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Wie sehr im römischen Weltreich die Götterkulte-
und -ideen wanderten und geduldet wurden, zeigen
zwei Beispiele asiatischer Religionsübung, die von
eingewanderten Orientalen nach hier verpflanzt wur
den. Die Verehrung des persischen Lichtgottes Mi-
thras erfolgte in der sogenannten Heidenkapelle auf
dem Haiberg bei Saarbrücken und in der Mithras-
Grotte bei Schwarzerden (Kreis St. Wendel), wo jetzt
noch das Felsenrelief des stiertötenden Mithras-Got-
tes zu sehen ist. — Bei Tholey, in der Nähe des
Bahnhofes, wurde vor Jahren eine Fortuna-Figur ent
deckt. Die von Babylon ausgegangene Schicksals
göttin hatte auch im Varuswalde ihre Anhänger.
Vom Hochland von Iran und den Ufern des Euphrat
wanderten die Götterideen durch das gesamte rö
mische Weltreich bis in unsere Saar- und Blies-
gegend. Wir sehen an dieser Fernwanderung reli
giöser Gedanken, die sich durch Beispiele auf kultu
rellem und wirtschaftlichem Gebiete erweitern ließen,
wie die starke römische Zentralgewalt durch seine
länderverknüpfenden Straßennetze eine Kultureinheit
geschaffen, wie sie die Welt zuvor nie gesehen hatte.
Auf diesem Straßennetz wanderte still und anfangs
ungeachtet, die große Botschaft und milde Lehre
Christi in unsere Heimat ein.
Das Ctiriftentum in öec tömifrtien petioöe
Wir haben leider keine schriftlichen Zeugnisse über
Einzelheiten der Anfänge des Christentums in den
Rhein-, Mosel- und Saarlanden, doch wissen wir, daß
es vorwiegend getragen von christlichen Handwer
kern, Händlern, Sklaven und Soldaten zu uns kam.
Diese einfachen Menschen, die zutiefst erlebt hatten,
wie in der Kirche Christi die Würde des Menschen,
unabhängig vom sozialen Stand, aufs höchste ge
achtet wird, sind die ersten Sendboten der christ
lichen Lehre geworden. Fast gleichzeitig kamen die
ersten Priester, — Apostelschüler von Rom gesandt,
•— in die nordwestlichen Provinzen des römischen
Reiches. Metz und Trier nehmen für sich die Ehre
in Anspruch, die Gründung ihrer Kirche auf Schüler
des heiligen Petrus zurückzuführen: Petrus selbst
habe von Rom aus den hl. Clemens nach Metz und
die Heiligen Eucharius, Valerius und Maternus nach
Trier gesandt. Wenn auch eine rein geschichtlich
denkende Zeit diese Überlieferung als Legende be
trachten möchte, so kann nicht geleugnet werden,
daß in Trier und Metz schon in der apostolischen
Zeit starke christliche Gemeinschaften bestanden.
Auch Funde haben dies bestätigt. Da diese Gemein
den ohne Priester und Bischöfe nicht gegründet wor
den sein können, ist anzunehmen, daß sie zu jener
Zeit nur aus Rom gekommen sein können. — Vom
hl. Paulus wissen wir, daß er nach eigenen Angaben,
den hl. Crescens nach Gallien sandte, das Christen
tum zu predigen (67 n. Chr.).
Es ist eine Tatsache, daß im 2. Jahrhundert in
Gallien, in den Rheinlanden, ja sogar über die Gren
zen des Römischen Reiches hinaus, Missionserfolge
und Christengemeinden vorhanden waren. Dafür gibt
es zwei geschichtliche Zeugnisse:
Der hl. Irenäus, der als Bischof der Christen
gemeinde zu Lyon Vorstand, schreibt in einer Ver
teidigungsschrift, in der er die Kirche als die Be
wahrerin des einen überlieferten Glaubens gegen
über den Irrlehren der Gnostiker verteidigt: „Nun
wohl, diese Botschaft und diesen Glauben bewahrt
die Kirche, wie sie ihn empfangen hat, obwohl sie,
wie gesagt, über die ganze Welt zerstreut ist, sorg
fältig, als ob sie in einem Hause wohne . . . Die in
Germanien gegründeten Kirchen glauben und über
liefern nichts anderes als die in Spanien, oder bei
den Kelten, als die im Orient, oder in Ägypten, die
in Lybien oder in der Mitte der Welt" (Rom).
Bei den Kirchen in Germanien müssen wir in
erster Linie an Köln und Mainz, die Hauptstätte der
beiden linksrheinischen römischen Provinzen Ober
und Niedergermanien denken, während bei den Kel
ten u. a. auch an Metz, Trier und die Saar gedacht
werden muß. Der hl. Irenäus war in der Lage, die
kirchlichen Verhältnisse dieser Gebiete zu kennen,
denn in Lyon, dem Ausgangspunkt des römischen Han
dels nach Norden, liefen durchaus zuverlässige Nach
richten aus diesen Gegenden ein. — Die Kunde von
diesen Missionserfolgen war sogar bis Karthago, zum
hl. Tertulian, Zeitgenosse des hl. Irenäus, gedrun
gen. In einer seiner Schriften zählt er die Völker an
den Grenzen des Römischen Reiches auf, zu denen
der Glaube an Christus siegreich vorgedrungen ist:
„An wen haben denn geglaubt. . . alle römischen
Gebiete, die verschiedenen Völker Galliens, jene
Gegenden Britanniens, welche die Römer nicht be
treten, die aber Christus unterworfen sind, auch die
der Sarmaten, Dacier, Germanen, Skythen, der vielen
abgelegenen Völker ..."
Wenn diese beiden Zeugnisse auch nur allgemein
über die frühe Verbreitung des Christentums in Gal
lien und am Rhein berichten, so darf doch daraus die
Existenz von Christen und kleineren christlichen Ge
meinden in unserer engeren und weiteren Heimat
geschlossen werden. Auch dem legendären Bericht,
wonach der hl. Papst Marcellus in Beckingen (Saar)
in der Verbannung geweilt haben soll (309), mag die
Erinnerung an ein sehr frühes Christentum an der
Saar zugrunde liegen. Das junge Christentum würde
sich rascher ausgebreitet haben, wenn es nicht durch
blutige Verfolgungen, die auch die Provinzen nicht
verschonten, gehemmt worden wäre. Es sei noch er
innert an das Martyrium der Thebäischen Legion und
der Trierer Bürger (286) unter dem grausamen Prä
fekten Rictius Varus, den der Volksmund zum Typus
des Christenverfolgers stempelte und der heute noch
als wilder Jäger im Schaumberggebiet umherzieht.
Er ist in der Volkssage der verdammte Leidens
genosse des biblischen Pilatus, dessen Geist ruhelos
bei Pachten an der Saar fortlebt.
Mit der Bekehrung des Kaisers Konstantin trat die
große Wende des Christentums ein. Sein weit
schauender Blick ließ ihn die geistige Macht im
Christentum, der die Zukunft gehören mußte, er
kennen, und im Mailänder Toleranzedikt (Febr. 313)
schenkte er der Kirche volle Religionsfreiheit, Gleich
berechtigung mit dem Heidentum und Rückgabe aller
beschlagnahmten Güter, Fast volle 100 Jahre — bis
die ersten Stürme der Völkerwanderung (411) unsere
Heimat trafen — konnte das Christentum in unserem
Raume ungestört leben und sich ausbreiten. An
Glaubensboten von der Bischofskirche zu Trier hat
es gewiß nicht gefehlt. In dieser günstigen Zeit
sandte der hl. Maximinius, der zweite Bischof in der
nachkonstantinischen Zeit zu Trier, seinen Jünger
und Schüler Quiriakus an die Saar, das Evangelium
zu verkünden. Die Kirche zu Pachten ist dem hl.
Maximinius und die zu Mechern dem hl. Quiriakus