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1. Beauftragter des Betriebsrates Görgen (rechts)
im Gespräch mit einem Arbeiter
Am ersten Weltkrieg hat Bergmann Gerstner
teilgenommen, geriet aber nach einigen Mona
ten schon in französische Gefangenschaft. 1924
baute er sich unter großen Opfern ein eigenes
Haus. Damals gab es ja noch keine öffentlichen
Unterstützungsfonds wie heute, und jeder war
auf sich selbst angewiesen. Dabei waren vier
Kinder großzuziehen, die heute erfreulicher
weise alle versorgt sind. Auch dieser Jubilar
besitzt Land — 120 Ar sogar. Da heißt es, nach
der Schicht noch fleißig die Hände rühren,
Außerdem bekleidet Gerstner das Amt eines
Gemeinderatsmitglieds. Sein ruhiges, besonne
nes und doch bestimmtes Wesen befähigt ihn
gewiß vorzüglich zu diesem Amt, dessen er in
seiner Bescheidenheit nicht einmal Erwähnung
tat.
einige Anträge seiner Kameraden erledigen. Im
allgemeinen suchen ihn diese aber während
seiner Sprechstunden bei Schichtwechsel auf. Der
Jubilar bestätigt uns, daß seine Arbeit ihn voll
kommen ausfüllt, ja daß es manchmal fast zuviel
wird. Dabei muß manch harter Strauß aus-
gefochten werden, und Ärger gibt es auch in
Hülle und Fülle.
Zu Hause geht die Arbeit weiter, denn unser
Jubilar, der sich 1930 ein Haus gebaut hat, be
treibt eine kleine Landwirtschaft. Doch dies
allein befriedigt ihn nicht. Er liest viel, um sich
in allen arbeitsrechtlichen Fragen auf dem lau
fenden zu halten. Im übrigen betätigt er sich
auf der kommunal-politischen Ebene und ist
Gemeinderatsmitglied in Köllerbach.
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Und nun zu Viktoria I. Der 58jährige Berg
mann Philipp Gerstner aus Obersalbach wartet
auf der Inspektion auf uns. Er hatte Nacht
schicht, und wir wollen ihn nicht allzu lange
durch Fragen vom wohlverdienten Schlaf ab-
Bergmann
Gerstner
(Viktoria I)
halten. Doch auch die kurze Zeit genügt, um die
Umrisse eines arbeitsreichen Lebens aufzuzeich
nen. Im Jahre 1912 fuhr unser Jubilar in Vik
toria an. Zwanzig Jahre lang hat er schwer vor
Stoß gearbeitet, später wurde er dann Stempel
meister, Nachreißer und schließlich Wettermann
— eine Tätigkeit, die er noch heute ausübt.
Schichtwechsel auf Grube Göttelborn. Lange
Reihen von Autobussen parken vor der Anlage.
Im Verlesesaal herrscht Hochbetrieb, und auch
am Schalter der Lampenkaue ist ein ewiges
Kommen und Gehen. 14.00 Uhr. Nun mischen
sich schon die ersten schwarzen Gesichter zwi
schen die reinen weißen, und bald beherrschen
die von der Arbeit Kommenden allein die große
Halle. Eilends verschwinden sie im Bad.
Wir treffen unseren Jubilar, den 56jährigen
Bergmann Josef Busch aus Wiesbach gerade an,
Bergmann Busch an der Lampenkaue (Göttelborn)
als er seine Lampe abgibt. Auch er ist in Eile,
denn der Bus wartet nicht. Deshalb gibt uns
Busch nur kurz einige Daten seines Lebens an,
wobei der Pfiffikus seine Aussagen mit Scher
zen würzt. 1912 fuhr er auf Göttelborn an und
arbeitete mit Unterbrechung des ersten und
zweiten Weltkriegs seither als Maschinen
schlosser unter Tage. Ein Herz- und Blasen
leiden machte ihm die Ausübung der schweren
Arbeit unmöglich, so daß er zur Zeit beim
Transport beschäftigt ist. Busch hat fünf Kinder
großgezogen, von denen zwei Söhne auf Grube
Göttelborn und einer als Steiger auf Grube Mel
lin tätig sind.