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Vor Zeiten ging in der Altneugasse zu Saar
brücken des Nachts ein Männlein um, das die
I.eute im besten Schlaf überfiel, sich ihnen auf
die Brust setzte und sie derart marterte und
quälte, daß sie laut stöhnten und oft gar im
Traume weinten und schrieen. Wenn sie dann
aufwachten, sahen sie ein kleines Männlein, das
eilends aus dem Zimmer verschwand. Es war das
Drickermänndien, das den Leuten oft übel mit
spielte. Viele haben es schon gesehen und es ging
die Rede, es schinde meist solche Leute, die ein
böses Gewissen hätten. Damals lebte in Saar
brücken ein Mann, der ebenso geizig wie reich
war. Nun hatte er bei einem Handel seinen Nach
barn um viele Taler betrogen, lachte sich eins
und ging in die Wirtschaft, um sich was Gutes
zu leisten an Essen und Trinken. Wie er spät in
der Nacht heimkam, nahm er die Taler vor, ließ
sie lustig zwischen den Fingern klimpern und labte
sich an ihrem silbernen Klang. Als er sich genüg
sam ergötzt hatte, tat er sie in einen ledernen
Beutel, stieg in sein Bett, legte den Beutel zwi
schen die Knie und schlief ein. Kaum war er in
Schlummer gefallen, da fühlte er plötzlich eine
entsetzliche Last auf der Brust und es war ihm,
als ob ein Berg auf ihm läge und ihn erdrücke.
Er keuchte und stöhnte ganz furchtbar. Plötzlich
schrie er laut auf. Von seinem eigenen Schrei ge
schreckt, erwachte er aus dem Schlafe. Er setzte
sich im Bette auf und zitternd vor Angst zündete
er das Öllämpchen an, da sah er ein kleines
Männlein, das eilends durch den offenen Schalter
des Fensters verschwand. Das Herz stand ihm fast
still vor Entsetzen, denn er wußte, es war das
Drickermännchen, der böse Geist, der ihn so
furditbar gequält und geschunden. Aber er wollte
ihm schon beikommen! Am nächsten Abend schloß
er das Fenster und legte sich unter das Bett,
denn hier, so meinte er, würde es ihn nicht fin
den. Aber der Schlaf ließ lange auf sich warten.
Die Luft unterm Bett war muffig und dumpf,
das Lager hart und eng. Er konnte sich kaum vom
Fleck rühren und ständig schnappte er nach Luft.
Erst gegen Mitternacht schlief er ein. Kaum aber
war er in Schlaf gesunken, da erschien das quä
lende Geistlein abermals. Es hatte den Mann so
gleich entdeckt, setzte sich ihm auf die Brust,
glühte ihn mit den Augen an und sdirie: „Gib
die Taler heraus, sonst geht es dir ans Leben!“
Der Mann hielt das Geld fest zwischen den Fin
gern und sdirie so laut, daß man es im ganzen
Haus hören konnte. Als er aufwachte, war das
Männlein versdiwunden. Er sdilüpfte unter dem
Bett hervor, aber er konnte sich fast nicht auf
richten, so müde war er, und er meinte, er hätte
die ganze Nadit Karren geschoben. Den ganzen
Tag sdilich der Mann müde umher, aß kaum und
trank kaum, und als es Nacht wurde, schloß er
alle Türen zu, verstopfte das Schlüsselloch, ver
klebte den Riß in der Tür und dachte, heute
Nacht wird mich das Männchen endlidi in Ruhe
lassen, denn ich wüßte nicht, wie es hereinkom
men sollte. Um ganz sicher zu sein, setzte er sich
in den Sdirank. Im Schrank war es schrecklich
muffig und eng, und er meinte, er müsse darin
ersticken. Erst gegen Mitternacht schlief er ein.
Aber das Männlein fand auch in dieser Nacht
wieder den Weg zu der Kammer des geizigen
Mannes. Um Mitternacht gab es plötzlich ein
schreckliches Gepolter im Schomstem. Huihu; flog
das Männlein herab, sprang aus dem Ofenloch,
und im Nu hatte es den Mann im Schranke ent
deckt. „Gib die Taler heraus, sonst geht es dir
ans Leben!“ schrie es und trommelte dem Mann
mit beiden Fäusten auf die Brust, daß er schrei
end aufwachte. Mühsam kroch er aus dem Schranke
hervor, machte Licht an und spähte in alle Ecken
und Winkel; aber vom Männlein war nichts mehr
zu sehen. Der Mann war halb lahm, bog und
wand sich, reckte sich und streckte sich. Aber er
wagte nicht, sich ins Bett zu legen. Er blieb die
ganze Nacht auf, stand in der Stube aufrecht wie
ein Pfosten, und stand noch da, als schon der