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i Rund um den Schaumberg I
Das Bergmannsbauerndorf Scheuern
Von Siegfried GRIMM • Heinitz
A n der Nordgrenze unseres Saarlandes be
findet sich ein eigenartiges Gebirgsland,
das Hunsrückvorland. Ich denke an das
" Gebiet nördlich der Linie Lebach-Neun-
kirchen, zwischen Prims- und Bliestal gelegen.
Dieses Gebirgsland hebt sich von allen anderen
Landschaften des Saarlandes scharf ab. Im Nor
den erblicken wir den alle übrigen Höhen über
ragenden Schaumberg mit einer Höhe von 571 m,
eine mächtige Vulkankuppe aus Porphyrit. Neben
dem Schaumberg sei noch der Lindenberg bei
Steinbach erwähnt. Er ist aber 100 m niedriger
als der Schaumberg, der mit seinem Aussichts
turm den ganzen Norden beherrscht. Zwischen
Schaumberg und Lindenberg befindet sich das
berühmte Dörsdorfer Hochbecken. Wer Natur
und Kunst gemessen will, der wandere durch das
saarländische Vulkangebiet. Schon Wilhelm
Martin sagt in seinem Buche « Land und Leute
an der Saar» : « Er versäume nicht, die Land
schaft im Raume Dörsdorf—Hasbom—Scheuern
—Neipel, das Dörsdorfer Hochbecken mit dem
anschliessenden Tal von Bergweiler zu besuchen.»
Wendet man sich von Tholey aus nordwärts,
so erreicht man in 2 Stunden Scheuern. Gleich
gültig von welcher Seite man kommt, ob von
Süden oder von Osten, man entdeckt den Ort
erst sehr spät, da er im Tale zwischen sanft an
steigenden Bergen liegt.
Das Dorf Scheuem gehört politisch und
verwaltungsmässig zum Kreis St. Wendel (Ver
waltungsbezirk Tholey). Diese Verbindung des
Dorfes mit Tholey besteht bereits seit Jahr
hunderten. Die Geschichte des Dorfes Scheuern
ist eng verknüpft mit der Geschichte der alten
Abtei Tholey. Das kleine Dörfchen mit einer
Einwohnerzahl von nur knapp 600 Menschen
scheint schon sehr alt zu sein. Der Name rührt
ohne weiteres her von einer Scheuer. Schon vor
430 Jahren soll sich in dem kleinen, so unan
sehnlichen Oertchen eine Zehntscheuer, dem
Kloster in Tholey angehörend, gefunden haben.
Man kennt heute noch ganz genau die Stelle
unweit des Dorfes, wo nach historischer Ueber-
lieferung der Bau seine breiten Räume zur Auf
nahme des Zehnten aller Bodenerzeugnisse für
das Kloster in Tholey bereitgehalten hat. Auch
besass Scheuern im 15. Jahrhundert ein Hoch
gericht. Die Hochgerichtsherrschaft wurde aus
geübt von der Abtei Tholey. Man zeigte mir an
einem Hause unter einer altersgrauen Linde die
Stelle, auf welcher ein Turm zur Aufnahme der
Gefangenen stand, während noch immer die süd
lich von Scheuem gelegene Anhöhe minder
Beherzten im Dunkel der Nacht einen heimli
chen Schauder empfinden lässt. Denn es ist der
Galgenberg, wo soviele tausend Geister gehenkter
Verbrecher in abscheulichen Gestalten umher
ziehen und nimmer Ruhe finden. Solche und
ähnliche Geschichten erzählt sich der Volksmund.
So las ich in der Scheuemer Schulchronik, ge
schrieben von einem Dorflehrer etwa um 1850,
folgendes : «Aber auch im Orte selbst ist es
nicht ganz geheuer. Unterhalb des nach Nieder
hofen führenden Weges bei dem so benamsten
« Hennenalthaus » treten Dir die Erinnerungen:
der mittelalterlichen Hexen- und Geistergeschich
ten und die Torheiten jener Zeit lebhaft nahe.
Oder siehst Du nicht da das Hexengärtchen, auf
dessen ehemaligem Domgesträuch die Hexen irr
der ersten Maimittemacht mit nackten Füssen ini
wilden Tänzen sich ergingen ? Lass Dir’s mal
von der Grossmutter erzählen. Die weiss gewiss
noch mehr. Vielleicht zeigt sie Dir auch noch
das Hexentöpfchen, mittels dessen Gebrauch die
Ahnen früherer Jahrhunderte die erwähnten
Unholde von Leib und Leben, von Kindern,
Vieh und Haus femhielten. »
Während so Scheuern die Spuren mittelalter
licher Existenz unverkennbar mit in die Gegen
wart genommen hat, ist man fast zur Annahme
geneigt, dasselbe habe seine Kinderschuhe bereits
in der nackten « Heidenzeit» breit getreten. In
unmittelbarer Nähe des Dorfes befindet sich
noch ein Brunnen, welcher den Namen « Götzen-
bom» führt ; auf den nahen Anhöhen aber
entdeckte man in früheren Jahren nicht selten
mit Asche verbrannter Leichen gefüllte Urnen.
Auch unterhalb des Ortes, in der Nähe des nach
Neipel bezw. nach Lindscheid führenden Weges
hat man verschiedene solcher Funde gemacht.
Die Namen Schaumberg und Tholey haben
einen interessanten Klang, liegt doch hier ge
schichtlich inhaltsreicher und schicksalsschwerer
Boden. Auf die Urbewohner des Landes, die
Bewohner der Steinzeit, folgten die dem arischen
Stamme angehörenden Kelten oder Gallier, die
lange vor der Zeitenwende in Südwestdeutsch
land sesshaft waren. Den Zeitpunkt ihrer Nieder
lassung im Schaumberggebiet können wir nicht
näher bestimmen. In der Gegend von Tholey
fand man Gräber gallischer Häuptlinge mit rei
chem Goldschmuck.