ßtand im Kohlenbunket
Eine Erzählung des Arbeiterdichters Heinrich L e r s c h
Die „Nabob“, ein Dreitausend-Tonnen-Dampfer,
fuhr von Griechenland heim nach Hamburg. Der
Ostwind schob Schiff und Woge voran, der Kapi
tän lachte sein Sprüchlein: „Wir haben den Wind
von hinten und das Schiff voll Korinthen!“ Hinter
Sizilien drehte der Wind, er bliieß von der Seite
die Nabob an, das Schiff rollte, — in mir rollte
es auch. Der Humor ging aus und. der Appetit.
Auf einmal gab’s Labskaus. Das ist Pökelfleisch
mit Kartoffeln durch die Mühle gedreht. Am näch
sten Tag fehlte der Kapitän. Auch der Erste Ma
schinist und der Erste Offizier ließen sich ent
schuldigen, wegen Labskaus.
Die „Nabob“ rollte weiter. Sonst verschwinden
bei ruhiger See zuerst die Landratten, diesmal war
es umgekehrt. Der Kapitän war krank, krank der
Erste Ingenieur, krank der Erste Offizier. Es war
mir, als führe ich in einem Auto ohne Chauffeur.
Wenn jetzt ein wirklicher, großer Sturm käme —
bekümmert ging ich ins Kesselhaus hinunter. An
den Kesseln arbeitete ein Landsmann aus Neuß,
dem klagte ich meine Sorge. „Angst? Als ich dazu
mal von Pernambuko nach Madagaskar fuhr . .
Er erzählte mir eine schauderhafte, unglaubliche
Geschichte von der Erkrankung der gesamten Be
satzung, wo er allein Heizer, Rudergänger und
Krankenpfleger sein mußte. Dann gab er mir die
Schaufel in die Hände und wies
aufs Manometer: „Heiz du ein
Viertelstündchen, dann komm ich
zurück!“ Er ging. Ich begann an
seiner Stelle die Kohle aufs Feuer
zu schmeißen. Aus den 15 Minu
ten wurden zwei Stunden.
Als der Landsmann zurückkam,
war er total erledigt; von Kohlen
staub geschwärzt, schnappte er
nach Luft. Er sah nach dem
Dampfdruck, dem Wasserstand
und redete auf mich ein. „Jaja!
Fahrgast bist du! Verlangen kann
ich es ja nicht! Doch, wenn du
morgen früh wieder ein paar
Stunden heizen kannst, komm!
Frag nicht, arbeite!“ Am nächsten
und übernächsten Tag war ich
mehr am Kessel als auf Deck.
Nun wollte ich doch wissen, was
los war. Ich suchte den Steuer
mann, fand ihn im Kartenhaus:
als er mich sah, verschwand er.
Ich sali 'auf der Karte unsem
Standort: zwisdien Sizilien und
Afrika; Wassertiefe 5400 m. Dann
ging ich zum Funkolffizier. Er saß
da: Hörer am Kopf, Stift in der
Hand winkte ab. Ich ging zum
Zweiten Steuermann, • der machte
ein böses Gesicht.
Also schob ich zum Heizer. Er
sah aus, als hätte er die Rauch
züge gefegt. „Nun sag, was ist
denn los!“ Er drückte mir die
Schaufel in die Hand und kroch
ins Bunkerloch; der Trimmer kam
mohrenschwarz heraus, ließ sich
auf die Kiste fallen und stierte
. . und wenn Du morgen wieder ein paar Stunden heizen kannst, kommt