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in der Lehrwerkstatt in Heinitz, um das
Schlosserhandwerk zu erlernen. Eine von
Lhlickers verheirateten Töchtern ist gerade da
bei, dem jüngsten der acht Enkelkinder das
Gesicht abzuwaschen. Als echtes Bergmannskmd
hat sich das kleine Mädelchen schon beim Ein
schippen der Kohlen in den Keller nützlich ge
macht. Nun aber betrachtet es mit ängstlichen
Augen den Kameramann, der es mit dem Groß
vater aufnehmen will. Die Kohle ist ihm un
bedingt sympathischer als der schwarze, un
heimliche Kasten des Photographen.
Ehlicker, aus einer alten Bergmannsfamilie
stammend (Vater und Großvater waren beide
Bergleute), ist bereits 40 Jahre lang unter Tage
tätig. 1910 fuhr er an und wurde nach kurzer
Tätigkeit in der Sieberei unter Tage verlegt,
wo er zunächst als Schlepper, dann als Voll
bauer beschäftigt war. Seit 1942 macht er seine
Kontrollen als Wettermann. Auf die Frage, was
nach der Schicht seine Lieblingsbeschäftigung
sei, antwortete er ehrlich — „schlafen“. Und
das ist auch selbstverständlich, wenn man
55 Jahre alt ist und 40 Jahre Bergarbeit auf
dem Buckel hat. Seine Frau verrät uns aber,
daß auch er ein Steckenpferd hatte — seine
Brieftauben, mit denen er sich sogar an Wett
flügen beteiligte. Als im Krieg die Futter-
beschaffung große Schwierigkeiten bereitete,
mußten sie leider abgeschafft werden
*
Weiter geht die Fahrt zur Kokerei Heinitz.
Dichte Rauchschwaden über der Anlage — Gas
gerüche — an der Teerstation ein Arbeiter, das
Gesicht zum Schutz gegen Staub und Dämpfe
mit einer weißen Creme verschmiert — und
hier die lange Reihe der Batterien. Glühende
Hitze. Vor Glut flimmernde Luft. Der Koks ist
gar. Die Öfen werden entleert. Arbeiter mit
nackten Oberkörpern — in Schweiß gebadet —
hantieren mit langen Eisenstangen. Ein Wasser
strahl. Zischend aufsteigende, weiße Gischt.
Dampf verbirgt die Sicht. Wir gehen eilends
unter den heißen Öfen hindurch. —
An einer der Batterien treffen wir den 55-
jährigen D ü t g e Otto aus Elversberg, Arbeiter
und Vorarbeiter der ständigen Frühschicht. Ihm
fällt die Aufgabe zu, für die Unterhaltung der
Öfen zu sorgen, die Leute einzuteilen und evtl,
anfallende Reparaturen zu vergeben. Aus der
Unterredung mit ihm geht hervor, daß er sich
genau im Kokereibetrieb auskennt, mit dem er
sich sehr verwachsen fühlt. Er verfügt über ein
erstaunliches technisches Wissen, das er sich im
Laufe seiner 40jährigen Tätigkeit im Betrieb
erworben hat. Dütge hat zwei Jahre lang die
Werkschuloberklassen in Neunkirchen besucht,
mußte den Schulbesuch krankheitshalber aber
aufgeben. Dennoch blieb er bemüht, seine Bil
dung zu vervollkommnen. Der Jubilar liest viel.
Bevorzugt die einschlägige Fachliteratur, ist u. a.
auch Abonnent des „Kosmos" und Mitglied der
Saarländischen Buchgemeinschaft. Dütge inter
essiert sich nicht nur für die Klassiker, sondern
auch für die moderne in- und ausländische L.i‘e-
Vorarbeiter
Otto Dütge.
Dütge (rechts)
erteilt
einem Arbeiter
der Kokerei
Anweisungen
ratur. Doch ist er weit davon entfernt, sich
einseitig zum Bücherwurm entwickelt zu haben.
Nach seinen Aussagen ist er „Sportfanatiker"
— wenn auch kein ausübender Sportler —, der
vor allem Fußballspiele mit regem Interesse
verfolgt.
Sein Wunsch für die Zukunft: daß der Sohn
des verstorbenen Bruders, den er an Kindes
Statt angenommen hat, zu einem ehrlichen,
braven Menschen heranwachse, der die Arbeit
schätzt. Der Junge besucht die höhere Schule
und soll einmal Architekt werden.
*
Der Vorarbeiter Dütge begleitet uns zum
Kohlentransportband. Von seinem Arbeitsplatz
aus luftiger Höhe kommt der 57jährige Koll-
m a n n Wilhelm aus Spiesen herab. Wir unter-
M aschinist
Wilhelm Kollmann
am Transportband
der Kokerei
halten uns miteinander beim monotonen Ge
räusch des Transportbandes, das in stetem Fluß
die zermahlenen, zur Verkokung vorbereiteten
Kohlen den Sammelbehältern zuführt, von