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schlugen vor, die Züge durch Wasserkraft trei
ben zu lassen oder auch durch gepreßte Kohlen
säure. Man glaubte auch damals immer noch,
die Reibung der glatten Lokomotivräder auf den
ebenso glatten Schienen sei nicht stark genug,
um die Züge vorwärts zu bringen. So konnte
ein Vorschlag entstehen, eine dritte Schiene in
die Mitte der Gleise zu verlegen und durch zwei
seitlich angepreßte Scheiben eine genügend
kräftige Reibung herzustellen.
Um herauszufinden, ob Lokomotiven als Zug
kraft möglich und zweckmäßig wären, veranstal
tete die Bahngesellschaft das weltberühmt ge
wordene Lokomotivrennen bei Rainhill. Zu die
sem Wettrennen waren fünf Lokomotiven an
gemeldet, darunter auch Stephensons Lokomo
tive „The Rocket" (Die Rakete). Während die
anderen Lokomotiven vorzeitig ausschieden, er
rang die Rakete mit einer für die damalige Zeit
ungeheuren Geschwindigkeit von 56 Kilometern
in der Stunde den Sieg. Damit war zugleich der
Sieg der Lokomotive als Antriebsmittel für
Eisenbahnen für immer entschieden. Niemand
sprach hinfort mehr von Pferden, Seilzügen und
ähnlichen Dingen.
Die Eröffnung der Bahnstrecke Manchester—
Liverpool fand am 15. September 1830 statt.
Dieser Tag bedeutet den Anbruch des modernen
Verkehrszeitalters. Von hier aus hat die Eisen
bahn ihren Siegeszug durch alle Länder der Erde
angetreten.
Es dauerte freilich immer noch fünf Jahre,
bevor auf dem europäischen Kontinent als erste
Eisenbahnen 1832 die Güterstrecke St. Etienne—
Lyon, die Strecke Brüssel—Mecheln am 5. Mai
1835 und die Ludwigsbahn zwischen Nürnberg
und Fürth am 7. Dezember 1835 in Betrieb ge
nommen wurden.
Die Sorge um die Steigerung des Absatzes
der Steinkohlen hatte in England zum Bau der
ersten Eisenbahnstrecke geführt. Aus der glei
chen Sorge heraus sind auch die ersten Eisen
bahnen in unserer Saarheimat entstanden. Be
reits die Grubeningenieure Napoleons I. hatten
aus diesem Grunde im Jahre 1806 mit der Ka
nalisierung der Saar begonnen. Die Arbeiten
konnten dann aber wegen der Kriege von 1812
bis 1815 nicht fertiggestellt werden. Aber be
reits im Jahre 1816 stand die neue Grubenver
waltung vor dem gleichen Problem. Man er
baute damals einen Schienenweg von der Grube
Bauernwald (später Gerhard bei Püttlingen)
nach der Saar. Die Verwendung einer Lokomo
tive als Zugkraft war aber nicht möglich, da die
von Berlin gelieferte Lokomotive nicht fahrbar
gemacht werden konnte. So betrieb man diese
Kohlenbahn mit Pferden und plante weitere
derartige Pferdebahnen von Sulzbach nach Saar
brücken und von Saarbrücken nach Konz an die
Mosel. Die Terrainschwierigkeiten waren aber
so groß, daß man diese Pläne wieder fallen ließ.
Man suchte jedoch wenigstens für die Kohlen
abfuhr von den Gruben des Sulzbachtales eine
ebene Strecke durch den Bau eines Stollens her
zustellen, des bekannten Saarstollens, der zum
Teil noch begehbar ist und dessen Mündung un
mittelbar vor dem Gebäude der Eisenbahn
direktion in Saarbrücken liegt. Er wurde am
26. September 1832 bei St. Johann angeschlagen
und sollte neben der Kohlenbeförderung an die
Saar gleichzeitig der Wasserabführung für die
Gruben des Sulzbachtales dienen. Dreißig Jahre
wurde an ihm gebaut, aber inzwischen ging die
technische Entwicklung über derartige Kin
dereien hinweg. Der Saarstollen wurde nie für
die Kohlenabfuhr benutzt.
Als 1825 die erste englische Eisenbahn von
Stockton nach Darlington in Betrieb genommen
wurde, erhielt auch bei uns der Gedanke an den
Bau von Eisenbahnen nach dem mißglückten
Versuch in Püttlingen neuen Auftrieb. Aber die
ses Mal begnügte man sich nicht mit dem Bau
von kurzen Kohlenabfuhrstrecken, sondern
plante im großen. Man dachte an den Bau von
Eisenbahnen von Saarbrücken nach Paris und
von Saarbrücken nach Straßburg. Allerdings
hatte man dabei auch in erster Linie die Ab
fuhr von Steinkohlen und Eisenerzeugnissen im
Auge. Alle diese Pläne, noch keineswegs fest
Umrissen, sondern noch reichlich verschwommen
an das Tageslicht tretend, schliefen bald wieder
ein, weil man die technischen und finanziellen
Schwierigkeiten vorerst noch für unüberwindlich
hielt.
Sie erwachten zu neuem Leben, als 1835 die
ersten Eisenbahnen in Belgien und Deutschland
erbaut wurden und damit der Beweis erbracht
war, daß man auch auf dem Kontinent in der
Lage war, eine Eisenbahn zu bauen und zu be
treiben, wenn auch für den Betrieb vorerst noch
englische Lokomotiven und englisches Personal
notwendig waren.
In Saarbrücken kamen die bedeutendsten
Männer aus der saarländischen Industrie und
Wirtschaft am 26. Januar 1836 im Saale des
Zivilkasinos in Saarbrücken unter dem Vorsitz
des Bergrates Leopold Sello zusammen und
gründeten eine Gesellschaft für die Errichtung
einer Eisenbahn von Saarbrücken nach Mann
heim.
Es ist bezeichnend, daß bei dieser Gesellschaft
eine führende Persönlichkeit des Saarbergbaues
die treibende Kraft war, und zeigte klar, daß
das Zentralproblem des Bergbaues damals die
Absatzfrage war.
Dem Streben des Saarbrücker Kreises war
kein Erfolg beschieden, so große Anstrengun
gen er auch machte, die Konzession für den