Full text: 1955 (0083)

184 
Der Fürst ließ halten und sagte dem Pfiffer- 
jakob, er wolle ihm die Vögel abkaufen: „Bring 
sie morgen ins Schloß“, befahl er, „Ihr werdet 
gut belohnt werden“. 
Der Pfifferjakob war es zufrieden, pfiff und 
sang, denn er dachte an das schöne Geschäft, 
das ihm blühte. 
Tags darauf brachte er die Vögel ins Schloß, 
und weil sie dem Fürsten über alle Maßen ge 
fielen, kaufte er sie dem Pfifferjakob um vieles 
Geld ab. 
Der Fürst war froh, so niedliche Sänger um 
sidi zu haben, die ihm die Zeit vertrieben und 
die lästigen Sorgen verscheuchten. Aber seltsam, 
die Vögel schwiegen und als der Pfifferjakob ge 
gangen war, ließen sie die Köpfe hängen und 
sangen auch nicht mehr ein einziges Lied. 
Pfeifen und Singen von Neuem an und ward 
immer herrlicher und schöner. Wie der Fürst wie 
der im Zimmer erschien, verstummten die Vö 
gel. Sie saßen gleichgültig auf ihrem Platz und 
guckten ins Leere. 
Der Pfifferjakob tröstete den Fürsten und 
sagte: „Haben Eure Durchlaucht Geduld mit den 
Tierchen. Sie brauchen einige Zeit, bis sie an die 
hochfürstliche Umgebung gewöhnt sind. Mit den 
Vögeln ist es wie mit den Kindern. Die fürch 
ten sich auch vor den fremden Leuten, und 
wenn sie gar in ein vornehmes Haus kommen, 
stecken sie den Finger in den Mund, und es ist 
nichts aus ihnen herauszubringen.“ 
Der Fürst dachte, der Pfifferjakob hätte wohl 
recht und entließ ihn gnädig. 
Aber die Vögel sangen ni^ wieder. Nur wenn 
Der Fürst gab ihnen das beste Fenster, den 
herrlichsten Platz im Schloß, wo die Sonne den 
ganzen Tag hinschien, ließ ihnen einen goldenen 
Käfig machen, und gab ihnen das beste Futter, 
aber die Vögel wollten und wollten nicht singen. 
Da ließ der König den Pfifferjakob ins Schloß 
kommen und klagte es ihm. 
Der Pfifferjakob tat sehr erstaunt, griff an die 
Nase, verdrehte die Augen und meinte, das sei 
höchst seltsam, bei ihm daheim hätten die Vö 
gel gesungen. 
Der Fürst führte ihn zu den Singvögeln. „Ich 
glaube, sie genieren sich vor Eurer Durchlaucht“, 
sagte schließlich der Pfifferjakob und bat, der 
Fürst möge doch einen Augenblick hinausgehen, 
da werde man ja sehen. 
Der Fürst ging aus dem Zimmer und siehe, 
kaum war er draußen, da begannen die Vögel zu 
pfeifen, daß es eine Lust war. 
Als aber der Fürst wieder zur Türe hereinkam, 
hörten die Vögel mit Singen und Pfeifen auf, 
saßen ganz stumpf und dumm da und gaben auch 
nicht einen einzigen Triller von sich. 
Das schien dem Fürst höchst seltsam, und er 
meinte, es läge wirklich an ihm, ging nochmals 
hinaus und kaum war er draußen, da fing das 
der Pfifferjakob ins Schloß kam, ließen sie ihre 
herrlichen Stimmen ertönen, aber der Fürst 
durfte niemals dabei sein. 
Der Fürst staunte über das seltsame Wesen 
der Vögel und fragte den Pfifferjakob um Rat, 
wie er die scheuen Vögel für sich gewinnen 
könnte. Der Pfifferjakob sagte, er wüßte wohl 
Rat. „Laßt Euch eine Joppe machen, Durchlaucht, 
wie der Jakob eine hat. Ihr werdet sehen, dann 
pfeifen die Vögel.“ 
Dem Fürsten gefiel dieser Vorschlag. Er ließ 
sich eine Joppe machen, die in Schnitt und Farbe 
der Joppe des Pfifferjakob glich wie ein Ei dem 
anderen, und wenn er zu den Vögeln ging, zog 
er sie an. Aber auch das half nichts. 
Da war es der Fürst leid, die Vögel wurden 
ihm gleichgültig. Er sah kaum mehr nach ihnen 
und er schien sie ganz vergessen zu haben. 
Nach langer Zeit kam er wieder einmal in das 
Zimmer, worin sich die Vögel befanden. Aber 
was sah er da zu seinem großen Erstaunen! 
Die Vögel hatten ihre herrlichen, bunten Far 
ben verloren. Sie waren in der Sonne verblaßt, 
und die Vöglein saßen als ganz gewöhnliche, 
armselige graue Spatzen in ihrem goldenen 
Käfig.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.