Full text: 1958 (0086)

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Die Bergeförderung nach der Halde 
Betrieb und Einrichtung der Bergehalde Viktoria 
Von Masch.-Fahrsteiger Erich Zimmer 
Es war im Sommer einige Dahre vor dem 
ersten Weltkrieg, als ich als junger Volks 
schüler wieder einmal von Friedrichsthal nach 
Bildstock ging, um hier bei Bäcker Frank ein 
Brot zu kaufen. Da, einmal in der Woche war 
das bei uns so Brauch, denn dieses Brot war 
gut. Heiß schien die Sonne vom blauen Him 
mel. Durch Buchenwald führte mein Umweg 
hinter der Wohnung von Bergrat Giani vorbei 
nach Bildstock. Dort, wo hinter der oberen 
Schachtanlage Helene, bei dem früheren Kom 
pressorhaus, die Seilbahn nach der Berge 
halde die Umzäunung verließ, standen schöne 
Buchen bis dicht an die Gleise heran, ein für 
eine kleine Marschpause ideal geeignetes 
Ruheplätzchen. 
Die Grubenwägelchen im Abstand von eini 
gen zehn Metern, am Seil geführt, zogen fried 
lich ihre Bahn, die beladenen nach oben, die 
leeren nach unten, die Schienenübergänge 
rhythmisch anzeigend. Gruben- und Wald 
romantik dicht beieinander — das war etwas 
für eines Dungen Auge und Gemüt. 
In etwas größeren Abständen bemerkte ich, 
daß noch mehrere andere Dungens, näher am 
Gleis, interessiert den Lauf der Wägelchen 
verfolgten. Dugendliche Betrachtungen wur 
den angestellt, sogar Gedanken frevliger Art 
wurden scheu geboren und schnell wieder ver 
worfen, und doch blieb beim ängstlichen Ab 
tun dieser Gedanken etwas hängen. 
Da — die jugendlichen Vorstellungen, die 
eben noch durch den Kopf jagten, waren 
plötzlich Wirklichkeit geworden! Ein Auf- 
Wägelchen ging nach vorne in die „Knie", 
wurde seillos, lief polternd rückwärts auf das 
ihm folgende auf. Dann ging es mit doppelter 
Kraft rückwärts auf das dritte Wägelchen los. 
Auch dieses machte alsbald Kurswechsel, bis 
nach kurzer Zeit ein Haufen umgekippter und 
ramponierter Bergewagen, jetzt auch von Leu 
ten aus der Förderung erspäht, das Zeichen 
zum Halt gab. Kräftige Männer mit lauten 
Stimmen rückten an, besahen sich das Durch 
einander und begannen mit den Aufräumungs 
arbeiten. Bald tauchten auch Grubenwächter 
und Aufsichtspersonen auf. Nach kurzer Ver 
handlung sah ich die Dungens, vom Wächter 
geführt, in die Anlage eintreten. Ich hatte Mit 
leid mit den Dungens — aber warum? Sollte 
die Entgleisung mit ihnen Zusammenhängen? 
Konnte ein Stück Holz vom nahen Buchenwald 
heruntergefallen oder von Bubenhand aufs 
Gleis gelegt worden sein? Wer weiß! Später 
erfuhr ich, daß die Buben bis zum Obersteiger 
Dakobs gebracht worden waren, der sie ver 
hörte, aber dann mangels Beweises wieder 
entlassen mußte. Im übrigen konnte ja so ein 
hölzerner 550 Liter-Wagen mit schmalem Rad 
lauf auf einer alten 11 kg-Schiene leicht ent 
gleisen. — 
Zu jener Zeit konnte ich noch nicht ahnen, 
daß ich einmal ein Arbeitsleben lang mit der 
Bergeförderung und deren Sicherung gegen 
Störungen als Steiger, als Fahrsteiger und als 
stellvertretender Werkmeister zu tun haben 
sollte. 
Nun bin ich seit 1930 auf Grube Viktoria. Da 
mals waren die Einrichtungen der Bergeför 
derung nach der Halde noch nicht so modern 
wie heute. Eine ansteigende Kettenförder 
bahn von 400 m Länge und 6 Grad Steigung 
mit elektrischem Antrieb und den damals noch 
üblichen Holzfutter-Antriebsscheiben brachte 
die Bergewagen — ca. 800 pro Schicht — von 
der Hängebanksohle nach dem Fuß der Berge 
halde rund 31 m höher. Von hier gingen die 
750-Liter-Förderwagen mittels Seilbahn, Seil 
schlössern, Seil- und Kurvenrollen auf Gleisen 
von 725 mm Spur hoch bis zu den Abladestel 
len. Dieses waren horizontal liegende Büh 
nen aus Eisenkonstruktion, die vorne auf 
einem Quervorleger je einen Kreiselwipper 
trugen. Die Förderwagen wurden um ihre 
Längsachse gedreht und entleert. Auch Hilfs- 
aussturzstellen waren eingerichtet. Sie trugen 
Kopfwipper, welche weniger Raum bean 
spruchten. Hier wurde der Förderwagen über 
Kopf gestürzt und somit entleert. 
Stahlgliederbänder und Gummitransport 
bänder an Endstation Förderkette lösten die 
Seilbahn ab. Auch hier traten beachtliche 
Störungen auf, zumal mit dem immer mehr 
mechanisierten Untertagebetrieb die Berge 
stücke bemerkenswerte Größen annahmen. 
Ich erinnere mich noch daran, daß in diesem 
Zusammenhang einmal das Wort „Gollen- 
steine gefallen ist. Sturm, Schnee, Frost und 
Wolkenbrüche sorgten im übrigen dafür, daß 
der Haldenbetrieb nicht einförmig wurde. 
1948 trat dann eine massive Neuerung im 
Haldenbetrieb ein. Die Firma Ernst Heckei, 
Saarbrücken, baute für Viktoria eine neuzeit 
liche Hochsturzanlage, die bis zum heutigen 
Tage sehr zufriedenstellend den Bergestrom
	        
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