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Die erste Dampfstraßenbahn
Straßenbahn St. Johann—Luisenthal ins Leben.
Am Tage der Einweihung waren die Häuser
der Mainzer- und Bahnhofstraße beflaggt, und
bald verherrlichte folgendes kleine Gedichtchen
diese neue Errungenschaft:
In St. Johann ist's schön,
da braucht man nicht zu geh n,
da fährt die Straßenbahn
bis nach Luisenthal.
In Burbach steigt man aus
und geht ins Kaffeehaus;
dort trinkt man Bier und Wein.
Man holt sie wieder ein.
Diese Dampfbahn soll manchmal
die Bahnhofstraße so verqualmt
haben, daß man kaum atmen
konnte. Im Jahre 1899 wurde des
halb diese Strecke elektrifiziert.
Auf dem Gelände der heutigen Heinestraße
war eine Radrennbahn angelegt worden, und
dort fanden in den 80er Jahren die ersten Rad
rennen auf Hochrädern statt. Im Sommer ver
anstaltete der St. Johanner Radfahrverein,
neben gemeinschaftlichen Radausflügen, Wett
rennen, im Winter gab es Saalsportveranstal
tungen mit Kunstfahren, Reigenfahren und Rad
ballspielen. Diese Festlichkeiten erfreuten sich
immer großer Beliebtheit in der Bevölkerung.
Auch der Schwimmverein fand lebhaften Zu
spruch. Die erste Badeanstalt befand sich auf
der linken Saarseite oberhalb der heutigen
Saargemünder Brücke. Oben auf der Böschung
stand eine Bretterbude, von der Stufen zu einem
Floß hinunterführten. An einer Ecke des
Floßes befand sich ein Turm zum Springen. Als
die Saar kanalisiert wurde, mußte die Bade
anstalt auf das rechte Ufer verlegt werden.
Hier war 40 Jahre lang der alte Latte tätig. Er
war nicht gerade ein feinfühliger Schwimm
meister. Mit seinen urwüchsigen kernigen Aus
drücken brachte er oft die sittsamen Töchter,
die Schwimmunterricht nahmen, zum Erröten.
Wer nicht schwimmen konnte und auf „seinen
guten Ruf" in der Stadt achtete, konnte sich
der Badeanstalt nicht nähern.
Oberhalb der Alten Brücke, gegenüber der
einmündenden Spichererbergstraße in die Allee
straße, unterhielt Latte eine Privatbadeanstalt.
Mit Brettern ringsum verschlossen, tat sie der
Schamhaftigkeit und Züchtigkeit Genüge.
Den Höhepunkt der Badesaison bildete jedoch
das alljährliche Schwimmfest, streng nach Ge
schlechtern getrennt. Das „Familienbad“ war
damals noch streng verpönt.
Nach Beendigung der fröhlichen Wettkämpfe
gab es in der Badeanstalt Freibier, warme
Würstchen und Butterbrote.
Besondere Feste waren die Tage der Kirch
weih. Die St. Johanner Kirmes wurde am Sonn
tag nach Johannistag in „Baldes Gärtchen“ ge
feiert. Für einen Groschen konnte man dort
tanzen.
Die St. Arnualer Kirchweih fand am ersten
oder zweiten Sonntag nach Simon Juda,
meistens Anfang November, statt.
Da in Saarbrücken selbst keine Kirmes statt
fand, feierten alle Saarbrücker die Arnualer
Kirmes mit.
Schon am Samstagnachmittag pilgerten die
Bürger aus der Stadt nach Osten, um den „Käs
kuchen“ noch warm versuchen zu können. Auf
dem Marktplatz, vor der Stiftskirche, wett
eiferten Feuerfresser, „waschechte Sioux-In
dianer", Albinos und ein „Haut den Lukas'
um die Gunst des Publikums. Sehr beliebt waren
damals auch rote Zuckerpfeifchen.
Zur Arnualer Kirmes trugen die Frauen die
ersten Winterhüte und eröffneten so die Winter
saison.
Auch die Forbacher Kirmes wui ie von den
Saarbrückern gerne besucht. Doi; waren die
Bonbons besser! Die Feinschmecker '/ersäumten
nie im Hotel „Karch" Schnecken essen. Die
jüngere Generation feierte auch die Kirmestage
in Brebach und Fechingen. Doch nur selten
gingen die Saarbrücker noch weiter, nach Hansel
z. B. oder in pfälzische Orte. Wai?n sie aber
einmal so weit auswärts, dann träumten sie
noch lange und oft davon.
Die Badeanstalt des alten Latte