Full text: 1959 (0087)

ßtand im Kohlenbunket 
Eine Erzählung des Arbeiterdichters Heinrich L e r s c h 
Die „Nabob“, ein Dreitausend-Tonnen-Dampfer, 
fuhr von Griechenland heim nach Hamburg. Der 
Ostwind schob Schiff und Woge voran, der Kapi 
tän lachte sein Sprüchlein: „Wir haben den Wind 
von hinten und das Schiff voll Korinthen!“ Hinter 
Sizilien drehte der Wind, er bliieß von der Seite 
die Nabob an, das Schiff rollte, — in mir rollte 
es auch. Der Humor ging aus und. der Appetit. 
Auf einmal gab’s Labskaus. Das ist Pökelfleisch 
mit Kartoffeln durch die Mühle gedreht. Am näch 
sten Tag fehlte der Kapitän. Auch der Erste Ma 
schinist und der Erste Offizier ließen sich ent 
schuldigen, wegen Labskaus. 
Die „Nabob“ rollte weiter. Sonst verschwinden 
bei ruhiger See zuerst die Landratten, diesmal war 
es umgekehrt. Der Kapitän war krank, krank der 
Erste Ingenieur, krank der Erste Offizier. Es war 
mir, als führe ich in einem Auto ohne Chauffeur. 
Wenn jetzt ein wirklicher, großer Sturm käme — 
bekümmert ging ich ins Kesselhaus hinunter. An 
den Kesseln arbeitete ein Landsmann aus Neuß, 
dem klagte ich meine Sorge. „Angst? Als ich dazu 
mal von Pernambuko nach Madagaskar fuhr . . 
Er erzählte mir eine schauderhafte, unglaubliche 
Geschichte von der Erkrankung der gesamten Be 
satzung, wo er allein Heizer, Rudergänger und 
Krankenpfleger sein mußte. Dann gab er mir die 
Schaufel in die Hände und wies 
aufs Manometer: „Heiz du ein 
Viertelstündchen, dann komm ich 
zurück!“ Er ging. Ich begann an 
seiner Stelle die Kohle aufs Feuer 
zu schmeißen. Aus den 15 Minu 
ten wurden zwei Stunden. 
Als der Landsmann zurückkam, 
war er total erledigt; von Kohlen 
staub geschwärzt, schnappte er 
nach Luft. Er sah nach dem 
Dampfdruck, dem Wasserstand 
und redete auf mich ein. „Jaja! 
Fahrgast bist du! Verlangen kann 
ich es ja nicht! Doch, wenn du 
morgen früh wieder ein paar 
Stunden heizen kannst, komm! 
Frag nicht, arbeite!“ Am nächsten 
und übernächsten Tag war ich 
mehr am Kessel als auf Deck. 
Nun wollte ich doch wissen, was 
los war. Ich suchte den Steuer 
mann, fand ihn im Kartenhaus: 
als er mich sah, verschwand er. 
Ich sali 'auf der Karte unsem 
Standort: zwisdien Sizilien und 
Afrika; Wassertiefe 5400 m. Dann 
ging ich zum Funkolffizier. Er saß 
da: Hörer am Kopf, Stift in der 
Hand winkte ab. Ich ging zum 
Zweiten Steuermann, • der machte 
ein böses Gesicht. 
Also schob ich zum Heizer. Er 
sah aus, als hätte er die Rauch 
züge gefegt. „Nun sag, was ist 
denn los!“ Er drückte mir die 
Schaufel in die Hand und kroch 
ins Bunkerloch; der Trimmer kam 
mohrenschwarz heraus, ließ sich 
auf die Kiste fallen und stierte 
. . und wenn Du morgen wieder ein paar Stunden heizen kannst, kommt
	        
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