Full text: 1959 (0087)

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vor sich hin. „Schicht aus? Marsch! In Ruhe!“ 
brüllte ich ihn an. Er hob den Kopf: „Ruhe? Die 
habt ihr doch weg! Wir? Ruhe? Solange wir noch 
hier oben schwimmen?“ Er döste weiter .Ich gab 
midi ans Heizen. Der Trimmer kabelte Asche hodi, 
ein anderer schob Kübel mit Kohlen aus dem 
Bunkerlodi; nadi drei Stunden kam mein Heizer 
aus dem Bunker, schlackte schweigend das Feuer 
ab. 
Als ich am andern Morgen ins Logis stieg, saß 
der Heizer todmüd auf dem Bettrand. Ich fragte: 
„Was ist denn los?“ Er schubste mich raus. Im 
Salon erwartete midi der Kapitän: „Im Logis 
haben die Leute die Betten verwanzen lassen. Sie 
dürfen die Tierchen nicht mit in den Salon brin 
gen, — die Plüschmöbel sind allzu empfänglidi 
dafür!“ 
Nach dem Abendessen ging ich zu den Trim 
mern. Der Heizer schrie aus dem Dunkel: „Idi 
liege ja schon im Bett! Hau ab! Wir wollen wenig 
stens schlafen! Verdammter Mist!“ „Ja, dann sag 
mir doch einer was los ist, eher geh ich nicht 
raus!“ „Hohjeh!“ brüllte jemand von einem andern 
Lager, „der ist noch neugierig! Nee, Mann, wir 
sinds schon lange nicht mehr!“ — „Setz dich!“ 
sagte ein Dritter. „Setz dich! Oder glaubst du dem 
Alten die Wanzengeschichte?“ Gelächter und Flu 
chen. „Mensch, halt dichte!“ bauzte der Heizer. 
„Jedesmal, wenn das Schiff in Hamburg ist, wird 
es ausgegast, damit die Ratten und Mäuse kaputt 
gehen. Ausgerechnet sollen die Wanzen sich hal 
ten?“ „Hat der Alte ihm diesen Schwindel er 
zählt?“ knurrte der Trimmer, „so werde ich dem 
Herrn Passagier die Wahrheit sagen!“ „Unsere 
Sache!“ „Soll sich raus machen!“ Das Logis wurde 
lebendig. Mein Landsmann hing sich aus der Koje 
raus: „Du wirst es noch früh genug hören, jetzt 
geh!“ Aus dem Dunkel brüllte eine Stimme: „Herr 
Passagier! Ich sage es Ihnen! Kommen Sie morgen 
früh runter! Wat ich Ihnen zeige, dat schreiben 
Sie auf ’nen Brief, den stecken wir in ’ne gut ver 
korkte Flasche. Im Fall des Falles wird die Flasche 
wohl in Afrika oder woanders anschwimmen!“ 
Am andern Morgen hörte ich Singen: Die Ma 
trosen waren beim Deckstreichen. Einer lackierte 
von draußen meine Kabine. „Jetzt geht es in 
einem Bogen durch bis Rotterdam!“ sagte er, „wir 
sind zum Lackieren kommandiert. Dann ist alle 
mal Parole: Heimat!“ Vorsichtig horchte ich ihn 
aus; er ahnte nichts. 
Da kamen die Trimmer zum Vorschiff. Ich klet 
terte in den Heizraum. „So, nun rin in den 
Kohlenbunker!“ sagte einer und kroch voran. Ich 
folgte. Kaum war ich drin, trieb midi fürchter 
licher Gasqualm wieder hinaus. Ich stand da, wie 
aus einem Kessel voll Amoniak gezogen. Als ich 
midi ausgehustet hatte, sagte der Heizer: „Im 
Bunker brennt die Kohle! Unter dem großen 
Vorrat lag noch viel alter Dreck und Staub auf 
dem Boden, der hat sidi von selbst entzündet, die 
Glut frißt sich weiter und höher. Weißt du Be 
scheid? Sdiüppen wir einfadi drauflos, so kriegt 
die Glut Luft, es gibt Großfeuer. Ubersdiwem- 
men? Das madit Wasserstof fgas, explodiert. 
Packen wir mit Gew'alt die Kohle um, so fliegt 
der Staub durdi die Luft — Kohlenstaubexplosion! 
Löschen? Der Brand muß mit trockenem Staub 
erstickt werden. Woher nehmen? Jetzt hellen wir 
mit kleinen Schiippen den glühenden Kohlenstaub 
auf und kabeln ihn kübelweise hoch. Aber jeden 
Augenblick kann eine Explosion den alten Kasten 
wie ein Graubrot in zwei Teile reißen. Alles liegt 
bei uns! Drum helf ich den Trimmern, und du 
kannst mir feuern helfen! Pack an! Es geht dich 
mit an! Jetzt schnapp ein bißdien Luft!“ 
Ich stieg die Leiter hinan, als könnte idi diesem 
Vulkan entfliehn; ging über Deck, als wollte ich 
nach Hause gehen. Die Matrosen bemalten das 
Deck mit rotem und! weißem Lack. Der Kapitän 
marschierte auf der Brücke. Idi besah mir den 
wunderbar blauen Himmel; eventuell werden wir 
ihm bald ein Stück entgegemfliegen! Idi sah aufs 
Wasser: laut Seekarte 5400 Meter tief. Ob sie 
dann, wenn wir unten sind, immer noch lackieren? 
Unzählige Kübel des gefährlidien Staubes wur 
den von den Trimmern ins Meer gekippt. Ich 
fragte den Kapitän nach diesem Kohlenstaubtrans 
port. Sein schweres Halsleiden hinderte ihn am 
Sprechen. Der Erste Ingenieur durfte jetzt stun 
denweise aufstehen. Einen Trost hatten beide: 
jeden Augenblick konnte eine Explosion sie von 
ihrem Leiden befreien. 
Ich als Passagier durfte dodi nidits von der 
Sache wissen. Einmal stand idi beim Maschinen 
assistenten, da sagte der Funker: „Wenn wirnodi, 
wie in früheren Zeiten, auf Segelschiffen lebten, 
dann griffe sidi die Besatzung einen Sündenbock, 
opferte ihn dem Meergott, damit ging es in Ord 
nung! Jetzt schmoren wir in Teufels Küche und“ 
„Herr Funker, da soll der Sündenbock wohl der 
Passagier sein?“ unterbrach ich ihn. 
„Einer muß es ja sein!“ sagte er, „da braudit 
man nicht lange zu suchen.“ „Was suchen Sie 
nach Sündenbock und Meeropfer? Da unten lie 
gen Trimmer und Heizer mit den Knien auf dem 
heißen Boden und sdiüppen im Kohlengas und 
schwelender Hitze den glühenden Staub. Warum 
sudit Ihr denen nidit zu helfen, die dodi mit 
Heizen und Trimmen genug Arbeit haben?" 
„Das ist einmal Kesselmanns Sadie!“ höhnte 
der Funker, „und Ihr seddi auch Kesselsdimied, 
Herr Diditer! Wenn Sie helfen, werden wir ja 
noch einmal nach Hamburg kommen!“
	        
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