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unter der fadenscheinigen Begründung zur „Ver
einfachung der Verwaltung und strafferen Zu
sammenfassung der Betriebe". Ein schwerer
Schlag für ihn. Nach dem zweiten Weltkrieg
muß auch Obersteiger Schild wieder von vorn
beginnen. Sein Haus ist ein Trümmerhaufen.
Unter Schutt und Asche liegt die Einrichtung
seiner Wohnung begraben. Drei beschädigte
Stühle und eine Bettstelle, aus den Überresten
seiner einstigen Möbel selbst gezimmert — das
ist alles, was er nun besitzt.
59jährig nimmt er seinen Dienst bei den Saar
gruben wieder auf. Er wird Obeisteigei auf
Duhamel. Welch ein Tätigkeitsbereich! Die An
lage ist total zerstört. Selbst die Seile sind zer
schossen, die Körbe stecken im Schacht, 200 m
tief steht die Grube unter Wasser, alles ist
zerbrochen, verschlammt, verschmutzt, die Ein
richtungen verrostet — unbrauchbar. Mit einer
zu 50 Prozent berufsfremden Belegschaft wird
der Wiederaufbau begonnen. Alle Berufs
gattungen sind vertreten, Beamte, alle mög
lichen Handwerkszweige, Schneider, Friseure,
Kinovorführer, Studenten, entlassene Soldaten
vom einfachen Landser bis zum Kapitänleutnant.
Obersteiger Schild versteht es, die Leute anzu
packen und die erforderliche bergmännische
Disziplin herzustellen. Mit Stolz berichtet der
Jubilar, daß, trotz der totalen Zerstörung über
und unter Tage, die Grube Duhamel als erste
Grube die Friedensförderung wieder erreicht
und sogar überschritten hatte. Es ist für ihn eine
große Genugtuung, daß er trotz seines verhält
nismäßig hohen Alters noch dazu berufen
wurde, seine alte Heimatgrube wieder aufzu
bauen und in Betrieb zu setzen. Er ist der Regie
dankbar, daß er bis 1948 bei der Anlegung der
Bergleute freie Hand hatte, denn er konnte
manchem, der durch den Krieg in Not geraten
war, wieder auf die Beine helfen. Dies ist eine
besondere Befriedigung für ihn. Überhaupt ist
Obersteiger Schild ein wahrer Vater seiner
Grube, ein gütiger, verstehender Mensch und
Helfer. Diesen Eindruck gewinnt man gleich in
den ersten Minuten. So ist es nicht verwunder
lich, daß er bei einer Belegschaft von 1400 Berg
leuten sich doch persönlich um einzelne küm
mert. Vor allem um seine „Schmerzenskinder“,
die zwar tüchtige Arbeiter sind, aber aus
irgendwelchen Gründen zu bummeln anfangen.
Da kommt manche besorgte Mutter und manche
junge Frau, die ihm ihr Herz ausschütten. So
fern es vertretbar ist, versagt der Obersteiger
seine Hilfe nie.
Obersteiger Schild geht vollständig in seinem
Beruf auf. Wenn er seine Zeitung gelesen und
sein Pfeifchen geraucht hat, dann ist der Abend
auch schon vorbei. Es sei denn, daß er sich noch
in irgendeine Fachliteratur vertieft. — Eine
große „Nebenbeschäftigung" hat er allerdings
Obersteiger Schild in seinem Büro