Full text: 1956 (0084)

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den Sack samt dem Spaten und dachte, wenn 
ihm das Glück so weiter zur Hand sei, könne es 
gut werden. Und er sah sich schon als steinreicher 
Mann. 
Auch der Mond zeigte sich jetzt freundlich, 
trat aus den Wolken hervor, ließ sein Licht in 
tausend silbernen Strahlen über den Wald hin 
gehen und leuchtete dem Gesellen auf dem ein 
samen Weg. 
Eine ferne Glocke schlug eben die elfte Stunde. 
Der Bursch’ nahm große Schritte zwischen die 
Beine. Er mußte sich sputen, wollte er dem 
Berggeist nicht in die Arme laufen. 
Die Angst zwickte ihn bei diesem Gedanken. 
Er nahm den Spaten fester zur Hand und tappte, 
die Augen ins Dunkel gerichtet, durch den schwei 
genden Wald. Wie der ihm jetzt fremd und 
unheimlich vorkam! 
Zwei dunkle Wände stiegen mit einem Male 
vor ihm auf, eine zur Rechten und eine zur 
Linken. 
Er stolperte, rutschte abwärts und befand sich 
in einer Hohl. Dort standen Gestalten, die un 
heimlich dürr aussahen wie Totengebeine. Sie 
schwankten hin und her, als wären sie trunken. 
Und jetzt reckten sie die Arme nach ihm, als 
wollten sie ihn greifen; und ihm war, als wisper 
ten sie; „Gib Hieb dem Dieb! Gib Hieb dem 
Dieb!" 
Dem Burschen klopfte das Herz in wilden 
Schlägen gegen die Rippen. In seiner Angst sah 
er nicht, daß es nur Hecken waren mit kahlem 
Geäst. Er überlegte, ob er nicht umkehren sollte. 
Aber dann schalt er sich einen Narren, zog den 
Sack fester an; wie er aber nun wie ein Trun 
kener über Steine, Löcher und Rinnen mühsam 
hintappte, krochen von allen Seiten finstere 
Schlünde heran, rissen die Rachen breit auf wie 
hungrige Wölfe, als wollten sie den Burschen mit 
Haut und Haaren verschlingen. Ein Glucksen und 
Fauchen kam aus ihren finsteren Mäulern. Der 
Bursch’ getraute schier nimmer zu schnaufen, tor 
kelte weiter, denn kein Teufel hätte ihn auf 
halten können. 
Auf einmal erhob sich vor seinen Augen die 
weiße Wand. Die wurde höher und höher und 
schien in den Himmel zu wachsen. Er war jetzt 
am Ziel, so schien ihm. Der Mut wuchs ihm 
wieder frech wie Unkraut aus seinem Herzen. 
Er riß sperrweit die Augen auf, den geheimnis 
vollen Stollen zu suchen. Hier bei der weißen 
Wand mußte er sein. 
Plötzlich sah er, wie die Wand zu glühen 
anfing, und da war ihm, als schiene ihm das 
Morgenrot zu fröhlichem Tagewerk, ging weiter, 
und wie er jetzt näher kam, sah er im roten 
Schein der felsigen Wand eine Höhle, die in 
den Berg führte, der heute noch der „Brennende 
Berg“ heißt. 
Der Bursch’ tappte hin, duckte sich und schlich 
wie ein Dieb in die Höhle hinein. 
Kaum hatte er ein paar Schritte getan, da 
schlug ihm eine heiße Welle übers Gesicht und 
zischender Dampf brach wie weißer Atem aus 
dem finsteren Rachen der Höhle. Dem Burschen 
war, als hörte er fauchende Stimmen. 
„Greift den Wicht! Greift den Wicht!“ zischte 
es ihm in die Ohren. Und wie er weiterkroch, 
schlug ihm eine rote Flamme entgegen, die 
brannte lichterloh wie eine gespenstige Fackel. 
Es roch nach Schwefel und Pech, als wäre er in 
des Teufels Küche geraten. Dem Burschen stockte 
der Atem. Die Haare stiegen ihm zu Berge, und 
der Boden wurde ihm heißer und heißer unter 
den Füßen. Er glaubte, er müsse ersticken. Ein 
dumpfer Schmerz fuhr ihm heiß durch den Kopf. 
Er mußte sich an den Wänden halten, wollte 
rückwärts wieder zum Stollen hinaus, da sah 
er im Scheine der Flammen einen mächtigen 
Stein, der war schwarz und glänzte wie Pech. 
Das muß er sein, der schwarze Diamant, dachte 
der Bursch’, packte den Stein und warf ihn rasch 
in den Sack. Schon war er froh, auf so billige 
Weise zu dem seltenen Schatz gekommen zu sein, 
da hörte er auf einmal eine sdiaurige Stimme. 
Zwei Augen glühten aus einem rußschwarzen Ge 
sicht, weiße Zähne fletschten ihn an, und eine 
Stimme schrie; „Willst du dich scheren, du Dieb, 
du nichtsnutziger, sonst holt dich der Teufel.“ 
Der Handwerksbursche kriegte es mit der 
Angst, und mit ein paar Sprüngen war er zur 
Höhle draußen. 
Ein lautes Gelächter schrillte hinter ihm her. 
Er wußte nicht, wie er wieder den Berg hinunter 
gekommen war. Wie besessen jagte er durch den 
Wald, und als er aufs Feld kam, warf er sich 
längs in die Halme und blieb da liegen, als 
wäre er ein Sack. 
Den Stein legte er unter den Kopf, und mit 
dem Gefühl, ein steinreicher Mann zu sein, fiel 
er alsbald in Schlaf. 
Des anderen Tags machte er sich früh auf die 
Beine, ging in die nächste Stadt und wollte den 
Stein verkaufen.
	        
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