fallverletzungen völlig wiederhergestellt werden
oder behalten nur vorübergehend eine körperliche
Leistungsminderung, sodaß sie bald nadi Ab
schluß der Krankenhausbehandlung wieder in der
Lage sind, ihren alten Beruf oder eine neue
ähnliche Beschäftigung wieder aufzunehmen.
Einige Kranke aber benötigen nach abgeschlos
sener klinischer Behandlung eine Extrahilfe, um
wieder für den Bergbau arbeitseinsatzfähig zu
werden und vor allem wieder das Vertrauen in
ihre eigene Leistungsfähigkeit zu bekommen.
Diesen Gedanken und seine Verwirklichung ha
ben die Engländer „Rehabilitation“ genannt. Das
läßt sich schlecht ins Deutsche übersetzen. Er
innert uns doch der Klang des Wortes „Wieder
ertüchtigung“ allzusehr noch an „Wehrertüchti
gung“, womit die Rehabilitation allerdings nicht
das Geringste zu tun hat.
Diese relativ neue Behandlungsweise zur
Wiedergewinnung der früheren Leistungsfähig
keit ist auch von den Saarbergwerken aufgenom
men worden. Denn der Beruf des Bergmannes
stellt nicht nur an die Kraft, sondern auch an die
Beweglichkeit aller Körperteile höchste Anforde
rungen. Ein Bergmann muß nicht nur stehend,
sondern auch gebückt, knieend, liegend und so
gar kriechend arbeiten. Nicht nur in bezug auf
Leistung, sondern auch auf Sicherheit können
sich Einschränkungen der Beweglichkeit nach
teilig auswirken.
Zur Verwirklichung des Planes, auch bei unse
ren Saarbergleuten im Sinne der Rehabilitation
zu handeln, wurde das kleine, irn Herzen des
Saarlandes gelegene Schloß Bietsehied ausge
wählt, das geeignet schien, den Grundstock eines
Heimes zu bilden. Für die Spezialbehandlung
wurden Neubauten angegliedert. Dieses Schlöß
chen erhielt zu Beginn des 19. Jahrhunderts von
der Hand berühmter Stukkateure im Empirestil
prächtige Wanddekore und steht unter Denkmal
schutz. Vor dem Schloß befindet sich eine große
Terrasse, die ein grünes, mit uralten Bäumen
bewachsenes Tal überragt. Gepflegte Garten- und
Parkanlagen geben dem Heim einen freundlichen
Rahmen. In der Feme sieht man ausgedehnte
Waldungen. Hier in Gottes schöner Natur, wo
nichts an die nahegelegene Industrie erinnert,
sollen unsere Unfallverletzten Bergleute genesen,
indem sie ihre Leistungsfähigkeit und ihr altes
Selbstvertrauen wiedergewinnen.
Das Genesungsheim Bietschied wurde in An
lehnung an drei englische Extemate für Unfall
verletzte Bergleute ebenfalls als Externat einge
richtet, d. h. die behandelten Unfallverletzten
wohnen nicht im Pleim selbst, sondern werden
jeden Morgen vom Dienstwagen der Saarberg
werke in ihren Wohnorten - abgeholt und am
Spätnachmittag wieder nach Plause gebracht.
Während so der Tag für die körperliche Ertüch
tigung der Unfallverletzten im Pleim vorgesehen
ist, können die Bergleute am Abend sich voll
ihrer Familie widmen. Nach der oft monatelan
gen Krankenhausbehandlung empfinden unsere
Patienten das als sehr wohltuend. Ebenso wird
von ihnen sehr anerkannt, daß ihnen — die sich
noch im Krankenstand befinden — neben ihrem
vollen Krankengeld durch die Betreuung im Ge
nesungsheim und durch kostenlose Verpflegung
zusätzliche wirtschaftliche Hilfe zuteil wird.
Die nach besonderen Gesichtspunkten in den
Krankenhäusern für die Nachbehandlung im Re
habilitation - Centre Bietschied ausgewählten Ver
letzten werden von dem, dem Heim zur Verfügung
stehenden leitenden Unfallchirurgen untersucht
und der Art der Verletzung entsprechend in Klas
sen für Armverletzte, Beinverletzte, Wirbel- und
Beckenvexletzte eingeteilt. Die Behandlung rich
tet sich nach Anfänger- und Fortgeschrittenen
gruppen dieser Klassen sowie nach den bei den
Betreffenden im Vordergrund stehenden indivi
duellen Funktionsausfällen. Am Ende jeder Be
handlungswoche wird das erreichte Ergebnis
ärztlich kontrolliert und registriert, woraus sich
der weitere Behandlungsplan für die nächstfol
gende Woche ergibt. Die Behandlung selbst be
steht aus den verschiedensten mediko-meehani-
schen Heilanwendungen, entsprechend einem
festgesetzten Stundenplan und wird von speziell
hierfür ausgebildeten Fachkräften geleitet. Staat
lich geprüfte Heilgymnasten, Arbeitstherapeuten
für die Beschäftigungstherapie in der Holz- und
Metall Werkstatt, für Webe- und Knüpfarbeiten,
sowie ein Gartenmeister für die Arbeitsbehand
lung im Freien bilden den Stamm des Hauses.
Da ist zunächst die Heilgymnastik, eine neue,
wissenschaftlich ans gearbeitete Methode, womit
die in ihrer Beweglichkeit behinderten Körper
teile wieder mobilisiert werden. Während früher
die Behandlung hauptsächlich in Massage und
Bewegungen bestand, welche der Masseur ohne
Mitwirken des Patienten ausführte, hat man
heute erkannt, daß ein viel schnellerer Erfolg
durch aktive Gymnastik erreicht werden kann.
Heilgymnastik ist nach modernen Anschauungen
in der Hauptsache aktive Gymnastik, d. h. eine
Methode, bei welcher der Patient selbst die Be
wegungen auszuführen hat. Die Rolle des Heil
gymnasten besteht darin, daß er die Bewegung
des Patienten genau überwacht und den Grad
der Bewegungen vorschreibt.
Eine besondere Methode der Heilgymnastik
ist die sog. Rolltherapie, bei welcher Bewegun
gen gegen einen dosierten Widerstand ausgeführt
werden müssen. Diese Widerstände sind Ge
wichte, die der Muskelkraft des Verletzten ent
sprechend vom Heilgymnasten bestimmt werden.
Sie werden über Rollen geleitet und von dem
verletzten Glied bewegt. Durch sinnvolle Anord
nungen und Variationen der Rollen können alle
Muskeln oder Muskelgruppen einer gezielten
Kräftigungstherapie unterworfen werden. Wö
chentliche Messungen erlauben es, den erreichten
Erfolg festzustellen, im Diagramm festzuhalten
und das Programm für die nächste Woche zu
bestimmen.