „Unsere
Sache!“ „Soll sich raus machen!“ Das Logis wurde
lebendig. Mein Landsmann hing sich aus der Koje
raus: „Du wirst es noch früh genug hören, jetzt
geh!“ Aus dem Dunkel brüllte eine Stimme: „Herr
Passagier! Ich sage es Ihnen! Kommen Sie morgen
früh runter! Wat ich Ihnen zeige, dat schreiben
Sie auf ’nen Brief, den stecken wir in ’ne gut ver
korkte Flasche. Im Fall des Falles wird die Flasche
wohl in Afrika oder woanders anschwimmen!“
Am andern Morgen hörte ich Singen: Die Ma
trosen waren beim Deckstreichen. Einer lackierte
von draußen meine Kabine. „Jetzt geht es in
einem Bogen durch bis Rotterdam!“ sagte er, „wir
sind zum Lackieren kommandiert. Dann ist alle
mal Parole: Heimat!“ Vorsichtig horchte ich ihn
aus; er ahnte nichts.
Da kamen die Trimmer zum Vorschiff. Ich klet
terte in den Heizraum. „So, nun rin in den
Kohlenbunker!“ sagte einer und kroch voran. Ich
folgte. Kaum war ich drin, trieb midi fürchter
licher Gasqualm wieder hinaus. Ich stand da, wie
aus einem Kessel voll Amoniak gezogen. Als ich
midi ausgehustet hatte, sagte der Heizer: „Im
Bunker brennt die Kohle! Unter dem großen
Vorrat lag noch viel alter Dreck und Staub auf
dem Boden, der hat sidi von selbst entzündet, die
Glut frißt sich weiter und höher. Weißt du Be
scheid? Sdiüppen wir einfadi drauflos, so kriegt
die Glut Luft, es gibt Großfeuer. Ubersdiwem-
men? Das madit Wasserstof fgas, explodiert.
Packen wir mit Gew'alt die Kohle um, so fliegt
der Staub durdi die Luft — Kohlenstaubexplosion!
Löschen? Der Brand muß mit trockenem Staub
erstickt werden. Woher nehmen? Jetzt hellen wir
mit kleinen Schiippen den glühenden Kohlenstaub
auf und kabeln ihn kübelweise hoch. Aber jeden
Augenblick kann eine Explosion den alten Kasten
wie ein Graubrot in zwei Teile reißen. Alles liegt
bei uns! Drum helf ich den Trimmern, und du
kannst mir feuern helfen! Pack an! Es geht dich
mit an! Jetzt schnapp ein bißdien Luft!“
Ich stieg die Leiter hinan, als könnte idi diesem
Vulkan entfliehn; ging über Deck, als wollte ich
nach Hause gehen. Die Matrosen bemalten das
Deck mit rotem und! weißem Lack. Der Kapitän
marschierte auf der Brücke. Idi besah mir den
wunderbar blauen Himmel; eventuell werden wir
ihm bald ein Stück entgegemfliegen! Idi sah aufs
Wasser: laut Seekarte 5400 Meter tief. Ob sie
dann, wenn wir unten sind, immer noch lackieren?
Unzählige Kübel des gefährlidien Staubes wur
den von den Trimmern ins Meer gekippt. Ich
fragte den Kapitän nach diesem Kohlenstaubtrans
port. Sein schweres Halsleiden hinderte ihn am
Sprechen. Der Erste Ingenieur durfte jetzt stun
denweise aufstehen. Einen Trost hatten beide:
jeden Augenblick konnte eine Explosion sie von
ihrem Leiden befreien.
Ich als Passagier durfte dodi nidits von der
Sache wissen. Einmal stand idi beim Maschinen
assistenten, da sagte der Funker: „Wenn wirnodi,
wie in früheren Zeiten, auf Segelschiffen lebten,
dann griffe sidi die Besatzung einen Sündenbock,
opferte ihn dem Meergott, damit ging es in Ord
nung! Jetzt schmoren wir in Teufels Küche und“
„Herr Funker, da soll der Sündenbock wohl der
Passagier sein?“ unterbrach ich ihn.
„Einer muß es ja sein!“ sagte er, „da braudit
man nicht lange zu suchen.“ „Was suchen Sie
nach Sündenbock und Meeropfer? Da unten lie
gen Trimmer und Heizer mit den Knien auf dem
heißen Boden und sdiüppen im Kohlengas und
schwelender Hitze den glühenden Staub. Warum
sudit Ihr denen nidit zu helfen, die dodi mit
Heizen und Trimmen genug Arbeit haben?"
„Das ist einmal Kesselmanns Sadie!“ höhnte
der Funker, „und Ihr seddi auch Kesselsdimied,
Herr Diditer! Wenn Sie helfen, werden wir ja
noch einmal nach Hamburg kommen!“