Full text: 1956 (0084)

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Pendel übers Ohr zu hauen, aber es gelang ihr 
nicht, und zuletzt beruhigten sie sich von selbst. 
Nach Neujahr wurde das Weihnachtszeug auf 
geräumt und kam wieder in die alte Schachtel. 
Die Beziehungen zwischen den Glaskugeln und 
dem Tannenzapfen waren jetzt aber noch ge 
spannter als vorher, und dieser hatte nun audi 
seine Anhängerschaft. 
So verging ein Jahr nach dem anderen. Der 
Haß blieb bestehen, nur die Wachskerzen waren 
mit allen gut, denn es waren neue, welche nichts 
von dem alten Hader wußten. 
An einem Weihnachtsabend fiel es dem Tannen 
zapfen auf, daß dem Vater Tränen in die Augen 
traten, als er ihn an dem Tannenbaum befestigte. 
Audi die Uhr war nicht mehr da, nämlidi jene 
mit den Tannenzapfen; an ihrer Stelle hing eine 
andere. Das war ein langer Kasten, in welchem 
ein Pendel hin und her schwang, und in dem 
Zifferblatt befanden sidi zwei Löcher. Es war 
eine eingebildete Uhr, die stets ein paar Minuten, 
bevor sie schlug, sidi vornehm räusperte, als wollte 
sie sidi die Stimme bereinigen. Ja, die war ge 
wiß sehr eingebildet. 
Und an dem Abend kamen nur noch die beiden 
Jungen herein. Sie waren größer, viel größer ge 
worden. Aber das kleine Mäddien kam diesmal 
nicht. Gar nidit so lustig war es an diesem Abend. 
Die Eltern sahen manchmal verstohlen auf den 
Tannenzapfen, und wenn sich ihre Blicke trafen, 
wisditen sie sidi eine Träne aus den Augen und 
lächelten dann den Buben zu, um ihnen die 
Freude nicht zu nehmen. Der Tannenzapfen 
konnte sich nidit erklären, was geschehen war, 
und fühlte sich recht unbehaglich. Er war froh, 
als er endlich wieder in die Schaditel kam. 
Es folgten darauf nodi viele Weihnachtsabende. 
Der Vater und die Mutter wurden immer älter, 
und zuletzt saßen sie alleine unter dem Tannen 
baum, sie hatten graue Haare, aber es kam nie 
mand mehr zur Tür herein. Sie waren ganz allein 
am Weihnaditsabend, die alten Leute. 
Einmal, als wiederum ein Heiliger Abend her 
angekommen war, da wurden der Schachtel nur 
der Tannenzapfen und ein paar Lichter ent 
nommen. Und diese sowie den Tannenzapfen 
heftete der alte, weißhaarige Mann mit zittern 
den Händen an ein ganz kleines Bäumchen. Dann 
zündete er die Lichter an, und den ganzen Abend 
saß er allein unter dem kleinen Weihnachtsbaum, 
und von Zeit zu Zeit schüttelte er den Kopf und 
seufzte. 
Am anderen Tag räumte er das Bäumchen ab. 
Den Tannenzapfen aber legte er nidit in die 
Sdiachtel zurück, sondern in eine Schublade. Da 
lag dieser lange, lange drin, und es kam ihm 
einsam vor. Er war nun auch schon alt. Sein 
silbernes Kleid war weißlidi geworden, und stel 
lenweise war es eingegangen. Um ihn herum 
lagen gleidigültige Personen, welche von seinem 
Leben nichts wußten; die paar Wachslichter, 
welche auch bei ihm im Schubfach lagen, verstan 
den ihn nicht mehr, und die Glaskugeln und all 
die anderen hatten ihn nun verlassen. Er war 
nur noch allein auf der Welt, das war so traurig, 
und es war ihm wie damals, als er in seiner 
Jugend die Heimat verlor. 
Endlich jedoch wurde er wieder aus der Schub 
lade herausgeholt. Aber der alte Mann, welcher 
fast nicht mehr laufen konnte, reichte nur nach 
ihm. Ein Bäumchen war auch keins mehr da, so 
gebrauchte es keiner Kerzen, Der alte Mann 
schleppte sidi mühselig zu seinem Sessel neben 
dem Ofen, in welchem ein kleines Feuer summte, 
und sah immerzu auf den Tannenzapfen in seinen 
alten, runzeligen Händen. Zuletzt wurde er müde, 
seine Hände sanken nieder in den Schoß, immer 
hielten sie aber den Tannenzapfen fest, und 
dann schlief er ein. 
Das dauerte eine lange Zeit, das Feuer ging 
aus, und es wurde kalt in der alten Stube. Nur 
die Uhr tickte und tickte, denn sie hatte es ebenso 
eilig wie die alte. Aber immer langsamer und 
langsamer tickte sie, und am Ende blieb sie 
stehen. 
Der alte Mann in seinem Sessel war tot. 
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