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Der Rolltabak und Sauaahn
aus den vergangenen Zeiten
(Geschrieben von einem alten Bergmann) Karl D e n ne , St. Ingbert
D er St. Wendeier Rolltabak war das erste
Genußmittel des Bergmannes. Man kannte
kaum Zigaretten. Er benutzte den Rolltabak
nicht nur zum Kauen, sondern auch zum
Rauchen. Der Jungbergmann wurde schon früh
von den älteren Kameraden ans Kauen dieses
Krautes gewöhnt. Immer kostete es viel Mühe
und Gewalt, bis er eine Schicke, Brimche,
Quetsch oder Guzje vertragen konnte. Die
Kohlengräber behaupteten, daß das Kauen den
Durst stille und verhindere. Auch der Staub
könne nicht in die Lunge dringen. Aber der
Wirklichkeit wird wohl die Tatsache näher
kommen, daß es den Nikotingenuß ohne Feuer
gebrauch erlaubt, weil in der Grube das Rau
chen ja verboten ist.
Aber wie erwähnt, wurde der Rolltabak auch
geraucht. Das war ein Genuß!
Der Rolltabak wurde fein geschnitten und in
einer Tonpfeife geraucht. Sauzahn hieß diese,
wenn das Rohr lang war, abgebrochen hieß sie
„Backewärmer* oder „Klowe*. Ich kann mich
noch gut erinnern, wie mein Vater mit glühen
den Eisen, Stahl- oder Steinzündern den Tabak
zum Glühen brachte. Den Kauf des Tabaks be
sorgten die Frauen. Wenn sie am Zahltag beim
Krämer einkauften, wie es damals Sitte war,
wurde „em Babbe sei Bestes" nett vergessen.
Gewöhnlich wurde er im Pfund gekauft. Die
Krämer hatten das edle Kraut in Rollen in
großen Steinbütten eingelegt, damit es recht
speckig und feucht blieb.
So ist es wohl kein Wunder, wenn man die
Bergleute die „Tuwake“ nennt.
Trotz strengsten Rauchverbots sagte der
Jakob, ein älterer Bergmann, eines Tages: „Du,
Karl, morje bringe mer unser Klowe met und
raache an der Brotzeit e bißche Tuwak."
Ich war sofort damit einversanden. Es war
weiter keine Gefahr, die „Arwet* war ungefähr
zwanzig Meter unter der Tagesoberfläche. Doch
als wir gerade am Schmauchen waren, kommt
der Steiger und ruft: „Da rieche ich ja Tabak!"
„Ach wo", sagte der Jakob, „das kenne ehr
nette, ihF wisse jo garnet, daß die Buwe, wo
do owe in Günterschwies die Geiße un die Kieh
aushüre, dabei e Flämmche hann, un dann die
Holzhauer do owe im Wald e Feier hann für ihr
Supp warm zu mache. Vor einige Ta hat die
NEUFANG MALZBIER
Bas Schrumbelse, die of der Anlach wohnt,
Pankkuche gebadet, do isch de Geruch a do
runner gezoo in unser Streck."
Damit gab sich der Steiger zufrieden und hat
sich sogar noch einige Minuten mit uns unter
halten, wie das so üblich war. Doch plötzlich
wurde der Jakob ganz unruhig und sagte zum
Steiger:
„Ehr misse jetzt gehn, denn es fehle uns noch
zwei Wähn Kohle!"
Der Steiger ging, sagte aber: „Sorgt, daß ihr
eijer Soll grin und esch marsch de Schennl e
nunner."
Da beginnt der Jakob plötzlich zu fluchen:
„Kreuzmiljohne dunnerwärrer soll mer der
do samme schlan. Do gucke mol, Karl, was ich
mer do e Bios an de Daume gebrennt hann, so
fescht hann ich mei Klowe zugehall. Wat nor,
morje gringmer denne, do wärre zwei Pefe do-
vor geraacht!"
Am nächsten Tag, als der Steiger kam, ruft
der Jakob ihm von weitem zu: „Mer hann heit
Bech im Schennl gehat, mehr fehle noch vier
Wähn.“
Der Steiger antwortete: „Macht nur, daß ihr
eijer Förderung bekommt", und weg war er.