Besuch b$unseren Üubifaren.}
Von lngeboig Marga.it
O ft bleibt ihr Mund stumm, denn sie schwei
gen lieber, als einem Fremden Einblick in ihr
Leben zu gewähren — ein Leben, das hart ge
wesen ist und reich an Mühsal und Schweiß.
Um so sprechender ist ihr Antlitz. Es ist das
Antlitz des Bergmannnes schlechthin, das ge
formt wurde in vierzigjähriger schwerer, ja
atemberaubender Arbeit. Dieses Gesicht sagt
aus vom Surren der Seilscheiben, die den
Förderkorb in die Tiefe tragen, von täglichen
Seilfahrten durch den Schacht bis auf den Grund
— es sagt aus vom Dröhnen der Hämmer, dem
Lärm der Maschinen, vom Schweiß, von sehni
gen Armen, die unter der Wucht der Preßluft
hämmer beben und biegen.
Der harte Kampf mit den Gewalten der Natur
hat diesem Antlitz seinen Ausdruck gegeben.
Dabei entbehrt es nicht der Aufgeschlossenheit
und eines Zuges der Freude. Denn muß nicht
der Mensch, der acht Stunden seines Tages bei
schwerster Arbeit im dunklen Schoß der Erde
verbringt, doppelt so empfänglich sein für alle
Schönheiten des Lebens im Licht? Scheint ihm
nicht eine strahlendere Sonne, ist ihm der Him
mel nicht blauer als den übrigen Menschen?
Empfindet der Bergmann, der nach beendeter
Schicht über die Felder geht, nicht dankbarer
die Schönheit seiner Heimat, die Fruchtbarkeit
der wogenden Kornfelder, das vielfältige Leben
in der Natur? Sieht er unsere Welt nicht mit
ganz anderen Augen, mit Augen, die um ein
Leben im Dunkel wissen? Und verleiht dieses
Erkennen ihm nicht eine größere Reife gegen
über vielen Menschen des Tags, jenen ewig
Unzufriedenen, denen im Grau des Alltags der
Sinn des Lebens verlorenging? Der Bergmann
aber empfängt täglich neu das Geschenk, was
den anderen selbstverständlich ist.
So hat denn die Grube wesentlich die Cha
rakterbildung dieser Männer beeinflußt und ihr
Wesen geformt. Sie hat sie zu harten, mutigen
Menschen gemacht, die verschlossen dem Frem
den gegenüber, untereinander eine feste Kame
radschaft halten — eine Kameradschaft, die bei
gemeinsamer Arbeit um die Gewinnung der
Kohle gegründet wurde und enger geschmiedet
ist als sonstige Arbeitsgemeinschaften weniger
schwerer Berufe.
Fast alle unsere Jubilare sind durch die harte
Schule des Bergbaus gegangen. Und wie sich in
ihrem Charakter ein gemeinsamer Zug heraus
kristallisiert hat, so verläuft auch ihr Leben
häufig auf der gleichen Linie. Es ist ein Leben,
das schwer genug war, in dem sie sich tüchtig
abrackern mußten, um sich und ihre Familien
anständig durchzubringen. Aber sie haben sich
tapfer gehalten und allen widrigen Schicksals
schlägen getrotzt. Noch heute stehen sie mit
beiden Füßen fest im Leben. Viele von ihnen
sind vor Stoß tätig, andere mit leichteren Ar
beiten beschäftigt und wieder andere wurden
über Tage verlegt, wo sie sich in den verschie
densten Abteilungen und Berufszweigen nützlich
machen.
Wenn wir einige unsere Jubilare aufsuchen
und uns etwas aus ihrem Leben erzählen las
sen, so gedenken wir dabei gleichzeitig ehrend
der anderen Ungenannten. Ihnen allen danken
wir für die in Treue geleistete lange Arbeit und
wünschen ihnen einen friedvollen, gesunden
Lebensabend, der ihnen die Früchte ihres Schaf
fens bringen möge. In diesem Sinne verabschie
den wir uns von unseren Jubilaren mit einem
herzlichen „Glück auf!"
*
Grube Maybach. Die roten Backsteingebäude
der Anlage werden vom Wald umsäumt, zwi
schen dessen Stämmen die Sonne geistert und
die Mücken spielen. Dort unter aber ist kein
Raum für Stille. Die Geräusche der Arbeit er
füllen unser Ohr. Bergleute mit kohlenschwar
zen Gesichtern, aus denen gespenstig das Weiß
der Augäpfel leuchtet, eilen an uns vorbei. Wir
zwängen uns mit ihnen durch die viel zu schmale
Eingangstür des Zechenhauses und finden zu
Seiten des Verlesesaals die Steigerbüros. Hier
sind wir an Ort und Stelle,
Unser Besuch gilt dem 56jährigen Wetter
steiger Jakob Diversy, der uns gleich aus einem
Rollschrank sein Knappschaftsbuch heraussucht,
das in einer altmodischen Schrift alle Daten
seiner bergmännischen Tätigkeit enthält. Im Fe
bruar 1913 fuhr unser Jubilar auf Grube May
bach an. Er schaffte von der Picke auf, erst als
Schlepper, schließlich als Lehrhauer und Voll
hauer. Im Jahre 1924 besuchte er die Bergschule
in Saarbrücken, um dann 1926 als Steiger an
gestellt zu werden. Als Wettersteiger besitzt er
eine große Verantwortung, denn schließlich
hängt von seinen Beobachtungen und den Aus
wertungen der Wetterproben das Leben aller
Bergleute unter Tage ab. Der Wettersteiger ver
bringt über die Hälfte seiner Dienstzeit unter