Full text: 1951 (0079)

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diese Stätte entweihte, galt als Frevler und 
wurde hart bestraft. Heute wie früher halten 
die ergrauten Männer des Dorfes an schönen 
Abenden ihr Plauderstündchen unter der Linde. 
Aber auch die Dorfjugend gibt sich hier nach 
getaner Arbeit ein Stelldichein. Die Dorflinde 
wird Zeuge, wie eine Menschengeneration nach 
der anderen heranwächst und vergeht. 
„Du bist im Dorf die große Linde, 
Die rauschend ihre Arme breitet 
Und die dem Greise wie dem Kinde 
Den engen Platz zu Welten weitet " 
So überdauert die Linde Jahrhunderte. Mit 
hohlgefaultem und geborstenem Stamme, vom 
Blitze mehrfach getroffen, mit Eisenbändern zu 
sammengehalten, steht sie altehrwürdig, aber 
immer noch grünend, in Dörfern, an großen 
Heeresstraßen, in Burg- und Klosterruinen oder 
einsam mitten im Felde, wo vor Jahrhunderten 
der Krieg ein Dorf völlig zerstört hat. 
Eine der ältesten Linden Mitteleuropas steht 
bei Neuenstadt am Kocher (Württemberg) auf 
der alten Gerichtsstätte. Unter ihrem mächtigen 
Dach (es beginnt in einer Höhe von 2,30 bis 
2,60 m) haben 1000 Personen bequem Platz. 
Noch heute werden unter ihr häufig Kirchweih 
und aridere Feste abgehalten. Der gewaltige, 
2 6 m im Durchmesser aufweisende Stamm, steht 
inmitten junger Linden, die gepflanzt werden 
mußten, um die Laube zu erhalten und keine 
Lücken entstehen zu lassen. Die Äste nämlich, 
die wie riesige Arme vom Stamm ausgehen 
und 0,75—1 m dick sind, begannen sich vor 
Altersschwäche zu beugen und zu senken und 
mußten bereits vor Jahrhunderten durch 
steinerne Säulen gestützt werden. Mehr als 
hundert solcher Armstützen wurden in der Ver 
gangenheit errichtet. Die große Linde bei 
Neuenstadt am Kocher wird schon in einer Ur 
kunde von 1229 erwähnt, und 1408 hieß es 
von ihr: 
„Vor dem Tor ein Linde staht, 
Die siebenundsechzig Säulen hat!" 
Das Alter dieser Linde ist nicht genau zu er 
mitteln. Man schätzt es auf etwa 700—750 Jahre. 
Noch vor 20 Jahren grünte die 1000 Jahre 
alte Riesenlinde von Staffelstein in Bayern 
(Oberfranken). Ob sie den zweiten Weltkrieg 
überdauert hat, ist dem Verfasser nicht be 
kannt. Sie galt als der älteste Laubbaum Euro 
pas. In Brusthöhe maß ihr Umfang 24 m, das 
Innere des Stammes war schon lange hohl. 
Dort, wo einst das Kloster Wischau stand, 
steht eine Linde. Ein Mönch, der zum Tode ver 
urteilt war, pflanzte sie mit der Wurzel nach 
oben, um seine Unschuld zu beweisen. Später 
wurde das Kloster von Feinden zerstört. Nur 
die Wunderlinde überlebte diese Zeit und 
deutet noch heute den Ort an, wo man den un 
schuldigen Mönch ums Leben gebracht hat. 
In der südfranzösischen Ortschaft Bassanac 
in der Landschaft Lozere schmückte den Markt 
platz bis 1911 eine gewaltige alte Linde, die im 
Anfang des 16. Jahrhunderts gepflanzt wurde. 
Sie mußte wegen Altersschwäche gefällt werden. 
Weithin bekannt war die mächtige Linde vor 
dem Gasthaus zum Schwan in Rippach bei 
Lützen (Thüringen). Sie war so groß, daß man 
in ihrer weitausladenden Krone einen Tanzplatz 
für 20 Paare errichtet hatte. Leider wurde diese 
Linde durch Brand zerstört. 
Seit Jahrhunderten kennt man die schweiß 
treibende, blutreinigende und krampfmildernde 
Kraft des Lindenblütentees. Man bereitet ihn 
aus getrockneten Lindenblüten, die man samt 
den flügelartigen Hochblättern pflückt. 
Neben der Linde ist die Eiche einer der be 
kanntesten Sagenbäume. Wer kennt nicht diesen 
Baum mit seinen starken Wurzeln, die den 
mächtigen, mit rissiger Borke umgebenen 
Stamm im Boden fest verankern, und seinen 
knorrigen Ästen, die selbst den schwersten 
Stürmen Widerstand leisten? 
„Weithin greifest du aus deinen Wurzeln 
[und Ästen, 
Tief in die Erde hinein, weit in die Lüfte 
[hinaus." 
Die Eiche gilt als Sinnbild der Kraft und der 
Stärke. In der Blumensprache heißt es: Wer 
Eichenblätter trägt, zeigt dadurch seine Festig 
keit an und daß niemand seinen Willen brechen 
könne. Wem aber von seiner Liebsten emp 
fohlen wird, Eichenlaub zu tragen, vor dem 
mag man sich hüten, mit diesem darf man sich 
keinen Scherz erlauben.
	        
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