Full text: 1956 (0084)

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Vor Zeiten ging in der Altneugasse zu Saar 
brücken des Nachts ein Männlein um, das die 
I.eute im besten Schlaf überfiel, sich ihnen auf 
die Brust setzte und sie derart marterte und 
quälte, daß sie laut stöhnten und oft gar im 
Traume weinten und schrieen. Wenn sie dann 
aufwachten, sahen sie ein kleines Männlein, das 
eilends aus dem Zimmer verschwand. Es war das 
Drickermänndien, das den Leuten oft übel mit 
spielte. Viele haben es schon gesehen und es ging 
die Rede, es schinde meist solche Leute, die ein 
böses Gewissen hätten. Damals lebte in Saar 
brücken ein Mann, der ebenso geizig wie reich 
war. Nun hatte er bei einem Handel seinen Nach 
barn um viele Taler betrogen, lachte sich eins 
und ging in die Wirtschaft, um sich was Gutes 
zu leisten an Essen und Trinken. Wie er spät in 
der Nacht heimkam, nahm er die Taler vor, ließ 
sie lustig zwischen den Fingern klimpern und labte 
sich an ihrem silbernen Klang. Als er sich genüg 
sam ergötzt hatte, tat er sie in einen ledernen 
Beutel, stieg in sein Bett, legte den Beutel zwi 
schen die Knie und schlief ein. Kaum war er in 
Schlummer gefallen, da fühlte er plötzlich eine 
entsetzliche Last auf der Brust und es war ihm, 
als ob ein Berg auf ihm läge und ihn erdrücke. 
Er keuchte und stöhnte ganz furchtbar. Plötzlich 
schrie er laut auf. Von seinem eigenen Schrei ge 
schreckt, erwachte er aus dem Schlafe. Er setzte 
sich im Bette auf und zitternd vor Angst zündete 
er das Öllämpchen an, da sah er ein kleines 
Männlein, das eilends durch den offenen Schalter 
des Fensters verschwand. Das Herz stand ihm fast 
still vor Entsetzen, denn er wußte, es war das 
Drickermännchen, der böse Geist, der ihn so 
furditbar gequält und geschunden. Aber er wollte 
ihm schon beikommen! Am nächsten Abend schloß 
er das Fenster und legte sich unter das Bett, 
denn hier, so meinte er, würde es ihn nicht fin 
den. Aber der Schlaf ließ lange auf sich warten. 
Die Luft unterm Bett war muffig und dumpf, 
das Lager hart und eng. Er konnte sich kaum vom 
Fleck rühren und ständig schnappte er nach Luft. 
Erst gegen Mitternacht schlief er ein. Kaum aber 
war er in Schlaf gesunken, da erschien das quä 
lende Geistlein abermals. Es hatte den Mann so 
gleich entdeckt, setzte sich ihm auf die Brust, 
glühte ihn mit den Augen an und sdirie: „Gib 
die Taler heraus, sonst geht es dir ans Leben!“ 
Der Mann hielt das Geld fest zwischen den Fin 
gern und sdirie so laut, daß man es im ganzen 
Haus hören konnte. Als er aufwachte, war das 
Männlein versdiwunden. Er sdilüpfte unter dem 
Bett hervor, aber er konnte sich fast nicht auf 
richten, so müde war er, und er meinte, er hätte 
die ganze Nadit Karren geschoben. Den ganzen 
Tag sdilich der Mann müde umher, aß kaum und 
trank kaum, und als es Nacht wurde, schloß er 
alle Türen zu, verstopfte das Schlüsselloch, ver 
klebte den Riß in der Tür und dachte, heute 
Nacht wird mich das Männchen endlidi in Ruhe 
lassen, denn ich wüßte nicht, wie es hereinkom 
men sollte. Um ganz sicher zu sein, setzte er sich 
in den Sdirank. Im Schrank war es schrecklich 
muffig und eng, und er meinte, er müsse darin 
ersticken. Erst gegen Mitternacht schlief er ein. 
Aber das Männlein fand auch in dieser Nacht 
wieder den Weg zu der Kammer des geizigen 
Mannes. Um Mitternacht gab es plötzlich ein 
schreckliches Gepolter im Schomstem. Huihu; flog 
das Männlein herab, sprang aus dem Ofenloch, 
und im Nu hatte es den Mann im Schranke ent 
deckt. „Gib die Taler heraus, sonst geht es dir 
ans Leben!“ schrie es und trommelte dem Mann 
mit beiden Fäusten auf die Brust, daß er schrei 
end aufwachte. Mühsam kroch er aus dem Schranke 
hervor, machte Licht an und spähte in alle Ecken 
und Winkel; aber vom Männlein war nichts mehr 
zu sehen. Der Mann war halb lahm, bog und 
wand sich, reckte sich und streckte sich. Aber er 
wagte nicht, sich ins Bett zu legen. Er blieb die 
ganze Nacht auf, stand in der Stube aufrecht wie 
ein Pfosten, und stand noch da, als schon der
	        
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