Full text: 1957 (0085)

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Wetter. Sechs Schüsse erwartete man. Endlich kam 
ein „Lodi“, wie der Bergmann sagt, und mit ohren 
betäubendem Knall bald danach ein zweites. 
Wieder ein paar Minuten später donnerten zwei 
weitere Schüsse im Schacht, dann aber blieb es 
still. Otto Hellenthal und Karl Herres sahen ein 
ander wortlos an. Und nach vergeblichem länge 
rem Warten und Lauschen — es waren endlose 
Minuten, in denen die Stille in der grausigen 
Tiefe immer unheimlicher zu werden schien — 
entschloß sich Karl, allein hinunter zu fahren, um 
die restlidien beiden Versager zu untersuchen und 
erneut anzubrennen. 
Alles Zureden Ottos, dodi noch eine zeitlang zu 
warten, half nichts. Karl handelte nach seiner Vor 
schrift, nachdem er die genau festgelegte Zeit ab 
gewartet hatte, Noch einmal sah ihm Otto nach, 
wie die schmale Tonne in der Tiefe verschwand, 
und am Schutzortrand beobachteten die anderen 
Kameraden Karls Tun. Plötzlich blitzte und krachte 
es, als seien Urgewalten in der Tiefe des Schachtes 
entfesselt, und dicke Felsbrocken wurden bis zum 
Schutzörtchen heraufgesdileudert, um dann wieder 
mit Getöse in die Tiefe zu poltern. „Adi Gott“, 
sagten alle wie aus einem Munde, „die zwei Ver 
sager sind gekommen . . .!“ Und Ottos Hirn 
durchzuckte nur der eine Gedanke: Gott sei meinem 
armen Freunde gnädig! 
Dann konnte ihn niemand mehr zurückhalten. 
Er signalisierte die Fahrtonne herbei und fuhr 
hinab trotz der Gase, die noch in der Teufe stan 
den. Unten angekommen begann er sofort mit 
dem Räumen. Der Schweiß rann in Strömen von 
seinem Rücken und wie eine klebrige Masse hing 
ihm sein blondes Haar unter seinem Filzkäppchen 
über die Stirn. Endlich spürte er, daß da im 
Bergeschutt etwas lag. Mit zitternden Händen 
räumte er noch einige Brocken Berge beiseite. Da 
plötzlich griffen seine Hände etwas Klebriges, 
Nasses. Fest packte er zu und zog es zwischen 
dem Gestein hervor. 
Otto Hellenthal, der nie Furcht kannte, stand 
sekundenlang der Herzschlag still — so sehr hatte 
ihn das Grausen der Tiefe gepackt. Zugleich ver 
spürte er einen stechenden Schmerz an seinem 
Kopf, ein Schmerz, der ihm lähmend durch alle 
Glieder fuhr. Und dann wurde ihm urplötzlidi die 
furchtbare Erkenntnis, daß seinem Kameraden Karl 
durch die Gewalt der Explosion der Kopf vom 
Rumpf getrennt worden war und er soeben das 
Haupt des armen, toten Kameraden an dessen 
Haaren zwischen den zerschossenen Bergen her 
vorgezogen hatte. 
Otto schrie auf wie ein todwundes Tier, es war 
ein Schrei des Entsetzens, der auch von seinen 
oben gebliebenen Kameraden gehört wurde. Als 
diese bald darauf unten bei ihm waren und man 
audi den Rumpf der Leiche fand, griff sich Otto 
voll Verzweiflung in die Haare, wobei er einen 
stechenden Schmerz empfand. Ein Büschel Haare, 
das er dabei in Händen hielt, beachtete er weiter 
nicht. Erst als er zuhause war, sich zu waschen 
begann und alle seine schönen blonden Haare wie 
abgebrüht sich von seiner Kopfhaut lösten, da 
wurde er sich bewußt, was sich in jener schredc- 
lidien Sekunde wahrhaft im Schacht vollzogen 
hatte, da er des armen Kameraden Haupthaar 
zwischen den Fingern spürte. Und nie mehr wuchs 
dem noch so jungen Knappen sein Haar wieder ... 
Der Alte, der mir dies vor wenigen Jahren 
selbst erzählte, hatte einen martialischen Schnurr 
bart und trug immer einen breitkrempigen Hut, 
den er nur ganz selten ablegte. Als er ihn damals 
zur Bekräftigung seiner Worte jedoch abnahm, 
wurde ein mächtiger Kahlkopf sichtbar. Und wäh 
rend ich ihm verstehend die Hand drückte, rann 
ihm eine dicke Träne in den mächtigen Schnauz 
bart ... 
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