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24. Mai, sich die Zigeuner in Saintes-Maries-de
la Mer, an der Südküste versammeln. Die Ca-
niargue, früher weithin Sumpfland und haupt
sächlich Weideland für wei!3e Pferde und wilde
Stiere, liefert auch heute noch die Tiere für die
Slierkämpfe in der Provence, aber heute auch
schon zwei Drittel des gesamten Reisverbrau-
ches von Frankreich. Die Nutzbarmachung des
Bodens der Camargue ist das Ziel des Kampfes,
den man dort unternommen hat, um einen
Boden zu erobern, dessen Besitz ständig von
Wasser und Klima umstritten wird.
Um dieses Ziel zu erreichen, muf3te man zu
erst das Land durch Dämme gegen das Meer
wasser und das Hochwasser der Rhone schützen.
Dies ge chah schon 1850. Diese Dämme hatten
zunächst eine wohltuende Wirkung, indem sie
das Land vor Überschwemmungen bewahrten.
Zugleich unterbanden sie aber auch das natür
liche Entsalzen des Bodens durch das über
schwemmende Flußwasser und setzten so das
Land den Verheerungen durch die Salzigkeit
aus. Das Salz wird nämlich ständig und un
widerstehlich an die Oberfläche gezogen durch
eine überaus heftige Verdunstung unter dem
doppelten Einfluß der Sonne und des Mistral.
Um diesem Übelstande abzuhelfen, mußte man
den Boden künstlich durch Bewässern mit dem
Süßwasser der Rhone auswaschen und die salz
haltigen Abwässer wieder ableiten. Wenn das
Problem damit gestellt war, so mußte man bei
seiner Ausführung verschiedenen Faktoren Rech
nung tragen, welche seine Verwirklichung be
deutend erschwerten. Die Camargue hat ein
außergewöhnliches Klima: rund 350 Tage sind
regenfrei, aber die Niederschläge sind brutal
(100 mm in 24 Stunden und nur etwa 550 mm
im ganzen Jahr). Dagegen hat man mit einer
überaus starken Verdunstung zu tun,, etwa 1500
mm während der sechs heißen Monate. Diese
Zahl besagt, daß an der 10 000 ha großen
Oberfläche des Vaccares-Teiches während der
sechs heißen Monate 150 Millionen Kubikmeter
(m 3 ) Wasser verdunsten. Außerdem mußte man
auf die vorhandene Salzindustrie Rüdcsiicht
nehmen, die jährlich etwa 300 000 Tonnen Salz
liefert, ferner auf eine botanische und zoolo
gische Reserve von etw r a 15 000 ha mit einer
Flora und Fauna von sehr großem wissen
schaftlichem Wert. Schließlich sollte das originale
Landschaftsbild erhalten bleiben.
Vor der Abdämmung der Camargue fand man
dort nur solche Trockenkulturen, die dem außer
gewöhnlichen Klima am besten standhielten und
unter den Überschwemmungen am wenigsten lit
ten. Nach Abdämmung des Meeres und der
Rhone entwickelte sich erstmalig ein intensiver
Kulturanbau und insbesondere nach Bau der
ersten Pumpstation in der zweiten Hälfte des
vorigen Jahrhunderts, durch den fortschreiten
den Anbau von 3 500 ha Weinbergen, ganz be
sonders auf den höher gelegenen Stellen des
Landes. Mit der Zahl der eingerichteten Pump
stationen wurden auch die mit Getreide einge
säten Flächen vergrößert, man legte Wiesen und
Kleefelder an zur Fütterung der im Weinbau
verwendeten Zugtiere. Erst 1942 begann man,
und zuerst sehr zaghaft mit dem Anbau von
Reis, indem man 250 ha einsäte. Ab 1946 stieg
die Fläche der Reisanpflanzungen rapid und
heute bedecken sie eine Flädie von 10 000 ha.
Der Reds ist das Haupterzeugnis der Camargue
geworden.
Um dieses vorläufige Ziel zu erreichen, muß
ten zuerst drei große Aufgaben gleichzeitig ge
löst w’erden:
1. die Ausdehnung der Bewässerungsanlagen,
2. der Ausbau der Abführung der Abwässer,
3. der Bau der notwendigen Anlagen für die
Lagerung und Behandlung des neuen Pro
duktes.
Die Leistungsfähigkeit der vorhandenen Pump
stationen wurde erhöht, zahlreiche neue wur
den gebaut, so daß heute über 100 Pump
werke die Unterwassersetzung der Reisfelder
und die Bewässerung der Camargue sicherstel
len. Sie sind den beiden Mündungsarmen entlang
angeordnet und sind in der Lage, insgesamt,
mit einer Wasserlieferung von 40 (m 3 ) pro Se
kunde den augenblicklichen Bedarf und sogar
darüber hinaus zu liefern. Für 1 ha Reisfeld
benötigt man rund 30 000 (m 3 ) Süßwasser. In
nerhalb von 10 Jahren (1942—1952) wurde das
Profil von allen Bewässerungsgräben der Ca
margue verstärkt, eine Arbeit, die allein die
Bewegung von 200 000 (m 3 ) Erde verlangte.
Zahlreiche neue Kanäle wurden gezogen, um
das Wasser den neuangelegten Feldern zuzufüh
ren. Allein die von den Genossenschaften neu-
ausgegrabenen Kanäle hatten eine Länge von
über 10 km. Dabei verteilen dieselben kaum ein
Drittel des gelieferten Wassers. Die privaten
Installationen überwiegen also.
Hier will ich ein Wort über die Finanzierung
und Kosten dieser Arbeiten einfügen. Die von
den beteiligten Genossenschaften übernommenen
Arbeiten verlangten eine Ausgabe von rund 100
Millionen, an welchen sich der Staat mit 60 r '/n,
also mit 60 Millionen beteiligte. Diese Arbeiten
haben die Neuanlage von 3 000 ha Reisfelder
ermöglicht. Da die Anlage neuer Reisfelder min
destens 150 000 Frs. pro ha kostet, wurden für
diese 3 000 ha mindestens 450 Mill. Frs. Privat
kapital investiert. Die 60 Millionen des Staates
haben also zuerst eine Investierung von 450
Millionen Privatkapital hervorgerufen und dann
eine jährliche Erhöhung des Bruttoeinkommens
von etwa gleicher Höhe veranlaßt.
Das Netz der Entwässerungsgrälren hat inso
fern eine besondere Bedeutung, als das abzu-
leitcnde Grundwa-ser wegen zu starker Versal
zung nicht wieder verwendet werden kann, viel