138
lief sie in die Schenke, denn ein Gast war ge
kommen.
Die Magd verließ ihr Versteck, lief eilends zum
Brunnen, kicherte und sprach zu den Leuten:
„Wißt ihr es schon, ihr Leute? Ein halber Schop
pen Milch und ein halber Schoppen Wasser gibt
auch ein Schoppen Milch.“
Die Leute schüttelten die Köpfe und dachten,
die Magd sei nicht mehr richtig im Kopf.
Als sie nach Hause kam, befahl ihr die Frau,
sie solle in die Schenke gehen, derweil wolle sie
den Leuten die Milch verkaufen.
Die Magd war zufrieden und ging in die
Schenke. Als ein Gast ein Glas Wein bestellte,
mischte sie ihn zur Hälfte mit Wasser.
Der Gast war erbost, rief die Wirtin und be
schwerte sich über diesen Betrug.
Die Magd aber lachte und sagte: „Was wollt
Ihr? Ein halber Schoppen Wein und ein halber
Schoppen Wasser gibt auch einen Schoppen Wein.“
Der Gast schüttelte den Kopf, denn eine solche
Rechnung war ihm bis jetzt noch nicht voi-
gekommen.
Bald darauf kam ein zweiter Gast. Der bestellte
ein Maß Bier. Die Magd tat zur Hälfte Wasser
hinein, und als sich der Gast beschwerte, lacnte
sie und sagte: „Ein halber Schoppen Bier und een
halber Schoppen Wasser gibt auch einen Schoppen
Bier.“
Der Gast lachte und meinte, diesen hübschen
Witz müsse er weitererzählen und gab der Magd
einen Gulden obendrein.
Die Wirtin machte gute Miene zum bösen
Spiel, drohte nur und sagte, sie solle das lassen,
denn sie werde ihr mit solchen Späßen die Kund
schaft vertreiben.
Am Abend sollte die Magd ein Pfund Schinken
holen. Sie brachte aber nur ein halbes Pfund
Schinken und den Rest in armseligen Knochen.
Da schalt die Frau. Die Magd aber sagte: „Was
wollt Ihr? Ein halbes Pfund Schinken und ein
halbes Pfund Knochen dazu gibt auch ein Pfund.“
Die Frau wurde zornig, gab der Magd eine
Ohrfeige und schrie: „Du bringst midi mit deiner
Dummheit noch an den Bettelstab.“
Am anderen Tage sollte die Magd die Schenke
putzen. Sie wusch aber nur die halbe Stube auf,
die andere Hälfte kehrte sie nur und streute dann
Sand auf den Boden.
Die Wirtin fragte: „Was soll das bedeuten?
Seit je ist es doch Brauch, die ganze Stube zu
putzen.“
Da sagte das Mädchen: „Was wollt Ihr, Frau
Wirtin? Eine halbe Stube geputzt und eine halbe
Stube gefegt ist audi eine ganze Stube.“ Ging
und warf die Tür hinter sich zu.
Die Wirtin war sehr zornig, gab der Magd
ihren Lohn und jagte sie fort.
Es dauerte nicht lange, da war es im ganzen
Städtchen bekannt, daß die Wirtin vom Lamm
eine arge Milchpantscherin sei. Bald blieben die
Kunden aus, und die Frau mußte die Milch den
Schweinen geben.
Emes Tages kamen die Frauen der Stadt, stell
ten sich um das Wirtshaus zum Lamm, und als
die Wirtin hinausschaute, um zu sehen, was es da
gäbe, schwangen die Frauen die leeren Milch topfe
und riefen: „Wißt Ihr es noch, Frau Wirtin? Ein
halber Schoppen Milch und ein halber Schoppen
Wasser gibt auch einen Schoppen Milch.“
Da erschrak die Wirtin, fiel um und war tot.
Als sie begraben wurde, kamen nur wenig Leute,
ihr das letzte Geleite zu geben, und es sind audi
nicht viel Tränen um sie geflossen, denn die
Wirtin hatte nicht nur an der Milch gespart, son
dern auch an den guten Werken Her Liebe. Nur
Neugierige standen da und Spötter.
Als man den Sarg aus dem Hause trug, tat sich
mit einem Male oben das Fenster auf. Die Wirtin
schaute heraus und rief mit spitzer zittriger
Stimme:
„Merkt es euch, ihr Leute: Ein halber Schoppen
Milch und ein halber Schoppen Wasser gibt auch
einen Schoppen Milch.“
Da kam ein großer Schreck über die Leute und
sie wollten nicht glauben, daß die Wirtin gestor
ben sei. Bald hieß es, sie hätte in der anderen
'Veit keine Zuflucht gefunden.
„Der Herrgott hätte sie nicht gewollt und audi
der Teufel habe sie fortgejagt,“ sagten die Leute
— und nun müsse sie friedlos auf Erden wandeln
und nirgends fände sie Ruhe.
Viele wollen sie schon gesehen haben. Am
Kieselhumes geht sie um, sie trägt stets einen
Mantel. An trüben Tagen schleicht sie im roten
Mantel umher, darin sie wie ein flammender Blitz
über die Felder hinfährt.
9t NEUFANG GOLDHALS
L.TROCKLE • VÖLKLINGEN - WEHRDEN
Telefon 3366-67
Schlackensteinfabrik - Baustoffgroßhandel - Autotransporte