Sdhwarz sind alle meine Kleider
*
Saarbergleute paradieren zum erstenmal in ihrer Tracht
Von Klaus Schmauch, Saarbrücken
Kein kirchlicher und weltlicher Würdenträger
wurde je so großartig und prunkvoll in der
Saarbrücker Grafschaft empfangen wie Ihre
Fürstliche Gnaden, der Erbprinz Ludwig und
seine junge, eben angetraute Gemahlin, die
Prinzessin Wilhelmine von Schwarzburg-Rudol-
stadt.
„Selbst der Himmel steht mit dem Hohen
Paar im Bunde!“ jubelt das Volk, als der
Wettergott am St. Barbaratag des huldreichen
Jahres 1766 die festgefrorene Triumphstraße
der Jungvermählten mit seiner Sonne illumi
nierte und die eisbedeckten Wasserpfützen in
kostbare Kristallspiegel verwandelte.
Aber auch ohne diesen Glanz bot die neu
erbaute Landstraße durchs Sulzbachtal einen
erhebenden Anblick. Zu beiden Seiten bausch
ten sich die Wappen und Fähnchen der beiden
verbundenen Fürstenhäuser, und Ehrenbogen
um Ehrenbogen mit Willkommenssprüchen und
bunten Papierrosen geschmückt, wölbten sich in
den frostklaren Tag.
Fürst Wilhelm Heinrich, der prunkliebende
Landesherr, wußte was er einer Erbin, die drei
hunderttausend bare Gulden als Brautschatz
mitführte, schuldig war und war ihr schon vor
drei Tagen mit allen Damen und Kavalieren
des Hofes und den Offizieren der Garnison zu
Wagen und Roß entgegengeeilt. Und heute
hielt das Hochfürstliche Paar seinen Einzug in
die Landeshauptstadt.
Daß es sich schon unterwegs befand, ver
kündeten die jubelnden Glocken und die nicht-
abreißenden Donnerschläge der Böller, und jetzt
fegten zwei schärpengeschmückte Bauein
burschen auf ihren hängebäuchigen Gäulen
durch „Duttweiler" und verkündeten schrillen
Halses, das Nahen der hohen Herrschaften.
„Endlich!" Der Stoßseufzer drang aus der
etwas beklommenen Männerbrust des Berg
inspektors Engelke, der schon über drei Stun
den mit fünfzig Knappen und „allen Bergvor-
stehern" der Grafschaft auf diese Nachricht
wartete und sich geschworen hatte, heute „den
Vogel“ abzuschießen.
Sapperlot, wie hatte er seine Bergleute in
Wichs geworfen! Da war alles nagelneu, vom
Fuß bis zum Scheitel, und die Schneider weit
und breit stichelten und nähten Tag und Nacht,
um die neuen Berguniformen, die ersten an
der Saar, noch beizeiten zu vollenden.
Geschnitten aus schwarzem Tuch und mit
Samtaufschlägen und Fransen von der gleichen
Farbe geziert, saßen sie den in Reih und Glied
harrenden Knappen wie angegossen. Die Sonne
spiegelte sich eitel in den schwarzgelackten
Schirmen der Samtmütze und in den gekreuzten
Hämmern auf den Achselstücken. Nicht minder
ergötzte sie sich an den neuen, rotledernen
Schurzfellen und übersah nicht die buntseidene
Bruderschaftsfahne, die blauweißen Schärpen
ihrer Träger und den „jüngsten Schlepper", der
ein rotsamtnes Kissen mit einem kunstvoll ge
triebenen Fäustel, das Hochzeitsgeschenk der
Knappen, in den Händen hielt.
„Habt acht!" Die „Katzenköpfe" auf der
„Flitsch" und über der Hirschbach, 35 groß
mäulige Mörser spien Donner und Feuer. Der
Herr Berginspektor im goldbestickten Atlasrock
und der Bergkassierer und die Schichtmeister in
silberdurchwirkten Uniformen pflanzten sich
vor der Knappenreihe auf. Dann stießen die
Bläser in ihr Horn, daß der aus stahlblauen
Kohlen und glitzernden Quarzstücken errichtete
Triumphbogen — er versinnbildlichte den Ein
gang eines Grubenstollens — erbebte.
Drauf erklangen Vivat- und Hochrufe, und
der Landesfürst, das Brautpaar, die lächelnden
Hofdamen und die vornehmen Kavaliere nick
ten und winkten den Knappen wohlgefällig zu
und bewunderten die schmucke, bis dahin un
bekannte Tracht der neugebildeten Kohlen
gräberzunft.
„Das hat er glänzend arrangiert“, lobte Wil
helm Heinrich seinen rührigen Inspektor, und
die thüringische Prinzessin freute sich sichtlich
über das unerwartete Knappengeschenk.
Am Abend aber zogen die Bergleute mit
brennenden Grubenlampen und tönender Mu
sik durch die festlich beleuchtete Residenz und
beschlossen den ehrenreichen Tag mit einem
Ständchen vor dem fürstlichen Schloß.
„... Schwarz und schwarz sind alle meine
[Kleider,
Schwarz und schwarz liebt jeder Mann
Darum lieb’ ich alles, was schwarz ist.
Weil mein Schatz ein Bergmann ist."
M NEUFANG GOLDHALS