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ten, der bei Unachtsamkeit leicht verschwunden
wäre, ohne dass man ihn bemerkt hätte.
Es waren auch im Verlaufe der Ausgrabung
keine frühgotischen Architekturreste gefunden wor
den, dagegen einige, die zum romanischen Baustil
gehören. Abbildung 11 zeigt das Grundmauerwerk
des spätgotischen Chors mit einem eingebauten
Stein von romanischer Profilierung. Den Mauer
winkel G spreche ich ebenfalls seinem Charakter
nach als romanisch an. Ich kann aber aus seinem
Vorhandensein nicht auf Seitenchöre und damit
Seitenschiffe schliessen. Vielleicht gehört er zu
einem Anbau mit anderer Verwendung.
Soweit das Ergebnis der Ausgrabung. Wir wer
den gleich mehr von dieser romanischen Kirche er
fahren. Während der 1200-Jahrfeier der Gemeinde
Losheim hatte ich Gelegenheit, das kostbare aus
dem 13. Jahrhundert stammende Mettlacher Kreuz -
reliquiar zu studieren. Auf seiner Rückseite ist in
das Metall eingestochen ein Band mit Darstellungen
zu sehen. Es sind sechs kirchliche Würdenträger,
teils Äbte mit dem Abtsstab in der Hand, teils
Bischöfe mit der Mitra auf dem Kopfe, die dieses
Friesband füllen. Alle tragen symbolhaft etwas in
Händen, das irgend ein markantes Ereignis in der
Geschichte der Benediktinerabtei Mettlach bedeu
tet, und alle haben den Nimbus (Heiligenschein)
um das Haupt. Der erste trägt eine ringförmige
Mauer mit einem Gebäude darin, der zweite ein
Buch, der dritte eine romanische Kirche usw. über
und unter der Figurenreihe läuft je ein abschlies
sendes Schriftband ganz durch. Es enthält Angaben
über die dargestellten Personen und bei den beiden
ersten auch ihrer Symbole. Unter der ersten Figur
steht LOSMA, unter der zweiten RESTAVRATOR
LOCI., unter den folgenden Figuren bleibt das
Schriftband leer, über der ersten Figur steht
FOLCOLD.ABBS., über der zweiten .RVTWIG-
ABS. usw.
Es gibt nun zwei grundlegende, aber verschie
dene Auffassungen dieser Bilder, die für ihre Er
klärung natürlich wichtig sind, weil davon die Deu
tung unserer Losheimer Ausgrabung abhängt. Pfar
rer Schäfer ist der Ansicht, dass das « Losma »•
unter der ersten Figur sich auf die ganze Reihe
der 6 Personen bezieht, weil sonst keine Ortsbe
zeichnung mehr vorkommt. Bei dieser Erklärung
müssten wir die dritte Figur, die den Erzbischof
Ruppert, der von 930-956 den Trierer Bischofsstuhl
innehatte, darstellt, als den Gründer einer grossen
romanischen Kirche mit zwei
Chortürmen in Losheim betrach
ten, denn die Kirche, die er trägt,
hat zwei romanische Chortürme.
Ich bin anderer Ansicht. Ich
glaube, dass das «Losma » unter
der ersten Figur ausschliesslich
zu dieser ersten Figur gehört und
keine Beziehung zu den weiteren
Darstellungen hat. Unter der zwei
ten Figur, die den Abt Rutwig
von Mettlach (941-975) darstellt,
steht nämlich « Restaurator loci »,
was soviel heisst wie « Wiederher
steller der Ordnung am Ort».
Wir wissen aus der Geschichte,
dass dieser Abt Rutwig wieder die
strenge Ordnung nach der Regel
des hl. Benedikt im Kloster Mett
lach herstellte. Das Buch, das er
als Symbol in der Hand trägt,
versinnbildlicht die Regel des Be
nediktinerordens. Also bezieht sich
diese zweite Figur schon nicht
mehr auf Losheim, sondern auf
Mettlach. Und es ist unwahr
scheinlich, dass auf einem derartig
seltenen und kostbaren Reliquiar
ein so breiter Raum wie hier das ganze Bildband
der Kirche und dem Klosterhof in Losheim allein
eingeräumt worden wäre.
Wir betrachten infolgedessen nur die erste Figur
(Abb. 12). Folcold Abbs stehtoben, das heisst Abt
Folcold. Und unten ist zu lesen Losma, das be
deutet Losheim. Der Abt steht im Halbprofil da
und hält mit beiden Händen eine zinnenbekrönte
Mauer, die rund um ein einfaches Gebäude läuft.
Das Bauwerk scheint aber nicht profan (weltlich)
zu sein, sondern es sieht aus wie ein kleiner Tem
pel oder eine Kirche ohne Turm, aber mit sehr
hohem rundbogigen Portal. Abt Folcold hat um
1050 gelebt. Als Begründer oder Erbauer der roma
nischen Kirche in Losheim trägt er diese in den
Händen. Diese Erklärung steht im Einklang mit der
Mitteilung von Pfarrer Schäfer, dass das Güter
verzeichnis der Abtei Mettlach, in welchem die
Losheimer Kirche als Eigentum des Klosters aufge
führt ist, aus der Zeit um 1000 stammt. Sie findet
aber auch ihre Bestätigung in unserer Ausgrabung.
Wir fanden nämlich kein Fundament eines Turms.
Der Mauerwinkel G (Abb. 2) ist zu schlecht und
zu schwach für einen Turm und steht auch nicht
in einem glaubhaften Verhältnis zur halbrunden
Apsis. Gerade hier, in dem Mauerwinkel G, wo
der alte romanische Zustand noch leidlich erhalten
ist, müsste das Turmfundament oder eine Seiten
apsis gefunden worden sein, wenn es je eines von
beiden hier gegeben hätte.
Aber sollen wir uns den romanischen Bau wirk
lich ganz ohne Turm und ohne Glockengeläute
Bild 11 Grundmauerwerk im spätgotischen Chor mit eingemauertem
romanischem Stein (Photo Staatl. Landesbildstelle)