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. . . endlich öffnete sich die Tür des Gotteshauses: Eine Gipsstatue Barbaras schwebte lächelnd
über den geneigten Andächtigen
offenen Türen strömten. Gassenhauer und pom
pöse Arien klangen durcheinander. Plötzlich
seufzte eine Handorgel auf, süße Mandolinen
klänge tänzelten zimperlich mit. Geschmeidige
Südländer tanzten schon auf jedem freien Plätz
chen. Ungeschickte Tänzer jagten sie unerbittlich
zum Teufel! Unterdessen drängte sich anderes
Volk um eine dicke Kletterstange, die hoch in der
Luft an eisernem Reifen allerlei Schätze für
geschickte Kletterer bereit hielt. Da baumelte
eine Gänseleiche neben einer auch nicht schlan
ken Weinflasche. Ein Orangenkorb hing neben
einer blinkenden Weckeruhr und einem trau
rigen Hasen. In bloßen Strümpfen und alten
Kleidern, mit sandgefüllten Taschen, suchten
immer wieder Tapfere die Stange mit ihrer
gelben Schicht von Schmierseife zu bezwingen.
Umsonst! Keiner kam ihr bei. Schon mischte
sich unter Gelächter und Gespött ein unheim
liches Grollen. Schließlich bauten einige Beherzte
ein Stangengerüst unter den Lockpreisen auf. Der
oberste krazte, sdiabte, rieb und putzte die Seife
weg. Einige Kletterzüge gelangen, aber schon
rutschte auch er wieder in die Tiefe. Noch am
späten Abend triumphierte die unbezwungene
Stange.
Schüsse krachten, Raketen zischten in die Dun
kelheit, bengalische Feuer zauberten Alpenglühen
auf die Schneereste der Schattenhalde. Sonnen
gingen sprühend auf und unter, von „Ahs“ und
„Ohs“ begleitet. Kinder schwärmten gleich Glüh
würmchen mit Lampions oder väterlichen Kar
bidlaternen durch die Nacht. Burschen zogen mit
brennenden Fackeln laut singend über die Brücke.
Unter der schnöden Kletterstange warfen sie die
sterbenden Fackeln auf einen Haufen, damit ihre
Glut die Schnüre der Lockvögel versenge. Aber
ihre Kraft reichte nicht aus. Zornige rissen Tan
nenreisig von den Ehrenpforten und schleuderten
es auf die glimmenden Pechscheiter. Flammen
stiegen knisternd empor. Sie verbreiteten Weih
nachtsdüfte. Aber die verhaßte Stange behielt
ihre Schätze. Endgültig gab sich die Menge dem
Tanze hin. Sogar Klarinetten- ünd Geigentöne
mischten sich unter die der Ziehharmonika.
Seltsame Paare erregten Aufsehen. Keck tanzten
einige Sizilianer gegen den Takt als verkörperte
Synkopen. Einige Bretonen, erst kürzlich durch
die hohen Löhne angelockt, stampften mit ernsten
Gesichtem ihre alten Volksreigen. Dem feierlichen
Gehabe schauten die quicklebendigen Kalabresen
kritisch zu.
Plötzlich löste sich der Mond vom Hockenhorn
los, durchzitterte erst duftig die äußersten Tannen
am Felsvorsprung und glitt dann ruhig hinaus in
den übersilberten Nachthimmel. Schlaf und Ruhe
brachte er nur wenigen.
Während der durchtanzten Nachtstunden er
füllte Barbara auch ihre zweite Aufgabe: Sie hilft
nicht nur bei Feuersgefahr, sie nimmt sich auch
der heiratslustigen Mädchen an und entzündet
Liebesfeuer in Männerherzen. Im altdeutschen
Brauchtum war der 4. Dezember ein Lostag für
angehende Bräute. Da steckten sie Äste von
Weichselkirschen ins Wasser, auf daß sie Blüten
trügen am Christtag. Phantasiebegabte Dorfsybil
len konnten aus Zahl und Farbe der Knospen
Schlüsse auf den Hochzeitstag ziehen. Hatte
„Bärbel“ die „Jumpfern“ unter die Haube ge-