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Urlaubs wird er in dieser Zeit an große Varietes
in Freiburg und Karlsruhe verpflichtet. Als Ste
phan Engstier 1943 eingezogen wird und später
in russische Gefangenschaft gerät, hat er bei
allem Unglück noch Glück. Es gelingt ihm unter
den deutschen Kriegsgefangenen geeignete Leute
zu finden und eine Artistengruppe zu gründen.
Ja, er tritt sogar mit einem russischen Akrobaten
in Kasinos auf,, vom russischen Publikum für
einen waschechten Russen gehalten. Nach dem
Kriege betätigt sich Engstier 2 Jahre lang als
BerufsartLst. Während der Sommermonate wird
er mit seiner Tochter von Zirkus Fischer und
Zirkus Schulte engagiert, im Winter vorwiegend
von englischen Clubs. Schwierigkeiten bei der
Überweisung des Unterhaltes für ,seine Familie
zwingen ihn 1948 in die Heimat zurückzukehren
und auf Grube Maybach anzufahren. Nun ist es
an der Zeit, sich mit seinen anderen heranwach-
senden Kindern zu beschäftigen. Jeweils bei Vol
lendung des 6. Lebensjahres beginnt er mit ihrer
Ausbildung. 2 bis 3 mal wöchentlich führen sie
ein strammes Training durch. Besondere Erfolge
hat seine älteste Tochter Gerdi, die 1952 und
1953 Deutsche Meisterin in Kunstakrobatik wird
und seit 5 Jahren Saarlandmeisterin ist. Sie er
hielt ein Engagement nach Kanada und wartet
nur auf ihr Visum, um in die große Welt hinaus
zufliegen. Die Engstiertruppe, die nach dem
Die 4 Aloni's, Bildsfock
Ausscheiden der großen Schwester nur noch aus
den 14- und 9-jährigen Töchtern Ro,switha und
Christel und dem 11-jährigen Filius Heinz be
steht, — den Vater natürlich nicht zu vergessen
— wird sich bemühen, ihr Programm auf dem
gleidien Niveau zu erhalten. Diese Familien
truppe hat sich im Saarland einen guten Namen
gemacht. Sie wird häufig zu Kameradschafis-
abenden verpflichtet und tritt bei vielen Vereins-
lestlichkeiten auf. Ihr Bereich er,streckt sich außer
den Städten des Saarlandes auf Zweibrücken,
Pirmasens, Idar-Oberstein und Mainz.
Zweites Bild: Wohnzimmer des Bergmanns
Guckeiscn — einem der „4 Aloni's“ — in Bild
stock.
Guckeisen ist Manager und Bürokrat dieser im
Saarland bekannten Bodenakrobatiker, einer
Truppe, die nur aus Bergleuten bestellt. Er küm
mert sich um die Aufträge und empfängt auch
jetzt mich. Eine Menge Fotos hat er auf Vorrat.
Kunstvolle Pyramiden, .sauber ausgeführt. Mit
einer Unzahl fachmännischer Namen überfällt er
mich. Einen der Tricks nennen sie Hockwaage.
Der Untermann trägt dabei eine Last von nicht
weniger als 370 Pfund auf seinen Knien. Einer
der schwierigsten Tricks soll das Karussell sein,
bei dem zwei Artisten, nur an einer Hand ge
halten und an der Hüfte gestützt, frei in der
Luft schweben. Immer wieder tüfteln sie neue
Tricks aus, die aber erst nach langem Training
bühnenreif sind. Die Aloni's bestehen seit 1947.
Man darf sie als einen der vielen Ableger der
Pontius-Truppe in Heiligenwald betrachten. Der
Artist Schwindling, ebenfalls Bergmann und 20
Jahre lang Mitglied der Pontius-Truppe, über
nahm das Training der „Aloni's“, unterstützt von
Ing. Wacket, Grube Luisenthal, der aktiv mit
wirkte. Die „4 Aloni's“ treten als Amateure bei
Veranstaltungen von Vereinen auf, hauptsächlich
im Saarland. Aber auch ins Bundesgebiet, nach
Lothringen und Luxemburg werden sie verpflich
tet. Auf Wettbewerben mit anderen Amateur
truppen holten sie sich bereits 4 erste Preise.
2 mal wöchentlich und sonntagsmorgens fin
den sie sich zu einem harten Training zusammen.
Denn ohne dies keine Zukunft. Geheimer Wunsch
der „Aloni's“ ist es, ihre Leistungen derart zu
.steigern, daß sie sich bei der Austragung der
Deutschen Meisterschaft erfolgreich beteiligen
können. Das erfordert ein präzises, schnelles Aus
arbeiten der Tricks. Ob sie es jemals erreichen?
Denn nicht zu vergessen, alle vier machen als
Bergleute schweren Dienst, Guckeisen als Schrä-
irier durchschnittlich 9—10 Stunden pro Schicht.
Sie empfinden den Kunstkraftsport als gesunden
Ausgleich zur Arbeit unter Tage und werden bei
der Begeisterung und dem Idealismus, mit dem
sie sich dieser Sportart verschrieben haben, si
cherlich noch manche Lorbeeren ernten.