Full text: 1956 (0084)

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langer Dauer durchgemacht zu haben, während 
mit Sicherheit festzustellen ist, daß der Traum 
durch die äußere Störung eingeleitet wurde und 
nur die wenigen Sekunden bis zum völligen Er 
wachen gedauert haben kann. Zahllose Beispiele 
hierfür sind bekannt. Jemand stürzt im Schlaf aus 
dem Bett, dies gibt die Anregung zu einem 
Traum, den der Erwachte als eine ganze Lebens 
geschichte erzählt: 
„Ich machte im Traum durch alle Erdteile eine 
herrliche Weltreise, als ich zuletzt nach vielen 
Jahren noch zu Pferde die Pyramiden besidrtigen 
wollte, hatte ich einen Unfall. Ich stürzte vom 
Pferd und — erwachte.“ 
Phantastische Zeitmaschine beim Urmenschen angelangt. 
Die Traumzeit ist von der Uhr abhängig! 
Eine andere bekannte Tatsache ist das noch 
malige Durchleben des ganzen eigenen Lebens 
laufes bei Ertrinkenden, bevor das Bewußtsein 
durch Erstickung erlischt oder die Rettung erfolgt, 
was spätestens zwei Minuten nach dem Unter 
gehen im Wasser geschieht. Von Geretteten ist 
dies zu oft wiederholt worden, um nicht glaub 
haft zu sein. Das Zeitempfinden vieler Jahre 
wurde auf Sekunden zusammengedrängt. 
Der absolute Zeitablauf, so wollen wir die 
mit der Uhr gemessenen Stunden-, Minuten- oder 
Sekundenzahl nennen, stimmt ganz und gar nicht 
mit der empfundenen Relativ zeit überein. 
Zu diesen Beispielen gehört auch das Erlebnis in 
der sogenannten Schrecksekunde bei Autounfällen. 
Das absolute Zeitmaß ist abhanden gekommen. 
Man hat Untersuchungen vorgenommen, wie 
weit der normale, bei klarem Bewußtsein befind 
liche Mensch in der Lage ist, die absolute Zeit 
richtig abzusdiätzen. Die Versuchspersonen kom 
men in völlig dunkle, geräuschfreie Kammern und 
werden sich selbst überlassen. Es zeigt sich, daß 
niemand in der Lage ist, seine Einsperrzeit rich 
tig anzugeben. Manche versuchten, durch Zählen 
sich Gewißheit zu verschaffen, andere durch Ab 
horchen des Pulsschlages, wieder andere durch 
Atemzüge, durch Singen, durch Taktschlagen. So 
wie die Einsperrzeit über viele Stunden ging, 
versagten alle Mittelchen. Es gab Unterschiede bis 
zu 50 °/o der absoluten Zeit. Erregte tippen anders 
als Ruhige, Männer anders als Frauen, Ermüdete, 
Erfrisdite, Hungrige, Satte — alle versagten bei 
der riditigen Ansage ihrer Einsperrzeit. 
Die absolute Zeit scheint gegenüber dem 
menschlichen Zeitgefühl bald schneller, bald lang 
samer zu verstreichen. Dem Schlafenden vergehen 
Stunden, die er nicht erlebt zu haben glaubt. 
Nagt aber der Zahn der Zeit auch an dem schla 
fenden Organismus? Bleibt während des Schlafes 
das Altem aus oder verläuft es wenigstens lang 
samer? Man hat behauptet, daß z. B. das Wachs 
tum der Haare über Nadit wesentlich verzögert 
wird. Wie verhielte sidi der Organismus, wenn 
man einen Menschen in einen jahrzehntelangen 
Dauerschlafzustand versetzen könnte, derart, daß 
der Verbrauch aller Substanz nahezu stehen 
bliebe? Bliebe er gänzlich stehen, würde es den 
Tod bedeuten. Die Lebensfunktionen sollen nicht 
erlöschen, aber doch nur so langsam vonstatten 
gehen, daß — wie bei Tieren im Winterschlaf 
— die Zeit vergeht, das Leben aber erhalten 
bleibt. Kann in einem solchen Zustand das Leben 
des Menschen verlängert werden, oder bleibt die 
Zeit Herr? Versuche, dies festzustellen, sind bis 
her gescheitert, oder sie geben keine eindeutige 
Antwort. 
Nur die Phantasie kann sich die Ergebnisse 
ausmalen. Der englische Schriftsteller H. G. Wells 
hat dies in seinem berühmten Buch „Wenn der 
Schläfer erwacht“ getan. Der Schläfer überdauert 
200 Jahre und erwacht in einer anderen Welt, die 
als unschönes Zukunftsbild dem Leser entwickelt 
wird. 
Derselbe Schriftsteller hat noch ein weiteres 
Buch „Die Zeitmaschine“ veröffentlicht, in dem 
das Zeitproblem auf eine phantastische Weise be 
handelt wird. Ein Erfinder konstruiert eine Ma 
schine, mit der man in der Zeit ebenso reisen 
kann, wie ein Flugzeug im Raum. „Jeder wirk 
liche Körper“, so sagt der Erfinder, „muß in vier 
Dimensionen (Ausmaßen) Ausdehnung haben, er 
muß Länge, Breite, Höhe und Dauer haben. Ohne 
Dauer ist kein Körper vorstellbar, und sei die 
Dauer seiner Existenz noch so kurz, mit der Zeit. 
Die drei ersten Dimensionen, Länge, Breite, 
Höhe, unterscheiden sich nicht von der vierten, 
der Zeit. Es gibt keinen Unterschied zwischen der
	        
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