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Von Richard Germer
n dem unaufhaltsamen Drängen, in dem Fluß
der Ereignisse der Gegenwart vergißt man
nur allzu leicht das Vergangene. Man glaubt, es
sei alles immer schon so gewesen, und man ver
liert den Sinn für das Gewordene, für die Ent
wicklung. Aber nichts ist feststehend, „alles
fließt', und stetig verbindet die Gegenwart Ge
wesenes mit Zukünftigem. Wir Menschen haben
deshalb den Wunsch, im rastlosen Getriebe un
serer Zeit einmal stille zu stehen und Rückschau
zu halten auf das Vergangene.
Ein Anlaß zu solcher Rückschau bildete für
den saarländischen Bergbau im vergangenen
Jahre das hundertjährige Bestehen der Grube
Mellin. Dieses Jubiläum wurde auch festlich
begangen.
Wenn auch Mellin nur eine einzelne und noch
nicht einmal eine der großen Gruben des Saar
landes ist, so spiegelt die Geschichte dieses Be
triebes doch die Gesamtentwicklung des Berg
baues an der Saar wider.
Wir wissen, daß der Bergbau auf Steinkohlen
einer der jüngsten Zweige bergbaulicher Be
tätigung der Menschen ist. Das hängt damit zu
sammen, daß die Kohlen in früheren Zeiten als
Brennstoff nicht begehrt waren. Die Wälder lie
ferten besseren Brennstoff in reicher Fülle.
Trotzdem aber müssen wir annehmen, daß schon
im Mittelalter im Sulzbachtal nach Kohlen ge
graben wurde, denn in einer Urkunde aus dem
Jahre 1536 wird die „Kollgrube zu Sulzbach"
bereits erwähnt. Das war aber sicherlich kein
bergbaulicher Betrieb im Sinne der Gegenwart.
Die Bauern und Hirten der damaligen Zeit leg
ten dort, wo die Flöze steil zu Tage ausgingen,
einfache Gräben an, aus denen sie die Kohlen
in ihre Fuhrwerke verluden, um sie dort zu
verkaufen, wo Mangel an Holz herrschte. Dem
jeweiligen Landesherren bezahlten sie für das
Recht der Kohlengräberei eine Abgabe.
Der Dreißigjährige Krieg hat diese Anfänge
zerstört. Alle Dörfer des Sulzbachtales wurden
1635 vernichtet und die Bewohner zum größten
Teil getötet. Es dauerte lange, bis diese Wun
den vernarbt waren, erst rund hundert Jahre
später waren die „Gräben“ wieder in vollem
Betrieb.
Im Jahre 1751 übernahm der Fürst Wilhelm
Heinrich von Saarbrücken die Gräben in seinen
persönlichen Besitz. Er verbot den Bauern jede
wilde Kohlengräberei, für die er „100 Reichs
taler Straff" androhte. Zur Überwachung der
Gräben setzte er einen fürstlichen Berginspektor
ein, dem einige „Beständer" (Steiger) als Hilfs
kräfte zugeteilt waren.
Da sich die Wälder zu lichten begannen, ver
pflichtete der Fürst seine Untertanen, Kohlen
als Hausbrand zu verwenden, die er zu ver
billigtem Preis abgab. Er unterstützte auch alle
Versuche des Sulzbacher „Kohlenphilosophen'
Staudt, die Kohlen genau wie Holz in Meilern
„auszuziehen", um sie dann zum Verhütten der
Eisenerze zu benutzen. Nach mehreren Miß
erfolgen ist dies auch gelungen. Es ist anzuneh
men, 1 daß „Auf der Schmelz“ in Sulzbach zum
ersten Male auf dem europäischen Festland
Eisenerz durch Koks verhüttet wurde.
Dem gesteigerten Kohlenbedarf, der vor allem
durch die Entwicklung der Dampfmaschine her
vorgerufen wurde, genügten die Gräben bald
nicht mehr, zumal sie ja nicht beliebig vermehrt
oder vertieft werden konnten. Man war also
gezwungen, zum Untertage-Betrieb überzugehen,
der zunächst als Stollenbau durchgeführt wurde.
1826 wurde in Sulzbach in der Nähe der heu
tigen Bergvorschule der „Venitzstollen" an
gehauen, der dann etwa 30 Jahre lang den
einzigen Bergbaubetrieb in Sulzbach bildete. An
seinem Ende wurde ein Schacht zur Erdober
fläche geführt, an dessen Öffnung ein Feuer für
das Ausziehen der Wetter sorgte. Die Reste der
Mauerung dieses Schachtes sind heute noch auf
dem Friedhof Sulzbach erhalten und unter dem
Namen „Feuerofenschacht“ bekannt.
Erst der Bau der Eisenbahnstrecke durch das
Sulzbachtal gab dem Bergbau neue Möglich
keiten. Diese mußten auch gesucht werden, denn
auch der Stollenbetrieb konnte die stetig
wachsende Nachfrage nach Kohlen nicht mehr
befriedigen. 1852 wurden bereits in Altenwald,
14 Tage nach der Inbetriebnahme der Bahn
strecke, die „Eisenbahnschächte I und II" ihrer
Bestimmung übergeben. In Sulzbach begann die
Erschließung der Teufe mit dem ersten Spaten
stich zu den Eisenbahnschächten III und IV im
Jahre 1853. Es sollte allerdings noch acht Jahre
dauern, bis sie in Betrieb genommen werden
konnten. 1858 wurden sie zu Ehren eines preu
ßischen Ministerialdirektors in Mellinschächte I
und II umbenannt. Sie reichten zunächst bis zur
ersten Sohle, wurden aber zur weiteren Er
schließung des Grubenfeldes mehrmals vertieft
und reichen heute bis 145 m unter N. N.
Die räumliche Ausdehnung des Grubenfeldes
machte aber bald die Anlage weiterer Schächte
erforderlich, und das Abteufen des „Kreuz
grabenschachtes" (heute Schacht I der Grube
Brefeld), des „Lochwiesschachtes", des „Venitz-
schachtes" und des „Mellinschachtes III" waren
Marksteine auf dem Wege der Entwicklung.
(Fortsetzung auf Seite 20)