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Kühen, die still und friedlich ain Bach weideten
und johlte und schimpfte.
Da trat ein Junge aus dem nahen Wald und
trug eine Bürde Holz auf dem Kopf. Als der
Wahnerdick ihn erblickte, häufte er grünes Erlen-
laub aufs Hütefeuer und entfachte damit einen
dichten Rauch. Dann sprang er durch die Schwa
den, zerteilte sie mit den Händen und schrie:
„Dampf flieg mir nicht nach, flieg der bösen
Weidenkätt nach!“
Im selben Augenblick krachte die Holzlast in
einen Wiesengraben und der Weidentoni fuhr
unter ihr hervor. Er schüttelte die Fäuste und
rief: „Wahnerdick, wenn du noch einmal meine
Mutter beschimpfst, sollst du es büßen!“
„Hahaha, was willst denn du? Mach langsam,
sonst trittst du auf deine langen Hosen!“ Der
Weidentoni aber trat nicht auf die ausgefransten
Hosen, die einst die mageren Beine des toten
Korbmachers umschlossen, sondern eilte auf un-
sem „Todfeind“ zu.
„Ruf das noch einmal!“ Unter Tonis offenem
Hemd wogte die Brust und der Kopf saß ein
gezogen zwischen den Schultern, unter denen
sich ein runder Höcker wölbte. Toni war als
kleines Kind aus der Wiege gestürzt und hatte
dabei den linken Schulterknochen gebrochen.
„Ruf das noch einmal!“ Jetzt stand der Toni
dicht vor dem „roten Büffel“. Seine hellen Augen,
die sonst harmlos in die Welt blickten, funkelten
gefährlich.
„Was soll ich noch einmal rufen?“ Der „rote
Büffel“ stemmte seine dicken Arme in die Hüften
und blickte wie ein Graf auf seinen Gegner
herab.
„Das mit dem Dampf.“ Die Stimme des Wei
dentoni klang heiser.
„Willst du mir das verbieten? Mensch, du hast
ja nichts in den Knochen. Und dein Kopf! Hahaha
— der sieht aus wie ein vierkantiges Brot!“
„Das steinhart ist!“ schrie Toni auf, und sein
kantiger Schädel traf die Magengrube des „roten
Büffel“, daß dieser krachend auf den Rücken flog.
Wie war das möglich? Galt der Weidentoni
nicht als Schwächling? Wir standen wie erstarrt.
Mit einem Wutlaut sprang der Wahnerdick
empor. Aber bevor er fest auf den Beinen stand,
drang Toni zum zweiten Male auf ihn ein. Dies
mal schlug der „rote Büffel“ hin wie ein um
geworfener Kegel und spürte die harten Fäuste
des unterschätzten Gegners.
Der Wahnerdick brüllte, strampelte, spuckte
und heulte. Aber Toni preßte ihn fest auf die
Erde und setzte ihm solange zu, bis er um
Gnade flehte. Kaum war er frei, da rannte er
zum Bach und bewarf uns mit Schimpfnamen
und Steinen. Toni eilte ihm nach und trieb ihn
in einen nahen Steinbruch. Dort verschwand der
„rote Büffel“ hinter einer Dornhecke, und wir
lachten über seine ohnmächtigen Drohungen.
Als wir unser Vieh heimtrieben, schoß der Be
siegte aus einem engen Gäßchen und versuchte,
uns mit seiner Peitsche zu treffen. Aber Winnetou
und Old Shatterhand, die vom Felde heimgekehrt
waren, jagten ihn ins Oberdorf zu den Kriegern
seines Stammes. Diese hatten bereits die schmäh
liche Niederlage ihres Häuptlings erfahren und
sich dem Bogenermartin untergeordnet. So verlor
der „rote Büffel“ Ehre und Ansehen. Der Wei
dentoni aber hieß seither „Eisenstim“ und sein
harter Schädel bewährte sich noch in manchem
Kampf.
Heute ist „Eisenstim“ ein geachteter Hausierer.
Mit seinem schweren Tragkorb stapft er durch
die Walddörfer und verkauft neben allerlei Klein
kram auch Tanzknöpfe, Klicker und Bälle für die
Kinder. Er ist der einzige Gängler, der seine Last
auf dem Kopf trägt. Er scheint sie nicht zu
spüren und verschmäht das Kopfkissen, das einst
seine Mutter unterschob, um den Druck des Korbes
zu mildem. Als ich ihm neulich zurief: „Na, alter
Eisenstim, wie gehts?“ stützte er für ein paar
Atemzüge den Knotenstock ins Kreuz und er
widerte: „Mit so einem Namen schleppt man sich
das ganze Leben herum. Aber ich bin stolz auf
ihn, denn auf meinem verpuschten Rücken hätte
ich nie ein Last tragen können.“
Zitronen-Limonade
ct‘ Juuiak
Von Bernhard Krajewski, Neunkirchen
Dür August aus der Münchwies war einst ein sehr
tüchtiger Bergmann, aber seinen PRIEM mußte
er bei der Arbeit haben, sonst „flutschte“ es nicht
und er war grandig und nicht zu genießen. Auf
ihn traf die in den knappen Zeiten des Krieges
entstandene saarländische Redensart zu, die Müt
ter ihren Kindern zu sagen pflegten: „Ihr Kinner
bete —- eier Vadder huckt em Querschlag on hat
kä Tuwak.“ — Aber August hatte immer seinen
Tabak, selbst in den schlechtesten Zeiten, oft
zum Erstaunen seiner Kameraden. — Wenn er
nach Hause kam, klagte ihm seine Frau fast
täglich, daß die Hühner nicht mehr legen wür
den. August zuckte nur mit den Schultern und
gab keine Antwort. Als ,sie wieder einmal jam
merte, daß sie keine Erklärung finde, warum
die Hühner nicht legten, da meinte er ganz trok-
ken: „Besorg du mir Tuwak — dann leje a die
Hinkle widdeT.“ — August hatte nämlich heim
lich die Eier gegen Tabak getauscht.