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Ein alter saarländischer Bergmannsbrauch, erzählt von Hans BREINIG, Püttlingen
D achhobel und Schienenpeez sind altbe
kannte Wörter im heimischen Bergbau.
In Wirklichkeit aber existieren beide
Gezähstücke nur in der Phantasie der
Knappen. Und wohl dem, der in den Tagen
seiner ersten Schichten so schlau war, dass er
wusste, dass es sowas nur zum Hereinlegen der
Neuanfahrenden gibt. Er ersparte sich viel
Schweiss, Gelächter und Spott. Ihrer aber werden
nicht viele sein.
Wenn der Jungbergmann früher zum ersten
mal in die Tiefe fuhr, gab ihm der Vater vorher
Ermahnungen und Belehrungen. Vom Dachhobel
aber und der Schienenpeez sagte er nichts und
dachte : « Er wird doch so schlau sein und bald
merken, dass es sowas nicht gibt. » Und als die
Mutter den zur ersten Schicht Gehenden segnete,
sagte er zu ihr : « Was er nicht weiss, wird er
schon noch erfahren. »
Die erste Schicht verfuhr der werdende Knap
pe bei den Nachreissern, Verbauern, Nassma
chern oder am Schlämmen. Hier lernte er sich
ja erst an die Grube gewöhnen. Er machte den
Hauern Handreichungen, half sägen oder schau
felte Berge weg. Alles merkte er sich dabei gut.
Manchmal aber hiess es : «Was steht der
Schlepper so unnütz da herum ? Geh als mal
obendran, Schlepper, und hole das Stempelau-
genmass, damit musst du ja auch umgehen ler
nen, Kleiner...» Der Nichtsahnende ging in die
Nachbararbeit, sagte « Glück Auf ! » und erbat
das Gewünschte. Er erhielt aber zur Antwort :
« Das Stempelaugenmass brauchen wir vorerst
selber noch. » Als er dann ging und es seinen
Hauern meldete, lächelten diese verschmitzt, und
das gab ihm schon etwas zu denken.
Am anderen Tage wurde « gestresst», und
das Gestänge sollte vorverlegt werden. Da sprach
der Lehrhauer : « Geh mal hinunter, Schlepper,
zu denen in die Grundstrecke und hole die
Schienenpeez ! » Wohl dachte der Schlepper
sofort an das « Augenmass », doch er überlegte,
dass es zum Biegen der Schienen sowas wie eine
« Peez » geben könnte. Lind die in der Grund
strecke luden dem Ärmsten dann eine zwei Me
ter lange, gebogene Schiene auf den Buckel.
Keuchend langte er damit bei den heimlich sich
zulächelnden Hauern an. Der Partiemann legte
die Peez beiseite, und die ganze Schicht über
zermarterte sich der Neue das Hirn, wie man
sie in Gebrauch nähme. Und sogar daheim des
Nachts im Bett träumte er von der schweren,
schweren « Schienenpeez », die immer noch un
benutzt in der Strecke lag.
Zur dritten Schicht, beim Firstschiessen, sagte
der Lehrhauer wieder : « Geh obendran, Schlep
per, und hole die Dachhobel, dass wir alles glatt
hobeln können über uns...» Da entgegnete der
neue Schlepper : « Dort liegt ja noch die Schie
nenpeez !» Und er bekam von allen Hauern
zugleich die Antwort : « Du hast zu machen,
was du geheissen wirst ! » Im Nachbarstreb hiess
es : « Die Dachhobel ist bei denen neben uns ».
Dort vorsprechend, lud man ihm einen kleinen,
aber schweren Holzbock auf den Buckel. In
Schweiss gebadet, abgeschunden, langte er mit
der vermeintlichen Dachhobei bei seinen Hauern
an. Da lachte der Partiemann laut : « Du Dir-
mel, sowas existiert doch nur in der Phantasie.
Hoffentlich ist es dir eine gute Lehre für alle
zeit... »
Nach Tagen kam der Neue ans Wagen
rücken an den Bremsschacht. Da überhäuften
die « alten Knochen » von dort ihn mit allerlei
Aufträgen. Er aber sagte : « Mit Dachhobel
und Schienenpeez lasse ich mich nicht veräp
peln. Sucht euch einen Dümmeren...» Da mein
ten sie unter sich, dass dieser Neue « auf dem
Teppich und fast so klug wie ein Hauer» sei,
und Hessen ihn in Ruhe.
Immer war das Fortschicken der Neuen nach
Dachhobel und Schienenpeez unter Strafe ge
stellt, aber ausgerottet wurde dieser Brauch trotz
dem nicht. Es gehörte früher zu jeder Neuan
fahrt, den Neuling gewissermassen auf Herz
und Nieren zu prüfen. Keiner aber vergass je
im Leben diese Proben auf seinen Verstand. Sie
waren ein wertvolles Erziehungsmittel, das sich
der tüchtige Saarbergmann in der Praxis selber
schuf und das mithalf an der Formung des
Saarbergknappen.