169
ü>
oM^esi
escAW€nccn -
uno
mreRLA$5€H5CbArrCM
IH ALTER Z£l
Von Kurt Hoppstädter, Wiebelskirchen
Wenn der Tod herannaht und der Mensch
seinen letzten Willen festlegt, sein Testament
macht, so pflegt das ein sehr nüchternes Ge
schäft zu sein. Ich will damit nicht sagen, daß
Gefühlswerte überhaupt ausgeschaltet sind und
gar keine Rolle spielen. Es steckt in dem Ver
mächtnis des Erblassers auch heute viel Liebe,
Haß, Todesangst und Bitterkeit und die glück
lichen Erben reagieren auch auf mancherlei Art
und Weise. Das ist gewiß. Aber in dem Doku
ment selbst, das die Bestimmungen über die
mehr oder weniger umfangreiche Hinterlassen
schaft des Verstorbenen enthält, pflegen der
artige Gefühle nicht oder nur versteckt zum
Ausdruck zu kommen. Und doch ist die Ver
teilung des Nachlasses ein Geschäft, dem die
viel ernsthaftere, gewichtigere Auseinander
setzung des sich zum Tode Vorbereitenden mit
seinem Schöpfer vorausgeht. Doch danach wird
man in einem Testament von heute vergeblich
suchen.
Das war nicht immer so. Hat man früher die
Wucht und den Ernst des menschlichen Sterbens
tiefer empfunden als heute? Fast scheint es so.
Man hat jedenfalls diesen Eindruck, wenn man
letzte Willenserklärungen, Testamente aus der
Zeit vor 200 Jahren und früher liest. Es weht
ein Hauch aus diesen Blättern, der an Paul Ger
hardt oder an ein Abendlied des Wandsbecker
Boten erinnert. Ich denke nicht allein an bäuer
liche Testamente.
Vor mir liegt der letzte Wille eines Faktors
des Neunkircher Eisenwerkes, eines Direktors
oder Generaldirektors, wie wir heute sagen
würden, also eines nüchternen, praktisch den
kenden Geschäftsmannes. Auch das ist auf
diesen tiefen, christlichen Grundton abgestimmt.
Lese ich diese Blätter, so habe ich den Ein
druck, daß ein Mann, der im Lichte eines solchen
Glaubens starb, leichter seiner letzten Stunde
entgegengesehen hat, als ein Mensch, der nach
der Devise lebt ,.Lasset uns essen und trinken,
denn morgen sind wir tot."
Hören wir:
,,Im Namen Gottes, des Vaters, Gottes des
Sohnes und Gottes, des Heiligen Geistes —
Amen!
Ich, Johann Peter Egen, dermaliger Faktor
auf dem Neunkircher Eisenwerk bey Ottweiler,
habe die Nichtigkeit des menschlichen Lebens
oft und vielmals betrachtet und erwogen, daß
der Mensch in diesem Jammerthal keine blei
bende Stätte habe, sondern von Gott als ein
Pilger in diese vergängliche Welt dergestalt ge
setzt worden, daß dem Menschen nicht bewußt,
wann ihn sein Schöpfer wieder aus dieser Zeit
lichkeit abfordern und in die Ewigkeit ver
setzen werde. Damit mich nun die ungewisse
Stunde des Todes nicht unverorderter Sachen
antreffen möge, so habe mich ohne das persua-
diret (überredet) entschlossen und mit gutem
Vorbedacht und reiflicher Ueberlegung resol-
viret, meinen letzten und ernstlichen Willen
schriftlich von mir zu geben, damit nach meinem
Tod kein Zank und Streit unter meinen An
gehörigen wegen meiner Verlassenschaft, so
Gott der Allmächtige mir bescheret und ver
liehen hat, entstehen möge, welches dann ge
schehe wie folgt:
1. Zum ersten, da die Seele nach der Bil
dung Gottes geschaffen und als das Vortreff
lichste allen zeitlichen Gut billig vorzuziehen
ist, so will ich dieselbe, wann sie von meinem
Leib geschieden wird, dem Allmächtigen Gott,
ihrem Schöpfer und Jesu Christo, ihrem Erlöser
und Gott dem werten Heiligen Geist treulich
empfohlen haben, dieselbe in die ewige und un
aussprechliche Freud und Herrlichkeit auf- und
anzunehmen. Meinen alsdann erblaßten Leib
aber überlasse ich der Erden und der Ver
wesung in der gewissen Zuversicht, daß ihn Gott
an jenem allgemeinen großen Welt-Tag wieder
aufwecken und herrlich verklären wird.
2. Setze ich zum Universal-Erben alles meines
Vermögens, es mag bestehen, worinnen es
wolle, meine liebe Ehefrau Maria Catharina