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r Dei teiehe Jlieuui und das kalte Üfmz
Von Werner Jakobi
instmals kehrte ein reicher Mann von einer
Reise zurück, die ihm wieder viel Geld
eingebracht hatte. Dabei mußte er mit sei
nem Wagen durch eine ärmliche Gegend. Er
hatte aber kein Auge dafür, denn seine Gedan
ken waren nur auf seine Heimkehr und das Wie
dersehen mit Frau und Kind gerichtet, die er
über alles liebte.
Plötzlich schrak er aus seinen Gedanken auf,
denn mitten auf dem Wege sah er eine Gestalt,
die ihm zuwinkte. Der Mann hielt den Wagen
an. Vor ihm stand eine blasse Frau, die bittend
die Hände gegen ihn erhob: „Seid barmherzig' 1 ,
sagte sie leise, „und gebt mir etwas für meine
drei hungernden Kinder! Sie wollen nicht ge
deihen, denn ich kann ihnen nicht genug zu
essen geben!" Doch der Mann, der ein hartes
Herz hatte, erwiderte grob: „Was scheren mich
deine Kinder? Hauptsache, daß meins gedeiht!"
Sprach's und fuhr davon.
Er sah nicht mehr, daß im selben Augenblick
ein kleines Männchen neben der blassen Frau
stand. Es hatte ein zornrotes Gesicht, hob dro
hend die Faust und rief dem davonfahrenden
Wagen nach: „So! Hauptsache, daß deins ge
deiht! Daran sollst du nicht lange mehr deine
Freude haben! Du Geizhals!" Als der reiche
Mann mit dem harten Herzen sein Haus er
blickte, glaubte er, sein Kind käme ihm voller
Freude entgegengesprungen. Doch an seiner
Stelle kam ihm seine Frau langsam mit besorg
tem Gesicht entgegen.
„Denke dir", sagte sie, „eben noch war unser
Kind frisch und gesund, doch plötzlich wurde es
blaß und müde und wollte ins Bett."
Von dem Tage an kränkelte das Kind, wollte
nicht mehr essen, wollte nicht mehr aufstehen
und wurde immer schwächer. Die besorgten
Eltern ließen viele tüchtige Ärzte kommen, aber
keiner konnte helfen. Tag und Nacht saßen die
Eltern am Bett des Kindes und das Herz war
ihnen von Sorge schwer und die Augen trüb
von Tränen.
Als die Eltern eines Nachts wieder so dasaßen,
öffnete sich plötzlich die Tür und das kleine
Männchen kam herein. Es wandte sich zur Mut
ter und sprach: „Dein Mann ist ein Geizhals,
aber du tust mir leid. Ich wüßte ein Mittel,
durch das dein Kind wieder gesund und kräftig
würde!"
„O, schnell", rief die Mutter, „verrat es mir!
Nichts sollte mir zuviel sein, es zu besorgen!"
„Sag’ das nicht", erwiderte das Männchen. „Hin
ter einem dichten Dornengestrüpp, drei Stun
den von hier, jenseits des tiefen Sees, über den
nicht Weg und Steg führen, wächst auf dem
höchsten Gipfel des Blocksberges ein kleines
Kraut. Es wächst dort unter vielen anderen, aber
es hat zartgrüne Blätter und blaßrote Blüten.
Könntest du deinem Kind von diesen zartgrünen
Von dem Tage an kränkelte das Kind und wurde
immer schwächer
Blättern einen Tee kochen, so würde es sofort
gesund. — Aber der Weg dorthin ist sehr be
schwerlich!"
„Für mich nicht!" rief die Mutter, und als sie
sich nach dem Männchen umsah, war es ver
schwunden.
„Laß mich gehen," sagte der Mann, „du bist
zu schwach!" Aber kurz entschlossen machte
sich die Mutter auf den Weg.
Nach drei Stunden kam sie an das dichte
Dornengestrüpp. Doch sie achtete nicht auf die
Dornen, die ihr die Kleider zerrissen und Gesicht
und Hände zerstachen. Mutig ging sie hindurch
und stand auf einmal vor dem tiefen, tiefen See,
über den nicht Weg noch Steg führte. Ohne sich
zu besinnen, sprang die Mutter in das kalte Was
ser und gelangte glücklich ans andere Ufer. Da
stand sie nun mit zerissenen, nassen Kleidern
am Fuß des Blocksberges. Der Weg zu seinem
Gipfel war mit scharfen, spitzen Steinen über-
Hühnerfutter
Hühnerfüffer
.. dm t/il'i tamier